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„Was macht Dich denn bitte zum Experten?!“
Du bist Dir unsicher, was mich zu einer glaubhaften, seriösen Quelle macht? Fragst Du Dich, was mich zum Experten macht? Nichts.
Du bist Journalist, Blogger, Influencer oder hast auf anderen Wegen Reichweite, dank der Du mein Buch ins Blickfeld möglichst vieler Menschen rücken kannst? Oder überlegst Du, mich per Crowdfunding zu unterstützen? Aber Du bist Dir unsicher, was mich zu einer glaubhaften, seriösen Quelle macht? Fragst Du Dich, was mich zum Experten macht?
Nichts. Ich habe keine Sekunde Psychologie oder ähnliches studiert, kein einziges Buch über psychische Erkrankungen oder Kindesentwicklung gelesen. Alles, was ich schreibe, sind Beobachtungen und Ergebnis von Zuhören. Aber hör bitte an der Stelle nicht gleich auf mit dem Lesen, ich fahre ein paar schwere Geschütze auf 🙂
In der Schulzeit konnte ich nicht verstehen, wieso viele Mitschüler an Textaufgaben scheiterten. Man braucht doch einfach nur aus den entscheidenden Zahlen und Fakten eine Formel aufstellen und sie lösen?! Dafür war ich im Sport ein echter Grobmotoriker und wusste nicht, was ich beim Springen, Werfen und Rennen falsch mache.
Mit ca. 20 kaufte ich mir für 5 DM ein Buch bei Karstadt mit Intelligenztests, verfasst von einem Professor für Psychologie. Bei Test 1 landete ich bei einem IQ von 133, bei Test 2 war das Ergebnis 147. Wo genau mein IQ lag und was davon heute, 30 Jahre später, noch übrig ist, weiß ich nicht. Genutzt hat er mir nicht wirklich viel. Vielleicht konnte ich mich schneller durch all die Formalitäten schlagen, mit denen ich nach dem Schlaganfall meines Vaters 2019 zu kämpfen hatte. Für eine große Karriere hatte es auf jeden Fall nicht im Ansatz gereicht. IQ-Tests sind darauf ausgelegt, Muster schnell zu erkennen. Was in der Mathematik funktioniert, kann bei Menschen genauso klappen.
In einem Partnersuch-Portal sollte ich die Frage beantworten, was ich unter „emotionaler Intelligenz“ verstehe. Meine erste Reaktion war: „Wow, da hat sich ja mal wieder jemand ein supertolles Wort einfallen lassen, was ganz schlau klingt.“ Für mich gehörte das in die Kategorie „Superfood“ für einen einfachen Apfel. Auch wenn ich „Mindset“ lese oder höre, muss ich meinen Augenbrauen zurufen, dass sie bitte unten bleiben sollen. Man kann sich mit der Verwendung solcher Wörter fix einen klugen Anstrich geben, aber oft erscheinen mir die auf solche Wörter folgenden Sätze als heiße Luft, die keinem Praxistest bestehen.
Heute sehe ich „emotionale Intelligenz“ gelassener. Ja, vielleicht würde das einfache Wort Empathie schon völlig ausreichen. In meinem 5-DM-Intelligenztest-Buch gibt es neben den allgemeinen Tests auch je einen für Sprache, für Zahlenlogik und für räumlich-visuelle Vorstellung. Das heißt, es gibt auch sprachliche Intelligenz, zahlenlogische und räumlich-visuelle.
Und damit kann es ja auch emotionale Intelligenz geben: Wie gut und schnell (die Intelligenztests waren alle auf 20 Minuten beschränkt) kann ich das Gefühlsleben eines anderen Menschen verstehen? Gibt es ein Muster zu früheren Begegnungen? Das, was dir ein Mensch erzählt, kannst du auch als Textaufgabe sehen. Wenn du anfängst mit Mathe, stehen dir nur ein paar Zahlen zur Verfügung, dazu ein + und dann ein -. Damit kommst du nicht weit, du musst weiter Erfahrungen sammeln.
Erzählt dir ein Mensch zum ersten Mal von Selbstverletzungen und du hattest vorher keine Erfahrungen damit, auch keine ganz eigenen, dann bleibt dir eigentlich nur, ihm zuzuhören, Erfahrung zu sammeln, Fragen zu stellen: Was macht das mit dir?
Mir ging es so mit Sophie. Sie war knapp 18, als sie mich das erste Mal anschrieb. Uns trennten 35 Jahre. Anfangs dachte ich, jemand will mich in eine Falle locken. Für Sophie wurde ich zu einem Menschen, dem sie als so ziemlich einzigen vertrauen konnte. Ihre Eltern und ihr Bruder hatten dafür gesorgt, dass Sophie schon mit 12 sprungbereit war, um das Leben hinter sich zu lassen. Depressionen waren die Folge, wohl auch Borderline und die Selbstverletzungen. Mit 23 bekam sie einen Schlaganfall. Ob sie noch lebt, weiß ich nicht.
Wenige Jahre später begegnete ich Meggie. Es dauerte nicht lange, bis sie mir von ihren Selbstverletzungen erzählte, obwohl sie diese ansonsten nur selten zum Thema macht aus Angst vor den Reaktionen. Ich erzählte Meggie von Sophie und auch von einer anderen Frau, die über ihre Selbstverletzungen gesagt hatten: „Sie zeigen mir, dass ich lebe“. Ich fragte Meggie, ob das bei ihr auch so ist. Sie bejahte. Ich konnte also durch meine Erfahrungen die Textaufgabe von Meggie besser lösen, dadurch konnte sie sich wieder besser von mir verstanden fühlen, weiteres Vertrauen gewinnen, was sehr erleichternd sein kann.
Emotional unintelligent wäre es gewesen, den Frauen zu sagen: „Was für ein Blödsinn, lass doch den Scheiß einfach sein!“ Dann hätte ich auch Menschen, die sich in ihren depressiven Phasen zurückziehen, sagen können: „Geh doch einfach unter Leute, dann bist du nicht mehr traurig!“ Oder ich hätte Menschen in manischen Phasen sagen können: „Du Idiot, dieses Lied im Radio ist doch nicht für dich geschrieben worden! Und die Chinesen kommen nicht morgen!“
Meine Erfahrungen sagen aber: Das funktioniert so nicht. Ein Mensch mit Realitätsverlust kann nicht durch Faktenchecks in die Realität zurückgeholt werden. Die Hormonstörung in der Depression kann nicht mit „Geh doch mal unter Leute“ glattgebügelt werden. Und für jede Selbstverletzung gibt es eine Ursache, genauso wie für jede Sucht und auch gegen die kommt kein „Zigaretten gefährden aber deine Gesundheit!“ an.
Eine Frau, Mitte 40, schrieb mir: „Danke, vor allem fürs Verstehen … Als mein Freund mich vorhin fragte, was los sei, hab ich es ihm nicht sagen können… Weil er mich nicht versteht. Nicht verstehen kann… Ich erreiche ihn mit meinen Worten und Gedanken gar nicht. Und du bringst es nach einmal Lesen auf den Punkt… So offen reden kann ich grad nur mit dir.“
Wir waren zweimal zu Wanderungen unterwegs, ansonsten chatteten wir, ohne dass da irgendwelche Herzchen hin- und herflogen. Zum Zeitpunkt des Zitats kannten wir uns vielleicht zwei Jahre, mit ihrem Freund war sie deutlich länger zusammen. Warum fühlte sie sich von mir wesentlich besser verstanden als von ihm, obwohl er ihre Emotionen tagtäglich live studieren konnte inklusive Körpersprache? An dem Punkt macht „emotionale Intelligenz“ für mich Sinn – aber vielleicht ist es eben doch „einfach nur“ Empathie.
Immer wieder fühlten sich Menschen von mir recht schnell verstanden, ob 18-jährig oder Ü70. Immer wieder vertrauten sie mir Dinge an, über die sie sonst schwer bis gar nicht mit anderen Menschen reden konnten. Offenbar mache ich beim Zuhören etwas richtig. Das, was ich an Fragen stelle und aus Erfahrung erkläre, scheint oft ins Schwarze zu treffen, was mein Gegenüber immer wieder so überrascht wie mich selbst.
Ich stelle keine neuen Theorien auf, habe keine Studien durchgeführt, forsche nicht. Ich gebe einfach nur das wieder, was Menschen erzählen, was Psychologen, Neurologen, andere Ärzte und Forscher sagen. Wenn die Theorie mit der Praxis zusammenpasst, dann gebe ich es so wieder.
Wenn der kanadische Arzt Gabor Maté die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Forschung zusammenfasst und dabei sagt, dass wohl jede Suchterkrankung durch Verletzungen und Traumata in der Kindheit entsteht und ich immer Suchterkrankte mit mehr oder weniger heftiger Kindheit begegne, dann ist die Lösung der Textaufgabe: Wenn du Sucht bekämpfen willst, musst du Kinder vor Verletzungen schützen. Die emotionale Intelligenz sagt mir: Wenn ich jemandem vorwerfen würde, an der Flasche oder der Nadel oder an exzessivem Sport oder Arbeit zu hängen, dann würde ich ihm vorwerfen, dass seine Eltern ihn nicht die Zuneigung geschenkt hatten, die ein Kind braucht.
Wenn Psychologen bei jedem hilfesuchenden Erwachsenen in der Kindheit graben, um die Ursache des psychischen Ausnahmezustandes ausfindig zu machen, dann sagt mir die Logik: Jede psychische Erkrankung ist das Ergebnis von Verletzungen in der Kindheit. Wer die Erkrankungen bekämpfen will, muss Kindern das verletzungsfreie Aufwachsen ermöglichen.
Wenn Psychologen sagen, dass 100% der psychisch Erkrankten Wut in sich tragen und ich etwas gegen Wut in der Gesellschaft unternehmen will, muss ich psychische Erkrankungen eindämmen, womit wir wieder beim verletzungsfreien Aufwachsen sind.
Wenn ich das Abwerten von Ausländern, von Gläubigen, von Blondinen, von Wissenschaftlern, Aluhutträgern, SUV-Fahrern, Fahrrad-Fahrern, Eliten, Bürgergeldempfängern, alten, weißen Männern, der Gen Z usw. immer bei Menschen sehe, die in ihrer Kindheit einiges mitmachen mussten und die als Erwachsene nicht wirklich mit sich klarkommen, dann kann ich versuchsweise Begriffe wie Ausländerfeindlichkeit, Homophobie, Antisemitismus usw. weglassen und das Abwerten als einfachen Versuch ansehen, den nie gesund gewachsenen Selbstwert aufzuwerten. Warum ist der Selbstwert nie gesund gewachsen? In 99,9% der Fälle landet man wieder bei den Eltern. Warum konnten die Eltern den Selbstwert ihres Kindes nicht gesund entwickeln lassen? Erfahrung sagt: Weil sie selbst ohne diesen aufgewachsen waren. Lösung der Textaufgabe: Wer Hass bekämpfen will, muss Kindern ermöglichen, von ihren Eltern einen gesunden Selbstwert auf die Reise mitzubekommen.
Um mein Buch in aller Munde zu bringen, soll über den Inhalt berichtet werden. Aber was gelten meine Worte, wenn unter den Artikel nicht geschrieben werden kann: „Sonnestrant hat Psychologie studiert, arbeitete lange als Psychotherapeut, später mit eigener Praxis, engagiert sich in der Suchtforschung und betreibt den Podcast „Lass Sonne in Dein Herz“?
Meine Gegenfrage wäre: Was qualifiziert eine Frau als Expertin für Putins Krieg, die vier Tage vor dem offiziellen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine mit ihrer üblichen Art der Unfehlbarkeit erklärt hatte, dass Russland nie in die Ukraine einmarschieren werde? Warum darf diese Frau trotz ihrer völligen Fehleinschätzung regelmäßig bei Markus Lanz und in anderen Formaten Putin als rationalen Menschen einstufen, mit dem man ja nur auf Augenhöhe verhandeln bräuchte? Was macht sie zu einer Expertin, deren Worte mehr Gewicht haben als die vom Malermeister um die Ecke?
Kam in ihrer Einschätzung Putins jemals das Wort „Narzisst“ vor? Hat sie jemals laut darüber nachgedacht, dass Narzissten nichts mit rationalem Denken zu tun haben, sondern es ihnen immer um Macht, Einfluss, Besitz, Aufmerksamkeit geht? Schickt ein rational denkender Mensch aus angeblicher Angst vor der NATO-Erweiterung vorsorglich hunderttausende seiner Landsleute in Tod und Verstümmelung? Kann man deshalb dessen Argument, er wolle ja nur die weitere Erweiterung verhindern, immer wieder als Kriegsgrund wiederholen? Oder sind einem solchen Menschen aus dem für Narzissten typischen Fehlen von Empathie Menschenleben egal, Hauptsache er schreibt für immer seinen Namen in die Geschichtsbücher neben andere große Eroberer? Eroberer, die am Ende alles wieder verloren hatten, was die von ihnen in den Tod geschickten Menschen eingenommen hatten?
Es ist erschreckend, wie sich die Geschichte wiederholt: Hitler wollte sein Heimatland Österreich befreien und der notleidenden Bevölkerung zu Hilfe kommen – damit begründete er den Einmarsch ins Alpenland im März 1938. Mit einer Volksabstimmung ließ er rückwirkend die Annexion rechtfertigen. Hitler wollte auch die Verfolgung deutscher Landsleute in der Tschechoslowakei und Polen stoppen – das gab er als offizielle Gründe an für den Einmarsch in diese Nachbarländer.
Putins anderer offizieller Kriegsgrund neben der angeblichen Angst vor der NATO-Erweiterung: den angeblichen Genozid an den in der Ukraine lebenden Russen stoppen. Mit Abstimmungen ließ er die Annexionen als „richtig gemacht“ besiegeln.
Hitler ging es aber nicht um das Wohlergehen von Menschen. Wenn mir Menschenleben am Herzen liegen, dann schicke ich keine Soldaten in den möglichen Tod, sofern ich nicht selbst angegriffen werde. Hitler wollte erobern, die Pläne dafür lagen bereit und er wollte endlich loslegen. Warum sieht die Frau, die überall auftreten darf, Putin nicht in Hitlers Tradition: dem Eroberer? Warum glaubt sie an seine Verhandlungsbereitschaft? Was in seinem Wesen gibt ihr Anlass zu diesem Glauben?
Vor allem der britische Regierungschef Chamberlain hatte mehrmals mit Hitler direkt gesprochen, in der Hoffnung, ein Krieg könne vermieden werden. Er wollte ihm entgegenkommen, Rüstungsabkommen schließen, deutsche Interessen in Mittel- und Südosteuropa anerkennen. Er unterzeichnete im September 1938 das Münchener Abkommen, was Deutschland berechtigte, das Sudentenland zu annektieren. Er tat dies im Glauben, einen weiteren Weltkrieg verhindern zu können. Und er schien sich sehr sicher, den Frieden in Europa gesichert zu haben.
Ein halbes Jahr später, im März 1939, marschierten deutsche Truppen in Prag ein. Prag hatte nichts mit dem Sudentenland zu tun. Chamberlain wurde nun klar, dass er Hitler auf den Leim gegangen war und er startete die Aufrüstung Großbritanniens. Mit Polen und anderen Staaten schloss er Verträge, die diesen Staaten Sicherheiten geben sollten, so wie die Ukraine 1994 im Budapester Memorandum Sicherheitsgarantien von Russland, den USA und wieder von Großbritannien bekam. Im Gegenzug gab die Ukraine die auf ihrem Gebiet stationierten Atomwaffen ab. Hätten die Ukrainer auch die Abschusscodes in den Händen gehabt, wären sie die drittstärkste Atommacht dieser Zeit gewesen.
Hitler überfiel die Staaten trotz der Sicherheitsgarantien der Briten, Putin kackte auf das Abkommen von Budapest. Am Ende half gegen den Eroberer Hitler keine Beschwichtigung, sondern nur geballte militärische Stärke: Panzer, Schiffe, Flugzeuge, Bomben, Granaten, Gewehrkugeln, Millionen Soldaten. Briten und Amerikaner warfen in ihrer Wirtschaft alles in die Waagschale, was an Rüstung möglich war. 1943 bauten die USA u.a. 2654 Kriegsschiffe und 54100 Kampfflugzeuge. Hätten sie viel eher erkannt, was Hitler vorhat, wären die Opferzahlen wohl geringer ausgefallen und der hinterlassene Schutthaufen wäre kleiner gewesen.
Und selbst als die Lage für Hitler längst aussichtslos war, alle gewonnenen Gebiete wieder verloren waren, das einstige Kernland zum Großteil von Briten, Franzosen, Russen und Amerikanern besetzt war, sagte der Eroberer nicht: „War ´ne dumme Idee, tut mir leid um die vielen Opfer.“ Nein, der Eroberer schickte Jugendliche und Alte an die Front. Erst mit seinem Suizid war der Weg frei für Frieden. Ergebnis: Millionen Tote für rein gar nichts. Die in diesen Jahren erlittenen Traumata haben sich vererbt auf die nächsten Generationen und wirken auch heute noch in unterschiedlichsten Varianten nach.
Die Lehre aus dieser Geschichte sollte sein: Ein Narzisst ist nicht mit Verhandlungen, Zugeständnissen, Respekt o.ä. zu stoppen, wenn er erobern will. Narzissten erkennen zielsicher die Schwächen ihres Gegenübers und können diese perfekt für ihre Zwecke nutzen. Hat das Gegenüber Angst vor einem militärischen Konflikt? Perfekt! Dann kann ich mir ein Land nach dem anderen holen und mich darauf verlassen, dass die andere Seite mir immer wieder nur sagen wird: „Damit ist es jetzt aber genug, sonst … Lass uns jetzt verhandeln.“
Diktatoren sind praktisch immer Narzissten, so las ich es von einem Psychologen. Putin wurde von einem ehemaligen CIA-Psychologen als Narzisst eingestuft. Warum soll Putin anders ticken als Hitler? Weil wir nicht mehr 1939 haben, sondern 2025?
Die Auswirkungen von Narzissmus werden immer die gleichen bleiben – genauso wie die Ursache: Verletzungen in der Kindheit, durch die sich kein gesunder Selbstwert aufbauen kann. Das ist bei Putin so, bei Trump ebenso, der von Dutzenden Psychologen als Narzisst eingestuft wurde. Hitlers Vater war ein Despot. Genauso sehe ich meinen eigenen Vater, der seinen Erzeuger nie kennengelernt hatte – auch hier spielte Hitler eine Rolle. Zuneigung war von meinem Vater nicht zu erwarten, genauso wenig wie Anerkennung. Entsprechend gering war mein Selbstwert jahrzehntelang. Ich hätte mich im Leben nicht mit einem Buch an die Öffentlichkeit gewagt, in der ich Dinge erkläre, die ich nicht studiert habe. Außer dem IQ hatte ich doch keine Stärken, so meine Wahrnehmung.
Mein Glück war wohl, dass meine Mum gegensätzlich zu meinem Vater tickte, was Empathie und Mitgefühl angeht. Das half mir zwar nicht zu einem besseren Selbstbewusstsein, aber ich hatte nie das Bestreben, mich über andere stellen zu müssen, um mich aufzuwerten. Ich brauche keine anderen Länder erobern, um meinen Selbstwert zu steigern. Ich könnte nicht zehntausende Leben opfern, nur damit mein Name irgendwann auf einem Straßenschild in einer eroberten Hauptstadt steht.
Wenn wir sagen :„Nie wieder Krieg!“, dann heißt das für mich: „Nie wieder Narzissten“ und das heißt: Nie wieder Kinder ohne gesunden Selbstwert aus den Kinderzimmern gehen lassen. DAS wäre für mich die richtige Lehre aus der Geschichte jedes Krieges und jedes Möchtegern-Diktators.
Er soll Dir helfen, ein Gespür zu entwickeln. Vergleiche die Frau, die in jeder Polit-Talkshow gern gesehen ist und mich. Wir sind beide keine Experten für Kriege oder Menschen. Wessen Einschätzung ist für Dich nachvollziehbarer? Von wem würdest Du Dir in Zukunft eher den Wahnsinn in dieser Welt erklären lassen (ohne dass Du diese Erklärung dann für die einzig richtige halten brauchst)? Wenn diese Frau so viel Sendezeit bekommt, ohne Expertin zu sein, wäre es dann so verkehrt, wenn auch ich zu Wort kommen würde? Was ist mit all den anderen Politikern, die ebenfalls über die Dinge sprechen dürfen, bei denen ihnen eine fachliche Eignung fehlt?
Der Vorteil an dem, was ich schreibe: Du kannst Deinen ganz eigenen Faktencheck machen. Blättere Deine eigene Geschichte durch bis zum Anfang: Waren Deine Eltern für Dich da? Hast Du Zuneigung von beiden Elternteilen bekommen? Anerkennung, Liebe, Aufmerksamkeit?
Wenn nicht: Auf welche Weise versuchst Du seit dem Verlassen Deines Kinderzimmers Anerkennung, Liebe, Zuneigung, Aufmerksamkeit zu bekommen? Machen diese Versuche Dich glücklich oder stressen sie Dich? Versuchst Du weiterhin, ein nettes Wort Deiner Mutter oder Deines Vaters für Dein Dasein zu hören? Wie viel Aufwand betreibst Du dafür und tut Dir das gut?
Wie sieht Dein Selbstwert aus? Von was ist er abhängig? Von Deinem Aussehen? Von Deinem Fleiß auf Arbeit? Deinem Besitz? Von der Aufmerksamkeit Deines Partners oder von der, die Du in sozialen Netzwerken bekommst? Hängt Dein Selbstwert davon ab, dass Du andere abwertest? Was würdest Du in Deinen eigenen Augen morgen wert sein, wenn Du aus irgendwelchen Gründen nur noch zu Hause sitzen könntest, ohne Aufmerksamkeit, Arbeit, Besitz, Aussehen, Einfluss, Macht? Wärst Du dennoch mit Dir zufrieden oder würden die alten Wunden beginnen zu bluten? Wie ehrlich kannst Du in all diesen Fragen zu Dir selbst sein? Was lässt Dich der blinde Fleck nicht sehen, den jeder Mensch hat?
Wenn Du jetzt sehr nachdenklich auf den Bildschirm schaust, durch ihn hindurch, Du sehr still wirst, dann habe ich etwas in Dir bewegt, ohne Experte zu sein. Und darum geht es mir mit dem Buch: Etwas in Gang bringen. Ich stelle mich nicht hin und sage: „Alles ist richtig, was ich behaupte!“ Aber ich fühle mich mit dem Gesagten sehr dicht an der Realität, auch durch das positive Feedback jener Menschen, mit denen ich mich ganz privat unterhalten habe und nicht aus Recherche-Zwecken.
Konnte ich Dich überzeugen? Dann nutze Deine Macht, Deinen Einfluss, Deine Aufmerksamkeit, Deinen Besitz gern dazu, mein Buch auf Bestseller-Listen zu bringen und es zum Thema auf allen Kanälen zu machen. Die Weltuntergangsuhr wurde Anfang 2025 von 90 auf 89 Sekunden vor 12 Uhr gestellt. Die eine Sekunde ist nicht zuletzt dem nächsten Narzissten in einer Machtposition zu verdanken, der mit Eroberungen droht. Eigentlich wäre es höchste Zeit, über die Folgen kaputter Kindheiten zu sprechen und etwas dagegenzusetzen. Eigentlich wäre es höchste Zeit, endlich aus der Geschichte zu lernen. Also packen wir es gemeinsam an!
Crowdfunding für das Buch „Verrückt – ein Aufschrei“
Du bist Dir unsicher, was mich zu einer glaubhaften, seriösen Quelle macht? Fragst Du Dich, was mich zum Experten macht? Nichts.
Sophie lebt – und ist tot. Was besser ist für sie? Ich weiß es nicht.
„Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.
„Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.
Elon Musk, Kanye West, Mel Gibson – denen ist doch allen der Erfolg zu Kopf gestiegen! Die spinnen doch einfach nur! Willst du mit ihnen tauschen?
„Warum hat er mich nicht lieb? Bin ich einfach ein Nichts?“ Diese Fragen stellt sich Katis jüngerer Sohn und denkt dabei an seinen Vater.
Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.
Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.
Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.
Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.
Die einen waschen ihre Firma grün, die anderen leben beim Yoga ihren Narzissmus aus. Was steckt hinter dem Gendern?
Wer Frauen sichtbar machen will, muss das komplette Bild ins Scheinwerferlicht rücken – auch die Schattenseiten.
Wo in der Geschichte sind die ganz konkreten Beispiele dafür, dass Appelle an die Vernunft etwas zum Guten verändern? Mein Vater kann nicht gemeint sein.
Über Tote sagt man nichts Schlechtes. Wenn dir also nichts Positives einfällt, dann musst du schweigen. Doch jedes Leben erzählt eine Geschichte.
Knapp 18 Mio. Menschen werden pro Jahr wegen psychischer Erkrankungen behandelt. So etwas können Parteien doch nicht ignorieren, oder?
Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.
Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?
Du weißt, wie wahre Liebesgeschichten beginnen. Dies sind einige von ihnen.
Und wieder glauben wir, Erwachsene umerziehen zu können – und wieder haben wir nichts aus der Geschichte gelernt.
Er verfolgt dich, er bespitzelt dich, er glaubt dir nicht, du machst Schluss mit ihm. 10 Jahre später sitzt du mit ihm und euren beiden Kindern am Frühstückstisch.
In dieser Welt passiert vieles, was aufgedeckt gehört. Gibt es jedoch zu einem Ereignis 101 unterschiedliche Wahrheiten, dann werde ich nachdenklich.
Die Welt wird von einer unsichtbaren Macht geleitet – sagen nicht nur Verschwörungsanhänger, sondern Milliarden Menschen.
Er baut den Keller zur Wohnung um, weil die Chinesen kommen. Sie spricht vom Angriff der Roboter. Wenn du ihre Geschichten kennst, wirst du sie verstehen.
„Als ich Krebs hatte, bekam ich Mitleid, Zuspruch und Unterstützung. Als Depressionskranke war ich immer die faule Sau.“
Stille ist Luxus. Im Wald kannst du sie finden, kannst nackt herumrennen. Doch nun weicht die Stille der Sprachlosigkeit.
Als Robert Enke durch Suizid starb, herrschte große Trauer. Doch längst jagen wir seine Nachfolger Richtung Abgrund.
Jeder Mensch hat zwei Ohren. Nur was wir damit anfangen, ist recht unterschiedlich. Umso erleichternder ist es in Krisenzeiten, wenn du jemanden findest, der zuhören kann. In den letzten Jahren lernte ich, dass dies wohl meine Superkraft ist. Diese biete ich Dir hier an.
1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.
Wir sind Ruth und Knut. Nimm uns an die Hand und komm mit auf deine spannendeste, tränenreichste und lustigste Reise. Wir reißen Wunden auf und kleben nicht einfach ein Pflaster drüber, um unsere Besitzerin auf einen entspannten Weg durchs Leben zu ermöglichen.
#metoo (1) 2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) abschied (1) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beziehung (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) Bundestagswahl 2021 (1) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) freiheit (2) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) interview (1) Journalismus (5) kampagnen (1) Kindheit (4) Krankenhäuser sind Hurenhäuser (1) liebe (2) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) Mel Gibson (1) missbrauch (2) Mutterliebe (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) Spaltung der Gesellschaft (1) Sucht (1) tot (3) Vater & Sohn (2) Vernunft (1) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) wird nicht besser (3)
Es war einmal vor irgendeiner Zeit, als irgendeiner in irgendeinem Land irgendetwas suchte. Mit irgendwem machte er sich irgendwann auf die Reise. Zum Abschied küsste er irgendwen und sagte mit irgendwelchen Gefühlen irgendetwas.
Irgendwie kamen sie zu irgendeinem Wald und hörten irgendwoher irgendetwas. Irgendeiner sagte zum anderen irgendetwas und sie machten irgendetwas. Irgendwann gelangten sie irgendwohin und in ihren Gesichtern zeigte sich irgendetwas.
Irgendwann setzten sie ihre Reise fort, vorbei an irgendetwas. Irgendwer wedelte irgendwann irgendwo mit irgendetwas, doch irgendetwas sagte den beiden: „Irgendetwas stimmt dort nicht“ und so machten sie irgendetwas. Als irgendetwas unterging, suchten sie nach irgendetwas, wo sie schlafen konnten. In irgendeinem Schloss wehte irgendetwas durch irgendetwas, irgendwer schien irgendwo zu sein. Wegen irgendwelcher Gefühle konnten sie kaum schlafen und irgendwann, kurz nachdem irgendetwas aufgegangen war, liefen sie auf irgendetwas irgendwohin. Von irgendwo hoch oben konnten sie irgendwohin sehen, soweit irgendetwas reichte. Irgendetwas klopfte bei diesem Anblick irgendwie anders in ihnen, doch irgendwann nahmen sie Abschied.
Irgendeine Zeit später passierte irgendetwas mit dem Begleiter von dem einem und so musste dieser allein weiterreisen. Irgendwie irgendwo irgendwann erblickte er eine irgendetwas, sie stellte sich ihm nicht vor. Doch irgendwie stand irgendetwas in ihm in irgendetwas: „Ich sah irgendwie noch nie ein solch irgendetwas irgendetwas.“
Irgendwer errötete: „Ihr müsst irgendwie aus irgendetwas gereist sein, ich habe Euch bislang nirgendwo gesehen.“
„Irgendetwas führte mich hierher und irgendwie glaube ich, dass es irgendetwas zu bedeuten hat.“
„Irgendwie fühle ich irgendetwas irgendwo.“
„Es geht mir irgendwie.“
Beide schauten sich tief irgendwohin, traten näher zueinander und machten irgendetwas.
„Nirgendwo nirgendwann habe ich so etwas je getan“, sagte irgendwer.
„Auch für mich bedeutet dieser Moment irgendetwas. Irgendwann werden wir irgendwem irgendwo irgendetwas davon erzählen.“
Und wenn mit ihnen nicht irgendetwas passiert ist, dann sind sie noch heute irgendwo.
Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?
Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!
Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)
Wenn du Gefühle nicht mehr aushältst, leg einen Sarkophag darüber. Doch was, wenn der bricht?
Du wartest. Und wartest. Das Warten tut dir weh, dennoch wartest du weiter.
Jeder hat so sein Päckchen zu tragen – für mich ein furchtbarer Spruch. Ich sehe dabei immer ein Schulterzucken, als wäre es ein Naturgesetz, dass jede Generation der nächsten Steine in den Rucksack packt.
Was macht dich glücklich, mein Kind? Was fehlt dir? Was hast du damals vermisst, was willst du heute nachholen? Würde es mir damit besser gehen?
Du trägst mich auf deinen Schultern durch gute und schlechte Zeiten. Wir haben keine Liebesbeziehung, sind eine Zweckgemeinschaft mit gewissen Vorzügen.
In mitten des Ozeans sinkt nach heftigen Stürmen ein Boot ganz langsam. Der Mann darin ist erschöpft, er bekommt den Kahn einfach nicht mehr leer, so sehr er sich bemüht.Ein zweites Boot nähert sich, der Mann schöpft Hoffnung – Rettung in Sicht nach langer Zeit.Der andere Mann kommt immer näher, grüßt kurz, schaut: „Ich bin […]
Über Tote sagt man nichts Schlechtes. Wenn dir also nichts Positives einfällt, dann musst du schweigen. Doch jedes Leben erzählt eine Geschichte.
Du weißt, wie wahre Liebesgeschichten beginnen. Dies sind einige von ihnen.
Würdest du das kleine Mädchen, das du einst warst, vor all den Scherben bewahren, durch das es laufen musste? Nein.
Stille ist Luxus. Im Wald kannst du sie finden, kannst nackt herumrennen. Doch nun weicht die Stille der Sprachlosigkeit.
Vor mir liegt ein Stein. Kein kleiner Kiesel. Er lässt mich nicht vorwärts kommen – oder schützt er mich?
Wir hatten es selten leicht miteinander, du und ich. Von Liebesbeziehung konnte kaum die Rede sein, mein liebes Leben.
Wenn dein Ego nie wachsen konnte, ist es dir eben egal, wie ehrlich ein „Ich liebe dich“ ist. Hauptsache, du bekommst es zu hören.
„Die langen Ärmel ihrer Bluse rutschten nach unten, als sie in ihrer Freude die Hände noch oben riss.
Er sah ihre Narben am Handgelenk …“ – Wie geht es wohl weiter?
„Wie konnte sie nur? Ja, ihr ging es dreckig, aber was sollten wir denn machen? Mein tiefempfundenes Beileid. Sag´ Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Jetzt muss ich erstmal los.“
Im dunklen Wasser des kleinen Sees versinken Nachtgedanken, heißt es. Doch aus ihm können auch zauberhafte Wesen steigen.
Ich hab´s geschafft: Ich bin tot. Endlich kann ich machen, was mir Freude am Leben gibt.
1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.
Wir sind Ruth und Knut. Nimm uns an die Hand und komm mit auf deine spannendeste, tränenreichste und lustigste Reise. Wir reißen Wunden auf und kleben nicht einfach ein Pflaster drüber, um unsere Besitzerin auf einen entspannten Weg durchs Leben zu ermöglichen.
#metoo (1) 2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) abschied (1) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beziehung (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) Bundestagswahl 2021 (1) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) freiheit (2) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) interview (1) Journalismus (5) kampagnen (1) Kindheit (4) Krankenhäuser sind Hurenhäuser (1) liebe (2) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) Mel Gibson (1) missbrauch (2) Mutterliebe (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) Spaltung der Gesellschaft (1) Sucht (1) tot (3) Vater & Sohn (2) Vernunft (1) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) wird nicht besser (3)
Mit meinem ehemaligen Mitschüler Ulli laufe ich durch ein großes Gebäude. An nichts ist zu sehen, was das für ein Bau ist, für mich fühlt es sich nach einer Klinik an. Wir gehen zu einem Fahrstuhl, locker-leicht, fahren eine Etage nach oben. Unser Ziel scheint eine Gruppentherapie zu sein, aber auch das fühlt sich recht ungewiss an. Ulli sieht in einem Nebengang wohl Kinderspielzeug, ausgelassen springt und läuft er in diese Richtung, so wie er zu Schulzeiten hin und wieder aus seinem Ernst ausgebrochen war. Ich gehe schmunzelnd weiter, freue mich, wie unbeschwert er ist. Mir geht durch den Kopf: „Ich bin mit Ulli hier.“ Doch so, wie ich mich von ihm entferne, schlägt der Gedanke plötzlich um: „Ulli ist tot! Er ist nicht hier. Aber ich bin mit ihm hier, mit seiner Geschichte.“ Tränen setzen sich in Bewegung.
Ich wachte leicht auf, die Tränen liefen auch in der Realität über meine Wangen. Obwohl ich eher schlief als wach war, nahm mich dieser Traum heftig mit.
Als ich am Morgen auf dem Klo saß und an den Traum dachte, kamen wieder die Tränen, der Gedanke: „Ich bin mit seiner Geschichte hier.“ Der Satz klang kitschig und furchtbar treffend zugleich.
Dieses Hier war eine psychosomatische Klinik. Hier sollte herausgefunden werden, warum mein Körper seit 6 Jahren zu immer weniger zu gebrauchen ist. An Wanderungen 6-8 km täglich wie noch 6 Jahre zuvor war jetzt überhaupt nicht mehr zu denken, selbst ein halber Kilometer aller zwei Tage ließ meine Muskeln erschöpfen wie nach einem langen Marsch. Für mich war klar, dass es eine greifbare Diagnose geben muss, an Blutwerten oder anderen Messwerten ablesbar.
„Was der Kopf nicht verarbeiten kann, muss der Körper ausbaden.“ So sagte es mir meine Psychologin irgendwann. Messbares werde man wohl nicht finden. Zu viel erlebt, zu viel gehört, zu viel an negativen Gefühlen, Emotionen. Zu viel Trauer, zu viel Enttäuschung, zu viel Hilflosigkeit, zu viel Ungerechtigkeitsempfinden.
In den 10 Jahren zuvor hatte ich viel zugehört und fühlte mich robust, das alles wegstecken zu können. Dutzende Geschichten von kaputten Kindheiten, die in psychische Erkrankungen führten. Es schien keinen Menschen zu geben ohne Depressionen, bipolare Störung, Selbstverletzungen, Suizidgedanken, narzisstischer Persönlichkeitsstörung, Angststörungen, Zwangsstörungen …
Nur Ulli war anders. Dachte ich. 2018 sah ich ihn im Freibad. Mit muskelbepacktem Körper stieg er aus dem Wasser, mit gewinnendem Lächeln. Er war Chirurg, hatte Familie, war sicher finanziell gut abgesichert. Wenn es einer aus meiner Klasse auf die Sonnenseite des Lebens geschafft hatte, dann ganz sicher Ulli. Aber gut, er kam auch aus einem Elternhaus mit Chirurg und Lehrerin, als gute Startbedingungen.
Zwei Jahre später nahm sich Ulli aus dem Leben. Seine Schwester erzählte mir von der Kindheit der beiden – weitab der Sonnenseite. Gewalt, Manipulation, Leben unter zwei narzisstischen Elternteilen. Ullis Suizid sei seine erste freie Entscheidung gewesen, so seine Schwester.
Auf seinen Tod reagierte ich fassungslos, doch ohne Tränen. Das Jahr zuvor hatte mich in einen gefühlsmäßigen Sarkophag gesteckt, eine Serie von fünf dicken Einschlägen war zu viel für meinen Kopf. Trauer, Wut, Enttäuschung, Hilflosigkeit – alles wurde immer wieder getriggert. Fünf Monate nach Ulli starb mein Onkel. Bei der Beisetzung fühlte ich mich völlig deplatziert. Während alle um mich herum tief bewegt waren, lief ich herum mit dem Gedanken: „Tja, so ist das Leben.“
Du kannst nicht dauerhaft trauern, hilflos sein, enttäuscht vom Leben, wütend auf den, der deine Biografie so verfasst hat und auf jene, die den gleichen Scheiß der vorherigen Generationen einfach wiederholen. Also schaltet der Kopf auf „Annahmeschluss“ um. Die Gefühle und Emotionen werden weggedrückt – der Körper muss es ausbaden, weil es viel Energie frisst, den Sarkophag zu tragen.
„Ulli ist tot! Er ist nicht hier!“ – Dieser Traum ließ den Sarkophag brechen. An diesem Morgen brauchte ich nur an diese beiden Sätze denken und sofort regten sich die Gefühle.
Im Traum war ich mit Ulli gefühlt auf dem Weg in die Gruppentherapie. In der Realität stand diese an diesem Morgen tatsächlich auf dem Plan. Am Anfang fragte die Psychotherapeutin jedes Mal: „Wie geht es Ihnen heute?“ Meist setzte danach lange Stille ein, trotz um die zehn Menschen im Raum. Ich zögerte sehr lange, ob ich von dem Traum erzählen sollte. Mir war klar, dass das Erzählen vor zehn Leuten nicht ohne Tränen ablaufen würde. Vor den Tränen hatte ich weniger Angst als vor einem möglichen starken Dammbruch. Als Vierter rang ich mich nach langer Stille im Raum durch.
Ab dem Satz „Ich bin mit Ulli hier“ ging es nur noch unter Tränen weiter. Ja, ich war mit ihm hier und mit den Geschichten all der anderen. Was der Kopf nicht verarbeiten kann, muss der Körper ausbaden. Als ich am Abend aufschrieb, was der Tag so gebracht hatte, wurden die Augen bei diesem Satz wieder ordentlich feucht.
Beim Schreiben versuchte ich mir selbst zu erklären, warum mich dieser Satz so mitnahm. Ich hatte viele Geschichten über die Jahre gehört, die ähnlich zum Kopfschütteln waren wie die von Ulli. Doch ihn kannte ich und wir hätten uns als Kinder darüber unterhalten können, dass uns ein wenig angenehmes Elternhaus verbindet. Damals glaubte ich, uns trennen Welten. Bei Ulli war auch der Kontrast zwischen dem, was man bei ihm sah – „Der MUSS auf der Sonnenseite des Lebens sein“ – und dem, was man nicht sah, am Größten.
All diese Geschichten hatten mich dazu gebracht, das Buch „Verrückt – ein Aufschrei“ zu schreiben. In dieses Buch packte ich jene Gefühle, die ich abseits davon unter dem Sarkophag aus Beton eingepackt hatte: „Guckt doch hin! Hört zu! Dann wisst ihr, was in dieser Welt kaputt ist und repariert werden muss!“ Doch für das Buch fand sich kein Verlag. Und Ullis Tod veränderte nicht das Geringste. Kurz etwas Betroffenheit bei einigen Menschen und dann zurück zum Alltag. Keine Strafe für seine Eltern. Kein Lerneffekt für die nächsten Generationen. Selbst in meiner eigenen Familie werden neue Kinder in toxischen Beziehungen auf die Reise in Selbsthass, Depression, Selbstverletzung, Suizidgedanken geschickt. Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt, soll Gandhi gesagt haben.
2014 hatte ich ein Foto von mir entdeckt, das mir ebenfalls Tränen in die Augen getrieben hatte. Auf dem Bild war ich vielleicht 4 Jahre alt, wirkte unbeschwert. Beim Betrachten dachte ich: „Wenn du wüsstest, was in den nächsten Jahren auf dich zukommt …“ Ich wollte dieses Kind beschützen, doch natürlich war es dafür zu spät. Genauso wenig kann ich heutige Kinder beschützen. In der ersten Gruppentherapie hatte ich gesagt, dass werdende Eltern ab dem Zeitpunkt, an dem die Schwangerschaft feststeht, psychologisch betreut werden sollten: Gibt es Auffälligkeiten, die einem Kind schaden werden? Die Mitpatienten stöhnten entsetzt auf. Mitpatienten, die alle in der Klinik waren, weil mindestens ein Elternteil in der Kindheit es aufgrund der eigenen psychischen Schieflage an Anerkennung, Zuneigung, Liebe vermissen ließ. Mitpatienten, denen regelmäßig die Tränen kamen, wenn sie über die eigenen Eltern sprachen – wenn überhaupt. Offenbar hat jede Generation aufs Neue ein Recht, die nächste Generation kaputtzumachen. Klar, weil ICH es ja bei MEINEN Kindern viel besser mache! Da brauche ich keinen Psychologen, der mich überwacht! Aus Opfern werden Täter.
Ulli ist tot. Er hat drei Kinder hinterlassen. Wer wird dafür sorgen, dass sie diesen Einschlag verkraften? Das regelt sich schon irgendwie, oder? Und wenn nicht, dann bleibt der Gang in die Klinik, wo sie sagen können: „Ich bin mit meinem Vater hier. Mein Vater ist tot.“
Wenn du Gefühle nicht mehr aushältst, leg einen Sarkophag darüber. Doch was, wenn der bricht?
Du wartest. Und wartest. Das Warten tut dir weh, dennoch wartest du weiter.
Jeder hat so sein Päckchen zu tragen – für mich ein furchtbarer Spruch. Ich sehe dabei immer ein Schulterzucken, als wäre es ein Naturgesetz, dass jede Generation der nächsten Steine in den Rucksack packt.
Was macht dich glücklich, mein Kind? Was fehlt dir? Was hast du damals vermisst, was willst du heute nachholen? Würde es mir damit besser gehen?
Du trägst mich auf deinen Schultern durch gute und schlechte Zeiten. Wir haben keine Liebesbeziehung, sind eine Zweckgemeinschaft mit gewissen Vorzügen.
In mitten des Ozeans sinkt nach heftigen Stürmen ein Boot ganz langsam. Der Mann darin ist erschöpft, er bekommt den Kahn einfach nicht mehr leer, so sehr er sich bemüht. Ein zweites Boot nähert sich, der Mann schöpft Hoffnung – Rettung in Sicht nach langer Zeit. Der andere Mann kommt immer näher, grüßt kurz, schaut: […]
Über Tote sagt man nichts Schlechtes. Wenn dir also nichts Positives einfällt, dann musst du schweigen. Doch jedes Leben erzählt eine Geschichte.
Du weißt, wie wahre Liebesgeschichten beginnen. Dies sind einige von ihnen.
Würdest du das kleine Mädchen, das du einst warst, vor all den Scherben bewahren, durch das es laufen musste? Nein.
Stille ist Luxus. Im Wald kannst du sie finden, kannst nackt herumrennen. Doch nun weicht die Stille der Sprachlosigkeit.
Vor mir liegt ein Stein. Kein kleiner Kiesel. Er lässt mich nicht vorwärts kommen – oder schützt er mich?
Wir hatten es selten leicht miteinander, du und ich. Von Liebesbeziehung konnte kaum die Rede sein, mein liebes Leben.
Wenn dein Ego nie wachsen konnte, ist es dir eben egal, wie ehrlich ein „Ich liebe dich“ ist. Hauptsache, du bekommst es zu hören.
„Die langen Ärmel ihrer Bluse rutschten nach unten, als sie in ihrer Freude die Hände noch oben riss.
Er sah ihre Narben am Handgelenk …“ – Wie geht es wohl weiter?
„Wie konnte sie nur? Ja, ihr ging es dreckig, aber was sollten wir denn machen? Mein tiefempfundenes Beileid. Sag´ Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Jetzt muss ich erstmal los.“
Im dunklen Wasser des kleinen Sees versinken Nachtgedanken, heißt es. Doch aus ihm können auch zauberhafte Wesen steigen.
Ich hab´s geschafft: Ich bin tot. Endlich kann ich machen, was mir Freude am Leben gibt.
Jeder Mensch hat zwei Ohren. Nur was wir damit anfangen, ist recht unterschiedlich. Umso erleichternder ist es in Krisenzeiten, wenn du jemanden findest, der zuhören kann. In den letzten Jahren lernte ich, dass dies wohl meine Superkraft ist. Diese biete ich Dir hier an.
1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.
Wir sind Ruth und Knut. Nimm uns an die Hand und komm mit auf deine spannendeste, tränenreichste und lustigste Reise. Wir reißen Wunden auf und kleben nicht einfach ein Pflaster drüber, um unsere Besitzerin auf einen entspannten Weg durchs Leben zu ermöglichen.
#metoo (1) 2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) abschied (1) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beziehung (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) Bundestagswahl 2021 (1) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) freiheit (2) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) interview (1) Journalismus (5) kampagnen (1) Kindheit (4) Krankenhäuser sind Hurenhäuser (1) liebe (2) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) Mel Gibson (1) missbrauch (2) Mutterliebe (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) Spaltung der Gesellschaft (1) Sucht (1) tot (3) Vater & Sohn (2) Vernunft (1) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) wird nicht besser (3)
Nicht zuletzt durch die Serie „The Big Bang Theory“ ist sie zur berühmtesten Katze der Welt geworden, die nie ein Mensch gesehen hat: Schrödingers Katze. Das Tier sitzt in einem Karton, zusammen mit tödlichem Gift. Das Gift kann jederzeit freigesetzt werden. Solange du nicht in den Karton schaust, weißt du nicht, ob die Katze noch lebt. Du stehst daneben und auch wenn du weißt, dass das Tier entweder lebt ODER tot sein muss, ist die Katze für dich eigentlich beides: tot UND lebendig.
Im Gegensatz zur Katze in diesem Gedankenexperiment des Physikers Erwin Schrödinger lebt Sophie tatsächlich – oder sie lebte. 2015 lernte ich sie kennen, sie schrieb mich auf einer Plattform an, bei der es ums Unterhalten geht, aber die vor allem zur Suche nach dem passenden Deckel genutzt wird. Ihr Name war mit einer Warnung versehen: Ich sollte darauf achten, dass Sophie noch nicht 18 ist. Als sie mich – zu dem Zeitpunkt war ich 43 – anschrieb, glaubte ich an eine Falle: Wollte mich jemand in irgendetwas locken und mich zu erpressen?! Warum würde eine 25 Jahre jüngere Frau Kontakt zu mir suchen?! Doch es war keine Falle, Sophie war echt, knapp 18.
Sie lebte rund 300 km entfernt von mir – oder sie lebt noch immer dort. Warum die Frage offen ist bei einer so jungen Frau? Weil sich viel Gift im Karton mit Sophie befand. Mit 12 stand sie auf dem Balkon, sprungbereit. Vier Briefe hatte sie zuvor geschrieben. Ihr Karton war die Familie, die eigentlich ein sicherer Raum sein sollte. Ihr Gift waren ihre Eltern, ihr Bruder. Ein halbes Jahr hatte dieser Sophie immer wieder geschlagen. Die Eltern wussten davon, doch es war ihnen egal. Und so stand Sophie auf dem Balkon, zum Abschied bereit. Liebe, Zuneigung, Anerkennung fand sie bis dahin weder bei ihrer Mutter noch bei ihrem Vater. Entsprechend winzig war ihr Selbstwert. Wenn dich deine eigenen Eltern mobben, kannst du nichts wert sein.
Sophie sprang nicht. Doch sie glaubte, sie würde nicht älter als 27. In dem Alter starben Musiklegenden wie Janis Joplin, Kurt Cobain und Amy Winehouse. Sophie war nicht krank – nicht körperlich. Ihre Psyche war jedoch schon früh ein Trümmerfeld, sturmreif geschossen von jenen, die sie in diese Welt gesetzt hatten.
Entsprechend viel Kraft verlangte ihr die Ausbildung zur Altenpflegerin ab, aber auch das Leben an sich. Immer wieder tauchte sie länger ab, um sich dann mit einem neuen Account zurückzumelden. Zeitweise zog sie bei ihren Eltern aus und bei ihrer Oma ein. Diese schien der einzige Halt in der Familie für Sophie, wurde aber irgendwann „wunderlich“, teils giftig, vielleicht eine Alterserscheinung.
Immer wieder gab es psychische Einbrüche, Selbstverletzungen. Wirklich gut ging es ihr nie. Einem Kumpel zuliebe ging Sophie für kurze Zeit zu einer Psychologin. Doch diese kam ihr irgendwann „zu nah“. Mit ihren Fragen drohte die Therapeutin offenbar eine Tür bei Sophie zu öffnen, die diese aber geschlossen lassen wollte. Was genau sich hinter der Tür verbarg, konnte sie nicht sagen, es war ein absolut ungutes Gefühl und so brach Sophie die Besuche ab.
Für mich war Sophie wie eine Begegnung mit meinem 18-jährigen Ich. Ich stellte mir immer wieder vor, was ich hätte in diesem Alter gebraucht, um mein Schneckenhaus verlassen zu können. Erst mit 38 hatte ich erstmals das Gefühl, von einer Frau als Mann wahrgenommen zu werden, nicht nur als der gute Kumpel, der so gut zuhören kann. Diese kopfinterne Veränderung von einem Neutrum hin zu einem Mann bewirkte viel, löste eine Kettenreaktion aus, die ich mir rückblickend viel eher gewünscht hätte. So versuchte ich Sophie, nicht als Teenager, sondern als Frau wahrzunehmen und ihr das auch so zu vermitteln.
Anfang 2020 tauchte sie nach langer Stille wieder auf. Ohne Worte schickte sie mir das Foto eines Briefs, in welchem ihr zur bestandenen Prüfung zur Altenpflegerin gratuliert wurde. Ich fühlte mich versetzt in die Rolle ihres Ersatzvaters und gab mein Bestes, um ihren durchschimmernden Stolz auf den Abschluss und das Durchhalten der Ausbildung zu bestärken und ihr mageres Selbstbewusstsein ein wenig zu füttern. Wenn sie über ihre Arbeit schrieb, war immer wieder ein „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“ zu spüren. Mein Vater war zu dieser Zeit selbst in einem Pflegeheim, wodurch ich ein klein wenig Einblick in die Arbeit des Personals hatte und Sophies Schaffen besser nachvollziehen konnte.
In den Tagen darauf präsentierte sie mir ihre neuen Schuhe, ganz in weiß. Auffällige Farben trug Sophie schon in den Jahren zuvor nicht. Auffallen wollte sie nie, lieber unsichtbar sein.
„Hab 5 Kilo abgenommen“ – mit ihrem Gewicht war sie nie glücklich, mit ihrer Figur kam sie nicht klar. Trotzdem hatte sie mir 2015 Fotos geschickt, von einem Kumpel gemacht. Einerseits fühlte ich mich damals geschmeichelt, denn solche Bilder hatte mir zuvor keine Frau geschickt. Andererseits hoffte ich, dass sie mit diesen Fotos nicht leichtfertig umgehen würde, auch wenn ihr Wunsch nach positivem Feedback verständlich war, so wie die Anerkennung im Elternhaus gegen Null ging.
Wer sein Kinderzimmer ohne gesundes Selbstbewusstsein verlässt, betritt Umwege zum Glück, die immer Wege ins Unglück sind. Du willst endlich Aufmerksamkeit, einen Hauch von Zuneigung, Liebe – all das, was du bisher nie bekommen hast.
Dafür nimmst du Sachen in Kauf, die dir am Ende nicht gut tun, ob toxische Beziehung, Sucht oder andere Umwege zum Glück. Wann immer es um Sophies Figur ging, versuchte ich vorsichtig, ihre großen Selbstzweifel ein wenig geradezurücken, brachte dabei die Bilder von 2015 in Erinnerung. Doch das Selbstbild hing dank ihres Elternhauses verdammt schief, mit langen Nägeln festgeklopft. Sie wolle bloß nicht so dick werden wie viele Pflegerinnen, denen sie begegnet war. Ihre Essgewohnheiten schwankten zwischen Magerkost und Pizza nebst Energy-Drink. Als Fan von geregelten Mahlzeiten wünschte ich ihr jemanden an die Seite, mit dem sie eine Balance finden konnte – beim Essen wie im ganzen Leben.
Und einen potentiellen Kandidaten hatte Sophie inzwischen gefunden. Er wohnte nicht weit weg von ihr, sehr ländlich. Ihrem Hang zu mehr oder weniger älteren Männern war sie treugeblieben, 10 Jahre trennten beide. „Dieses Jahr kriegst du den Antrag, damit wir nächstes Jahr heiraten“, zitierte Sophie ihren Freund. Er wolle ein Kind, wenn es ein Junge wird, soll er Finn heißen. Sophie bevorzugte „Jonas“. Ich schrieb zwischendurch: „Gut, dass ihr es nicht eilig habt.“ Zu meiner leichten Beruhigung trat Sophie selbst etwas auf die Bremse: „Lass irgendwas sein und man merkt, das Zusammenleben funktioniert nicht …“
Bis zu dieser Zeit Anfang 2020 hatte ich reichlich Geschichten gesammelt mit dem Muster „Ich will ein Kind und Familie, dann wird endlich alles gut.“ Nur wurde es nie gut. Babys sind nicht die Lösung deiner Probleme, sie werden zum Erbe deiner Probleme. Ja, diese süßen Gesichter scheinen jeden Schmerz vergessen lassen zu können. Eine Frau, die als Teenager von ihrem Vater missbraucht worden war, ging diesen Weg. Auch sie glaubte, mit einem Kind werde alles gut. Das Kind war da, der Partner im Streit weg und die Frau merkte immer mehr, dass die alten Wunden nicht durch ein Kind geheilt werden.
Sophie hatte in den 5 Jahren zuvor immer wieder davon gesprochen, so bald wie möglich Mutter werden zu wollen – gleichzeitig glaubte sie, nicht älter als 27 zu werden. Ich gönnte ihr jedes Glück der Welt, aber ich gönnte keinem Kind, unter diesen Umständen geboren zu werden. Wer mit sich selbst nicht klarkommt, kann einem Kind nicht vorleben, wie es mit sich selbst klarkommt. Wer keinen Selbstwert hat, kann keinen Selbstwert weitergeben. Und so wünschte ich Sophie, dass sie von ihrem neuen Freund gut behandelt wird, aber dass sich die Familiengründung noch weit in die Zukunft verschieben würde.
Mitte Februar 2020 tauchte Sophie wieder ab. Im Gegensatz zu früher versuchte ich dieses Mal, ihr Verschwinden positiv zu sehen. „Wenn sie sich nicht melden, geht es ihnen gut.“ Ich glaubte, dass nun der neue Freund meine „Aufgaben“ übernommen hatte und Sophie so glücklich wäre, wie es unter ihren Umständen möglich war.
Anfang September 2020 war sie wieder da – und sie klang alles andere als glücklich. Sie sei wieder Single. Meine Antwort: „Autsch. Woran ist es mit dem jungen Mann auf dem Lande gescheitert? Hoffentlich nicht wieder so ne Nummer mit ner anderen wie der eine.“
Sophie: „Er ist nun Papa seit knapp nem Monat.“
Ich: „Ääähm, dank dir?!“
Sophie: „Nein. Ähnliche Situation wie 2017… Nicht getrennt, aber schon mit einer anderen zusammen. Ich ziehe sowas wohl magisch an. Aber es in Ordnung.“
Nichts war in Ordnung. Der Sohn wurde im Juli geboren – von der Ex des Freundes, von dem mir Sophie im Februar geschrieben hatte. Die Ex war damals ungefähr im 4. Monat schwanger – und der Freund schmiedete gleichzeitig mit Sophie Pläne über eine Familie, schwafelte von Heirat.
„Ich befinde mich derzeit in der schwierigsten Downphase, die ich bisher hatte … Ursache? Ich weiß es nicht“, schrieb Sophie. „Ich bekam im März dann auch Schlafprobleme bis Anfang August … wenns gut lief insgesamt 2-3 h geschlafen. 2-3 Tage wach war nicht mehr unnormal … abschalten ging nicht mehr. Ab 12 Uhr gearbeitet meist bis 23 Uhr… – freiwillig Juli, dann Diagnose Burnout die ich hinnahm aber ehrlich? … ich glaube nicht dran. Ja ich bin nicht mehr wirklich leistungsfähig bzw. belastbar aber es liegt größtenteils daran das ich kaum Zeit für einen Ausgleich habe und hier sowieso alleine lebe und jetzt nach knapp 12 Monaten anfange, den Ort kennenzulernen.“
Für mich stand außer Frage, dass die Trennung und vor allem die erneute heftige menschliche Enttäuschung die Gründe waren für die Schlafprobleme und Sophies rauschende Talfahrt. 2010 erlebte ich selbst drei Monate, in denen ich maximal 1-3 Stunden pro Nacht schlief. Genau wie bei Sophie ging eine extreme menschliche Enttäuschung voraus. Immer wieder dachte ich beim versuchten Einschlafen: „Wie kann ein Mensch so falsch sein …“
Doch Sophie wollte keinerlei Zusammenhang sehen zwischen dem „Übrigens werde ich Papa mit meiner Ex“ und den schlaflosen Nächten: „Es lag definitiv nicht an der Trennung. Hingenommen und alleine weiter gemacht. Mir ist das ehrlich gesagt alles Schnuppe und ich bin sehr gleichgültig geworden was auch okay ist.“
Mein Schlaf kehrte 2010 erst zurück, als ich mir sagte: „Ach egal, ob ich diese Nacht schlafe, leg ich mich halt tagsüber hin … Scheiß drauf …“ Meine Selbstständigkeit machte dies möglich, Sophie musste weiterhin auf Arbeit funktionieren. Ohne Gleichgültigkeit hätten sich meine Schlafstörungen immer weiter gezogen, weil ich weiterhin im Stressmodus gewesen wäre: „Du musst doch endlich mal wieder schlafen!!!“ Stresshormone verjagen aber Schlafhormone. Als der Schlaf zurückkam, blieb eine Leck-mich-am-Arsch-Einstellung, offenbar ein Selbstschutz der Psyche. Genauso blieb eine permanente Benommenheit bis heute, als würde man nachts um 2 aufstehen: Man funktioniert, aber irgendwie ist man nicht klar da.
Und es zeigten sich in der Zeit nach den schlaflosen Monaten zwei Autoimmunerkrankungen. In meinem Blut fanden sich Antikörper, die die Schilddrüse angreifen können und verschiedene Stellen meiner Haut wurden nicht mehr braun im Sommer, Diagnose: Vitiligo. Und auch hier sollte sich bald eine Parallele finden zu Sophie, nur dass es sie deutlich heftiger erwischte.
Wieder verschwand Sophie, dieses Mal nur einen Monat. Anfang Oktober 2020: „War heute beim Arzt… Verdacht auf Blutarmut… richtig nett.“
14 Tage später: erhöhte Entzündungwerte. Sophie beschrieb nun auch Symptome, die sie seit der Schlafentzug-Phase hatte: Schwindel, kraftlose Beine, unwillkürliche Zuckungen, neuerdings „zeitweise Blindfisch“: „Ich falle ab und zu um, vors Waschbecken, gegen Küchenschränke, vors Sofa, auf dem Weg zum Klo. Montag lag ich halb aufm Sofa und wurde hochgezogen, weil ich am Zucken war. Ich bin dann sofort wieder ansprechbar und kann reagieren. Passiert meist 1 bis 2 Mal am Tag. Licht aus und Tschüss.“
Wieder zwei Wochen später: Sophie schickte mir Fotos von der Kardiologie-Abteilung – nicht als Pflegerin, sondern als Patientin: „Es liegt wahrscheinlich eine Verengung der Halsschlagader vor. Am Mittwoch geht es wohl auf die Neurologie, Schädel-MRT war auffällig, Verdacht auf Multiple Sklerose.“
Vier Tage später: „MS konnte ausgeschlossen werden, dafür wurde eine hochgradige Gefäßwandentzündung festgestellt. Da bekomme ich demnächst Kortison. Macht ja nur das Immunsystem kaputt xD Nach der Entlassung gibts engmaschige Kontrolle beim Gefäßdoc. Ultraschall auch erledigt, um zu sehen, ob die Gefäße sich geweitet haben. Ist eher selten mit dieser Gefäßwandentzündung im europäischen Raum. Die Ärzte können es sich nicht erklären, da ich weder rauche, nur selten Alkohol trinke und relativ gut auf meine Ernährung achte. Drogen auch nicht. Und trotzdem Aneurysma im Kopf … Durch das bin ich umgekippt, weil das Hirn nicht richtig versorgt wird. Am Hals verengte Schlagadern, da bekomme ich Stents eingesetzt. Bluthochdruck am Bein, zu niedriger Blutdruck in den Armen. Gutartige Zyste am Eierstock, paar Gallensteine. Weiter arbeiten in der Pflege wird mir abgeraten, Ausbildung alles umsonst. Bekomme hier einige Mitleidsblicke.“
Zwei Tage später: „Bleibe länger. Ultraschall ergab, das es zwar eine Verbesserung gab aber auch gleichzeitig eine Verschlechterung. Irgendwann schaltest du ab und verdrängst, was der Doc zu dir sagt und lässt nur noch zu. Nach der Entlassung komme ich wenige Wochen später nochmal für einige Tage her … um dann kurz darauf ambulant weiterzumachen. Wurde heute entschieden.“
Einen Tag später: „Diagnose steht fest: Vaskulitis.“
Bei dieser Autoimmunerkrankung greifen körpereigene Zellen die Wände der Adern an. Die Gefäßwandentzündungen bei Sophie, die sich die Ärzte bis dahin nicht erklären konnten, waren nun kein Rätsel mehr – aber ein großes Problem. Autoimmunerkrankungen sind bisher nicht heilbar, man kann nur versuchen, die Symptome abzufedern. Und es gibt immer wieder Schübe, also Phase, in denen der Körper sich selbst stärker angreift. Bei Vitiligo wird dann das optische Problem größer, bei Adern wird es lebensgefährlich.
Wir hatten also beide eine heftige menschliche Enttäuschung, anschließend drei Monate massive Schlafstörungen und wenig später tauchten Autoimmunerkrankungen auf. Schwer zu glauben, dass die Erkrankungen auch ohne die Enttäuschungen aufgetaucht wären.
Einen Monat später, Mitte Dezember 2020, meldete sich Sophie kurz von Zuhause und beschrieb den nächsten Klinikaufenthalt: eine Infusion, welche die Autoimmunerkrankung in Schach halten soll und das Setzen der Stents in die linke Halsschlagader – „die rechte ist ja nicht mehr zu retten, Gefäße zu sehr betroffen, das dort ein Eingriff wenig Sinn macht. Option Bypass.“
Einen Tag vor Weihnachten postete sie ein Bild von sich bei Facebook, wieder aus der Klinik: Schlaganfall. Die Folge: eine Dysphasie: „Ich weiß was ich sagen möchte, aber kann nicht.“ Mit dem Lesen war sie schnell überfordert. In den drei Wochen danach antwortete Sophie selten und nur mit ein, zwei Wörtern. Auf meine Frage „Wie ist die Lage?“ kam: „Geht es …“ Auf meine Antwort bekam ich keine Reaktion mehr.
Heute, fast vier Jahre später, ist Sophie für mich gleichzeitig lebendig und tot, wie Schrödingers Katze. Ich weiß nicht, wie es weiterging. Und ich weiß nicht, was ich mir wünschen soll, wie es weiterging. Ich könnte ihre Schwester anschreiben und fragen, ob Sophie noch lebt und wenn ja wie. Aber ich weiß nicht, welche Antwort ich erhoffen soll.
Wenn Sophie über die Misshandlungen durch ihre Familie schrieb, über die psychischen Folgen, wenn sie mir Bilder ihrer Selbstverletzungen schickte und ihre Suizidgedanken andeutete, wünschte ich mir für sie einen riesigen Stinkefinger, den sie ihrer Familie hätte zeigen können: „IHR bekommt mich nicht klein! Ich werde leben! Ich werde älter als 27!“
Andererseits schien mir das Leben für sie ein einziger Kampf zu sein, den sie nie und nimmer gewinnen konnte. Wie so viele andere suchte sie doch noch Zuneigung in ihrer Familie – wie bei so gut wie allen wäre das ein sich nie erfüllender Wunsch geblieben. Mit ihrem kaputtgeschlagenen Selbstbewusstsein würde sie immer wieder bei Typen landen, die sie früher oder später enttäuschen. Wo auch immer sie Halt suchte, landete sie hart auf dem Boden. Mit der Gefäßentzündung hätte sie wohl immer zwischen Leben und Tod gestanden – oder sie steht. Ist Sophie Geschichte? Ist ihre Geschichte zu Ende? Ging sie weiter?
Für mich lebt sie und ist gleichzeitig tot. Wie Schrödingers Katze. So kann ich glauben, sie wäre von allen Sorgen befreit oder hat doch noch eine Chance, glücklich sein zu können. Vielleicht liegt sie nach weiteren Schlaganfällen dauerhaft in einem Bett, betreut von einer Altenpflegerin in Ausbildung, so wie Sophie einst eine war. Diese Fortsetzung der Geschichte würde ich ungern lesen, aber sie würde zu Sophies Leben passen. Und so werde ich es wohl dabei belassen: Der Karton bleibt geschlossen.
Sophies Geschichte wird mich zusammen mit all den anderen Geschichten immer dafür eintreten lassen, dass werdende Eltern ab dem Zeitpunkt, zu dem die Schwangerschaft feststeht, psychologisch betreut werden bis das Kind 18 ist. Ziel der Betreuung soll sein, Persönlichkeitsstörungen und Verletzungen aus der Kindheit der Eltern zu erkennen und zu behandeln, so dass das Kind eine viel bessere Chance hat, das Kinderzimmer mit einem gesunden Selbstwert zu verlassen. Ein solcher Mensch wird weder eine toxische Beziehung eingehen müssen, noch mit seinem selbstsüchtigem Verhalten einen anderen Menschen so krank machen wie Sophie.
Das letzte Wort überlasse ich ihr, „meinem Küken“, wie ich sie manchmal kopfintern bezeichnete. Vielleicht steckt ja auch darin des Rätsels Lösung, warum ich nichts mehr von ihr höre. Ein Jahr nach unserem ersten Kontakt hatte die mir damals 18-Jährige geschrieben: „Du bist fast der Einzige dem ich alles erzähle…Die Fragen stellen. Um Rat / Hilfe bitte. Und das länger wie nur 3 Monate oder so… Mein Kreis ist so klein, weil ich irgendwann nicht mehr mit Personen zurecht komme. Irgendwas stört mich dann und dann bin ich gestresst … Ende ist meistens dann der Kontaktabbruch.“
Den Blick hinter die Gardinen mit 80 weiteren Biografiesplittern gibt es in meinem Buch:
Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?
Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!
Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)
Du bist Dir unsicher, was mich zu einer glaubhaften, seriösen Quelle macht? Fragst Du Dich, was mich zum Experten macht? Nichts.
Sophie lebt – und ist tot. Was besser ist für sie? Ich weiß es nicht.
„Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.
„Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.
Elon Musk, Kanye West, Mel Gibson – denen ist doch allen der Erfolg zu Kopf gestiegen! Die spinnen doch einfach nur! Willst du mit ihnen tauschen?
„Warum hat er mich nicht lieb? Bin ich einfach ein Nichts?“ Diese Fragen stellt sich Katis jüngerer Sohn und denkt dabei an seinen Vater.
Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.
Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.
Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.
Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.
Die einen waschen ihre Firma grün, die anderen leben beim Yoga ihren Narzissmus aus. Was steckt hinter dem Gendern?
Wer Frauen sichtbar machen will, muss das komplette Bild ins Scheinwerferlicht rücken – auch die Schattenseiten.
Wo in der Geschichte sind die ganz konkreten Beispiele dafür, dass Appelle an die Vernunft etwas zum Guten verändern? Mein Vater kann nicht gemeint sein.
Über Tote sagt man nichts Schlechtes. Wenn dir also nichts Positives einfällt, dann musst du schweigen. Doch jedes Leben erzählt eine Geschichte.
Knapp 18 Mio. Menschen werden pro Jahr wegen psychischer Erkrankungen behandelt. So etwas können Parteien doch nicht ignorieren, oder?
Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.
Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?
Du weißt, wie wahre Liebesgeschichten beginnen. Dies sind einige von ihnen.
Und wieder glauben wir, Erwachsene umerziehen zu können – und wieder haben wir nichts aus der Geschichte gelernt.
Er verfolgt dich, er bespitzelt dich, er glaubt dir nicht, du machst Schluss mit ihm. 10 Jahre später sitzt du mit ihm und euren beiden Kindern am Frühstückstisch.
In dieser Welt passiert vieles, was aufgedeckt gehört. Gibt es jedoch zu einem Ereignis 101 unterschiedliche Wahrheiten, dann werde ich nachdenklich.
Die Welt wird von einer unsichtbaren Macht geleitet – sagen nicht nur Verschwörungsanhänger, sondern Milliarden Menschen.
Er baut den Keller zur Wohnung um, weil die Chinesen kommen. Sie spricht vom Angriff der Roboter. Wenn du ihre Geschichten kennst, wirst du sie verstehen.
„Als ich Krebs hatte, bekam ich Mitleid, Zuspruch und Unterstützung. Als Depressionskranke war ich immer die faule Sau.“
Stille ist Luxus. Im Wald kannst du sie finden, kannst nackt herumrennen. Doch nun weicht die Stille der Sprachlosigkeit.
Als Robert Enke durch Suizid starb, herrschte große Trauer. Doch längst jagen wir seine Nachfolger Richtung Abgrund.
1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.
Wir sind Ruth und Knut. Nimm uns an die Hand und komm mit auf deine spannendeste, tränenreichste und lustigste Reise. Wir reißen Wunden auf und kleben nicht einfach ein Pflaster drüber, um unsere Besitzerin auf einen entspannten Weg durchs Leben zu ermöglichen.
#metoo (1) 2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) abschied (1) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beziehung (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) Bundestagswahl 2021 (1) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) freiheit (2) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) interview (1) Journalismus (5) kampagnen (1) Kindheit (4) Krankenhäuser sind Hurenhäuser (1) liebe (2) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) Mel Gibson (1) missbrauch (2) Mutterliebe (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) Spaltung der Gesellschaft (1) Sucht (1) tot (3) Vater & Sohn (2) Vernunft (1) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) wird nicht besser (3)
Anfang 2022 hatte ich es endlich geschafft: Ich schmiss mein Buch „Verrückt – ein Aufschrei“ auf den Markt, an dem ich Monate bis Jahre gesessen hatte. All die Geschichten derer, für die sich kein Schwein interessiert, füllten 700 Seiten – mehr waren von der Druckerei her nicht möglich. Die Moral all dieser Geschichten: Jede psychische Erkrankung entsteht durch einen Einschlag in der Kindheit. Ich bin nicht der Entdecker dieser Erkenntnis, sie ergibt sich aus dem Zuhören und dem Vorgehen der Psychologen. Bei ihnen geht es immer um die Kindheit. Nicht, weil sie gern lustige Geschichten von kleinen, süßen Zwergen hören möchten, sondern weil sie eben aus Erfahrung wissen, wo der rote Faden anfängt, der sich in Depressionen, Zwangsstörungen, Selbstverletzungen, Sucht, Selbstzweifel usw. fortsetzt.
Im Sommer 2024 konnte ich dies aus erster Hand recherchieren. Mein Körper machte in den Jahren zuvor immer weniger das, zu was er eigentlich in der Lage gewesen sein sollte. Während ich 2016 jeden Tag bei Wind und Wetter 6, 7, 8 km wanderte, schaffte ich inzwischen keine 500 m mehr aller paar Tage, ohne dass sich die Muskeln im Nachhinein darüber beschwerten. Um herauszufinden, wo der Hase im Pfeffer liegt, ging ich in eine psychosomatische Klinik. Für mich war es schwer vorstellbar, dass es keine organische Ursache gibt, dass alles „nur“ von der Psyche kommt. Ja, meine Kindheit war reich an Einschlägen und auch als Erwachsener hagelte es unregelmäßig Fäkalien in die Trompete. Aber wieso sollte ich deshalb kaum noch laufen können?
„Was der Kopf nicht verarbeiten kann, muss der Körper ausbaden“, so sagte es mir meine Psychologin in der Klinik. Hmm. Da ich inzwischen alles Mögliche an Diagnostik der Organe ohne Befund hinter mir hatte, fing ich an, diesen Satz zu glauben. „Sie müssen sich mehr um sich selbst kümmern“, war ein weiterer Satz, der in den Therapiesitzungen fiel. Ich hatte von einem ziemlich kleinen Teil jener Menschen erzählt, deren Geschichten ich über die Jahre zuvor gesammelt, ihnen zugehört hatte. Geschichten, die Psychologen täglich zu hören bekommen, aber sie haben ihre Techniken, damit es sie mit der Zeit nicht erschlägt. In mir steckten diese Geschichten nebst meiner eigenen. In meinem Buchtitel heißt es nicht umsonst „… – ein Aufschrei“. Das Buch war mein Versuch der Selbstreinigung, des Alarmschlagens, des „Hört doch endlich mal zu!“ – doch weder Journalisten noch Buchverlage wollten davon etwas wissen. Also muss mein Körper das ausbaden, was der Kopf nicht verarbeiten kann.
In der Klinik stellte ich mich deshalb in den Mittelpunkt meines Denkens – ich war aber auch einfach zu platt fürs weitere Zuhören. Und so fragte ich Mitpatienten keine Löcher in den Bauch über deren Geschichten, blieb so gut es ging bei mir.
Mit drei Mitpatienten (zwei Männer, eine Frau) erlebte ich lustige Abende. Wir saßen meist im Speiseraum zusammen und spielten. Unsere inneren Kinder kamen dabei nicht zu kurz. Jene Kinder, die in ihrer Kindheit nicht das bekamen, was Kinder bekommen sollten: Zuneigung, Anerkennung, Liebe von BEIDEN Elternteilen.
„Wie die Kinder“ ging es unter uns vieren auch zu, als eine neue Patientin auf Station kommen sollte. Sie wurde mit Anfang 30 angekündigt. Mein Hang zu ganz leicht jüngeren Frauen war allseits bekannt – auch, dass ich mich bis Mitte 40 erfolgreich von Frauen jeglichen Alters hatte fernhalten können. Und so hieß es von meinen Spielgefährten: „Die Meggie setzen wir im Speiseraum neben dich!“
Dutzende, furchtbar kindische Witze später saß sie dann neben mir. Ich war heilfroh, dass keiner dieser netten Leute nun einen dieser Witze neu auflegte und wir uns nicht vor Lachen auf den Boden legen mussten. Wer in eine solche Klinik kommt, hat äußerst selten ein stabiles Selbstbewusstsein und wenn du als „Die Neue“ dann scheinbar ausgelacht wirst, könntest du schnell wieder deinen Koffer packen, nur weil so ein paar Kinder im Alter von 30 bis 50 anwesend sind.
Doch Meggie wurde schnell warm mit uns Kindern. Gleich am ersten Tag war sie dabei bei einem weiteren Spieleabend. Die Kinder waren inzwischen ins Jugendalter gekommen und spielten „Flaschen drehen“. Eine Menge von eher eindeutigen als zweideutigen Fragen wartete auf Antworten: „Wie viele Menschen hast du leidenschaftlich geküsst?“ bis „Welches ist deine Lieblingsstellung?“ Nirgends geht es lustiger zu als in einer psychosomatischen Klinik.
Meggie machte mit, sie wirkte nicht peinlich berührt, ergriff nicht die Flucht – was ich durchaus verstanden hätte. Oft hatte sie ein spitzbübischen Lächeln auf den Lippen. Und immerhin hatte sie damit das Schlimmste hinter sich, denn meine drei Spielkameraden verließen zwei Tage später die Station.
Jede psychische Erkrankung entsteht durch einen Einschlag in der Kindheit. Das sagte ich auch Meggie in einem unserer ernsteren Gespräche. Sie kam mit der Diagnose Borderline in die Klinik, war zuvor auch schon in einer anderen. Borderline war für mich Neuland, ich hatte bis dahin niemanden, der mir aus seinem eigenen Leben darüber etwas erzählt hatte – zumindest glaubte ich das.
Meggie sagte mir, dass sie schwer neue Kontakte halten kann. Nach ca. drei Monaten lässt sie neue Verbindungen meist einschlafen. Das erinnerte mich sofort an eine Frau, mit der ich fünf Jahre zuvor immer mal wieder Kontakt hatte. Anne war 18, als sie mich anschrieb – ich verstand nicht, was sie mit mir altem Knochen wollte. Mit der Zeit wurde das Bild rund. In ihrer Familie hatte sie nur Gegner, Anne war der Sandsack für alle und schon mit 12 stand sie auf dem Balkon, zum Absprung bereit.
Ca. vier Jahre nach unserem ersten Kontakt schrieb sie mir: „Du bist fast der Einzige, dem ich alles erzähle…Die Fragen stellen. Um Rat / Hilfe bitte. Und das länger wie nur 3 Monate oder so… Mein Kreis ist so klein, weil ich irgendwann nicht mehr mit Personen zurecht komme. Irgendwas stört mich dann und dann bin ich gestresst … Ende ist meistens dann der Kontaktabbruch.“ Ich las Meggie diese Sätze vor und sie konnte es 1:1 nachvollziehen. Es sei typisch bei Borderline.
Als ich sagte, dass Anne mir ein Foto geschickt hatte, auf dem ein geritzter Unterarm zu sehen war, sprach Meggie von ihren eigenen Selbstverletzungen. Auch diese seien bei Borderline typisch. Normalerweise spreche sie nicht mit anderen darüber, weil sie bisher meist nur verständnisloses Kopfschütteln erntete. Ich erinnerte mich an einen Satz einer Verwandten, den auch eine Frau von einem Onlinedate mir gesagt hatte bezüglich ihrer Selbstverletzungen: „Der Schmerz zeigt, dass ich lebe.“ Auch dies konnte Meggie unterschreiben. Ja, diese Selbstverletzungen seien völlig sinnlos, das würde ihr natürlich auch jedes Mal klar, nachdem es passiert ist. Aber in dem Moment, wo es passiert, sei es wie eine Sucht und jegliche Vernunft hat in dieser Minute keine Chance.
Hätte ich anderen nicht zugehört, dann hätte ich nichts gewusst über all das, was Meggie mir erzählte und ich hätte vermutlich so reagiert, wie viele reagieren: Kopfschütteln. Nur weiß ich heute: Alles hat einen Grund, so unvernünftig es auch sein mag und dieser Grund ist immer in der Kindheit zu finden.
„Da war nichts.“ Meggie zuckte mit den Schultern und schien sich ein klein wenig über meine großen, ratlosen Augen zu freuen. Sie zerriss einfach mal so die 700 Seiten, an denen ich so hart gearbeitet hatte. „Meine Eltern sind selbst unter gewalttätigen Eltern groß geworden und sie wollten ihren eigenen Kindern das nicht antun. Sie haben uns Kindern viel Freiraum gelassen, haben uns auch aus dem größten Blödsinn rausgeholt, ohne uns danach die Ohren langzuziehen. Ich hatte eine schöne Kindheit.“
700 Seiten. Für die Tonne. Ich schrieb einer Freundin: „Wenn Meggie nicht irgendwas aus ihrer Kindheit extrem verdrängt hat, kann man bei ihr nicht sagen: An der Stelle haben die Eltern versagt und dort ist die Ursache für die Erkrankungen.“
Immerhin war ich mit Meggie in einem Punkt vereint: Auch sie suchte nach der Ursache für ihre körperlichen Probleme, von denen es eine Menge gab und die sie arbeitsunfähig machten.
In einem weiteren „Küchengespräch“ erzählte Meggie vom Tod ihrer Oma, als Meggie 15 war. Die Eltern hatten ihr nicht gesagt, dass es mit ihrer Oma zu Ende geht, so dass Meggie nicht Abschied nehmen konnte, was sie ihren Eltern stark verübelte. „Na dann ist das vielleicht der Grund für deine Probleme?“, stellte ich den Raum. Ganz geschlagen wollte ich mich mit meiner Einschlag-Erkenntnis nicht geben. Dass Meggie mir die Geschichte um ihre Oma unter Tränen erzählte, zeigte, dass die Wunde da war. Von ihrer Therapeutin bekam sie als Hausaufgabe, einen Abschiedsbrief an ihre Oma zu verfassen, um darin all das zu sagen, was sie ihr noch hätte sagen wollen. Auch sollte sie mit ihren Eltern über die Enttäuschung sprechen, die durch das Verschweigen entstanden war und wohl noch immer rumorte.
Aber reicht das für Borderline, für Selbstverletzungen? Reicht das für diese ständigen Selbstzweifel, das ständige „Ich bin schuld“ bei jeglichem Anlass, von dem Meggie mir erzählte? Hatte sie schlechte Gene, die aus einer großen Mücke einen Elefanten gemacht hatte?
„Als ich 9 war, hat mein Vater uns verlassen für eine andere.“ Meggie sagte dies fast beiläufig, als wir wieder zusammensaßen. „Ich war sooo wütend auf ihn. Und ich dachte, dass das ganz klar meine Schuld ist.“
Ich sah Meggie wie versteinert an: „Ähm, in deiner Kindheit ist also nichts passiert?!“ Sie musste grinsen und mir rauschten diverse Felsbrocken von meinem Herzen: Ich brauchte die 700 Seiten doch nicht einstampfen. Nach einem Jahr kehrte ihr Vater in die Familie zurück, bereute seinen Irrweg, aber klar, der Einschlag war da. In der Schule erlebte Meggie Mobbing, war aber zunächst auch selbst Täterin.
Auf jeden Fall: Rätsel gelöst.
Meggie wirkte meist eher unbeschwert, das spitzbübische, fast schon kindliche Lächeln auf den Lippen, wenn es ihr gut ging. Wenn es ihr mies ging – und sie es nicht überspielen konnte, war es deutlich zu sehen. Sie war inzwischen vielleicht zwei Wochen in der Klinik, als sie mit verheultem Gesicht zum Mittagessen kam. Auch während des Essens konnte sie sich nicht beruhigen. Ich versuchte, meinem Plan treu und bei mir selbst zu bleiben. Doch wenn neben mir jemand so mit sich kämpft, kann ich nicht einfach mit meinem Tablett aufstehen und gehen. Als die meisten Mitpatienten aus dem Raum waren, fragte ich leise, was los ist.
„Ich sehe ein Bild vor mir seit ein paar Tagen …“ Meggies Stimme war kaum zu hören und mit dem Kampf gegen die Tränen, die weiterhin liefen, überlagert. Auf meine Frage, was sie sieht, konnte sie nur sagen: „Ich sehe einen Raum, verschwommen … Jeden Tag wird das Bild ein bisschen deutlicher.“
Ob sie sagen könne, wie deutlich das Bild in Prozent sei, raunte ich.
„Vielleicht 60% heute.“
Meggie konnte keine Details nennen, nur, dass es eher dunkel sei und sie ein Kind war. Ich stellte mir ein Kellerabteil vor, fragte aber nicht nach solchen Details. Schon das, was sie jetzt sah, schien mehr als genug für sie zu sein. So, wie dieses verschwommene Bild in ihr arbeitete, blieb ich bei einer einzigen Vermutung hängen. Diese sprach ich nicht aus, ich war kein Fachmann, sondern Laie und nur wegen „Ich sehe einen Raum“ und den Tränen einen „Tipp“ abzugeben, schien mir völlig unangebracht, auch wenn ich mit meiner Intuition selten danebenliege.
Das Bild wurde mit jedem Tag etwas deutlicher und Meggies Kampf ging jeden Tag in eine neue, härtere Runde. Seit Jahren konnte sie nachts kaum schlafen, immer erst gegen 4 bis 6 Uhr, die Gründe waren unbekannt. Weder Körper noch Kopf bekamen in all der Zeit die Erholung, die es braucht. Und jetzt raubte dieses schärfer werdende Bild Energie, die in Meggie kaum vorhanden war. Die feuchten Augen und die kämpfenden Mundwinkel wurden häufiger, unbeschwerte Momente seltener.
Mit einem Mitpatienten versuchten wir, Meggie ein wenig Halt zu geben, sie ab und zu für ein paar Minuten auf andere Gedanken zu bringen, ohne dass es krampfhaft wurde. Auf dem Klinikgelände gab es einen Feldhasen, der eine gute innere Uhr zu haben schien. Gegen 20 Uhr tauchte er an einem Baugelände auf, manchmal mit Anhang, wir tauften ihn den 8-Uhr-Hasen. Mit Meggie und dem Mitpatienten gingen wir auf „Hasenjagd“. Wir Männer schwärmten von Hasenbraten, entwickelten Rezeptideen, während Meggie Meister Lampe um jeden Preis verteidigen wollte. Ich überlegte laut, ob mir eine Hasenpfote zu Liebesglück bei einer Mitpatientin verhelfen könnte und dass der Hase damit sicher einverstanden wäre, weil er mir jegliches Glück gönnen würde – Meggie sah das anders.
Natürlich ersetzte die Hasenjagd keine Therapieminute. Bei ihrer Psychologin konnte Meggie das Bild, das jeden Tag deutlicher wurde, nicht ansprechen. Sie hatte Angst, dass in dem Moment der komplette Staudamm in sich zusammenstürzen und Meggie in den Wassermassen ertrinken würde. Noch immer war nicht das Wort ausgesprochen worden, um welches es zu gehen schien. Noch immer hielt ich mich selbst beim Aussprechen zurück, auch wenn ich mir inzwischen sicher war, um was es geht. Ich hoffte, Meggie würde es als Erste über die Lippen bringen. Und ich hatte Angst, dass ich den Staudamm einreiße, wenn ich das Wort in den Mund nehme. Meggie wirkte eh schon jeden Tag näher am Ertrinken, ohne dass der Damm brach, der 20 Jahre unerschütterlich zementiert stand.
Nur irgendetwas musste passieren. Meggie ging zu ihrer Therapeutin, sie sprachen über Oma und Eltern – aber nicht über den gigantischen Elefanten. Dabei war ER es ja, der alles erklären würde. Er war der Einschlag in der Kindheit. Wegen ihm war sie hier – und wusste 20 Jahre nichts von ihm.
Sie vermied das Wort weiterhin, was ich problemlos verstehen konnte. Ich ging dazu über, „M-Wort“ zu sagen, wenn es um den Elefanten ging. Der Versuch, ein paar Steinchen vom Damm zu lösen, ohne dass er sofort explodiert. Für Meggie schien das in Ordnung zu sein und ich glaubte, dass es für sie auch befreiend sein müsse, wenn für uns klar war, um was es geht, ohne dass sie Einzelheiten nennen musste. Von denen gab es eh keine. Aus dem Bild des Raums wurde kein Video mit Handlung und Ton, es tauchte kein Akteur auf. Aber Meggie wusste, was in dem Raum auf dem Dachboden passiert war, auch das Haus kannte sie. Das Bild habe sie immer wieder ganz vage begleitet und irgendwie Unbehagen in ihr ausgelöst, aber den Grund erfuhr sie erst jetzt, 20 Jahre später.
An einem weiteren Sommerabend ging mein Mitpatient und ich zum Garten der Klinik, unweit des Hasen-Reviers, Meggie wollte hinterherkommen. Wir saßen auf einer Bank in der Sonne, als sie mit müden Beinen angeschlichen kam, wieder feuchte Augen und Wangen. Ihr Zustand war einfach übel, ein totaler Zusammenbruch schien nur eine Frage von Tagen. Noch immer wussten nur wir beiden Männer von dem, was in ihr so unglaublich arbeitete.
Später erfuhr Meggie, dass gerade Traumatisierte einen inneren Kreis von Menschen haben, denen sie sich anvertrauen können. In diesen Kreis passen oft nur ein, zwei Personen hinein. Einerseits ehrte es uns ja, dass Meggie ausgerechnet zwei Männern so sehr vertrauen konnte, obwohl sie damit bisher immer Probleme hatte – der Grund war nun klar. Andererseits konnten wir nicht helfen und Hilfe war dringendst nötig.
Wir stellten uns in den Garten, grübelnd, wie es weitergehen kann. Ich fragte Meggie, ob es für sie in Ordnung wäre, wenn wir für sie das Eis brechen würden. Der Plan war, der diensthabenden Schwester zu sagen, dass Meggie mit ihr reden müsste. Mit dieser Schwester kam sie gut klar, sie gehörte zu jenen, die über Empathie verfügen. Es sollte der kleine Schubs werden, der „die Sache“ ins Rollen bringt. Wenn die Schwester erst mal weiß, worum es geht, wird es die Therapeutin erfahren und diese hätte genug Erfahrung, wie ab da weiter zu verfahren ist.
Nach einem Besuch beim 8-Uhr-Hasen gingen wir wie die drei Musketiere Richtung Klinikgebäude. Okay, es fühlte sich schon arg seltsam an, Meggies Beine waren eher weich wie gekochte Nudeln statt stahlhart wie ein Säbel, Stress pur in ihr. Der Schwester kam es ein bisschen wie Kasperletheater vor, als wir drei vor ihr standen, wie wir später erfuhren. Aber wir hatten bis dahin keine Übung darin, wie man einem Missbrauchsopfer helfen kann, das Ende des Verdrängungsprozesses zu starten. Meggie sprach lange mit der Schwester, unter vielen Tränen. Diese trockneten auch danach nicht so schnell, aber Meggie war froh, dass der Elefant nun einen Namen hatte.
Das M-Wort kam ihr weiterhin nicht über die Lippen. Ich fragte sie, ob es für sie ein Anfang wäre, wenn sie „Ich bin ein Missbrauchsopfer“ sagt statt „Ich wurde missbraucht“, dann wäre ganz klar, wer Täter und wer Opfer war. Meggie gab sich andauernd die Schuld für alles Mögliche und mir gefiel der Gedanke überhaupt nicht, dass sie sich auch für das, was ihr mit 10 passiert war, Schuld zuschreiben könnte. Über die Jahre hatte ich immer wieder gehört, dass Opfer sich mit „Ich war daran schuld“ rumschleppen. Meggie konnte mit der Idee leben, doch es sollte dauern, bis sie es sagen konnte.
Jede psychische Erkrankung entsteht durch einen Einschlag in der Kindheit. So, wie ich Meggie weiterhin und zunehmend leiden sah, hätte ich sie gern als Gegenbeispiel genommen. Dann gibt es eben in einem von 100 oder 60 Fällen keinen Beginn des roten Fadens im Kinderzimmer. Mein Buch wäre trotzdem nicht gleich für die Tonne gewesen. In ihm findet sich die Geschichte von Claire. Mit 9 Jahren bekam sie erste Angstanfälle. Mit Männern schlief sie als Erwachsene nie aus Liebe oder aus eigenem Bedürfnis. Immer tat sie es, weil sie meinte, man erwarte dies von ihr und sie müsse es tun, damit der Mann zufrieden ist. Machte einer sie an, stieg in ihr das Schuldgefühl auf, ihm zu Willen sein zu müssen. Entsprechend groß wurde die Zahl der Männer, mit denen sie ins Bett ging.
Dieses von ihr selbst als gestört empfundene Verhalten war für Claire ein völliges Rätsel – bis ihr ein Mann über den Weg lief, als sie sich mit ihrem Sohn in einem Geschäft umsah. Mit einem Schlag war der Film wieder da, der in der Kindheit entstanden und bis zur Begegnung mit diesem Mann tief im untersten Fach ihres Unterbewusstseins hinter dicken Türen lag. Für Claire stand fest: Dieser Mann war Täter an ihr. An dem Tag, an dem Claire im Freien zum Opfer wurde, herrschte Wind. Als Erwachsene fiel Claire immer wieder um, wenn sie in Zugluft stand. Jetzt war für die Ärzte der Grund klar. Wind bedeutete Gefahr: „Gleich passiert was Schlimmes, also abschalten.“
Dass ich jemals selbst live dabei sein würde, wenn bei einem Missbrauchsopfer der alte Film aus dem Giftschrank des Unterbewusstseins geholt wird, hatte ich nicht im Geringsten erwartet. Wie oft kommt das schon vor, dass ein solcher Einschlag so lange verdrängt werden kann zum vermeintlichen Schutz des Opfers? Häufiger, als ich denke, aber es ist kein Thema, wie so vieles bei psychischen Erkrankungen? Wenn wir schon mit Depressiven nicht umgehen können, wie soll das erst aussehen bei Claire, bei Meggie?
Im Buch zitiere ich eine Frau, die 14 Jahre nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall so im Arsch war wie nie zuvor. Ihre Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung. Wann immer sie ihre Geschichte erzählte, hörte sie als Reaktion: „Aber nach xx Jahren musst du das doch mal hinter dir lassen können?!“ Vielleicht hätte Hanna das gekonnt, wenn beim Unfall nicht ihre 4 Wochen alte Tochter auf dem Rücksitz gesessen und nicht wie tot gewirkt hätte. Für Hanna war klar, dass ihr Kind tot ist, doch Constanze hatte einfach tief geschlafen. 14 Jahre später: In Hannas Träumen stirbt Constanze auf unterschiedlichste Weisen noch immer. Wie sollst du etwas hinter dir lassen, wenn die Bilder dich ständig verfolgen?
„Siehst du den Täter?“, fragte ich Meggie irgendwann – „Oder würdest du ihn überhaupt sehen wollen?!“
Meggie verneinte beides. „Wenn ich wüsste, wer das war, dürfte meine Papa das nicht wissen, er würde den umbringen.“
Aber irgendwie hatten wir beide das beklemmende Gefühl, dass auch das Gesicht des Täters irgendwann auftauchen würde, so, wie es sich bis dahin gesteigert hatte. Für Meggie hoffte ich, dass mit dem Wachwerden der Bilder nun immerhin das Trauma bearbeitet werden kann. Der Gegner stand fest, also ran an die Arbeit, ihr Psychologen!
„Es wird Ihnen erst mal schlechter gehen, bevor es besser wird.“ So prophezeite es Meggies Psychologin aus ihrer Erfahrung.
„Noch schlechter?!“, fragte ich entgeistert. Meggie schien schon jetzt auf blutrotem Zahnfleisch zu kriechen. Wie sollte es ihr denn noch schlechter gehen?!
Nach 8 Wochen verabschiedete ich mich aus der Klinik, wenige Tage nach meinem Mitpatienten, der mit mir zu Meggies innerem Kreis gehörte. Als er ging, heulte Meggie und ich bekam einen Vorgeschmack, wie der Abschied zwischen uns aussehen würde. An meinem Entlasstag versuchte ich, schon im Vorfeld etwas Wind aus dem Segel zu nehmen und irgendwann versiegt jeder Tränenvorrat vorübergehend, wenn man im Tal der Tränen sitzt. Klar gab es feuchte Augen, aber ich war ja nicht komplett aus der Welt.
In den nächsten zwölf Monaten traf ich mich drei Mal mit Meggie, ansonsten schrieben wir. Mit den Monaten verstand ich, was die Psychologin meinte mit „Es wird Ihnen erst mal schlechter gehen, bevor es besser wird.“ Meggie konnte nicht mehr allein mit fremden Männern sein, ob Arzt, Anwalt, Psychologe. Sie bekam Anflüge von Panikattacken im Beisein mancher Männer, echte Panikattacken traten auch auf. Sie konnte nicht mehr mit anderen in einem Zimmer schlafen, auch nicht mit ihrer Schwester. Der Schlaf blieb eine Katastrophe – und wenn sie schlief, dann landete sie immer wieder in Albträumen. Aus dem verschwommenen Bild vom Anfang wurde ein Film, auch mit Ton. Das Gesicht des Täters tauchte auf.
Dissoziationen kamen hinzu. Diese beschreibt Meggie so: „Jeder kennt ja, dass man mal dasitzt und so vor sich hin träumt. So kannst du dir Dissoziation vorstellen. Du kannst dich normal mit mir unterhalten und dann kann es passieren von jetzt auf gleich, dass ich weg bin. Dann kann es passieren, dass ich einfach umfalle oder vom Stuhl kippe. Es gibt unterschiedliche Formen: Bei einer kannst du vor mir stehen, mit den Fingern schnipsen und alles machen, Witze erzählen – ich reagiere aber nicht mehr.
Normalerweise, wenn ein Mensch nicht mehr mit dir reden will, bewegt er ja trotzdem seine Augen, er hat Mimik, reagiert auf sein Gegenüber. Aber ich bin dann wie erstarrt. Das kann kurz sein, wo ich dann bewusstlos werde, wenn z.B. Männer im Raum sind. Da merke ich, wie mein Kopf immer weiter nach unten sinkt und ich versuche, mich aufzuraffen, mit Kühlakku, die mir jemand bringt. Eine Mitpatientin hat mich immer wieder mal angefasst, mich angesprochen, die konnte damit umgehen. Ich kann dir danach sagen, was du gesagt hast, also ich höre und sehe alles, kann aber nicht reagieren. Manche Schwestern haben da mit mir gesprochen und ich hätte die in der Luft zerreißen können wegen ihrer Ahnungslosigkeit. Wenn ich so dissoziiere, hab ich keine Kontrolle über meinen Körper. Wenn ich wieder zu mir komme, brauche ich ne ganze Weile, bis ich wieder alles bewegen kann. Hände und Beine sind da wie gelähmt, das ist typisch. Manche Schwestern haben meine Finger oder Füße bewegt. Durch Kühlakkus kommt Gefühl zurück.
Eine Mitpatientin hat eine andere Form der Dissoziation. Keiner darf sie anfassen, bis auf eine Ärztin und eine Schwester, sonst fällt sie um und ist weg. In der Gruppentherapie fällt sie immer wieder vom Stuhl, knallt dann richtig auf den Boden, ungebremst. Aber sie versteht dich auch. Wenn sie wieder zu Bewusstsein kommt, krampft sie, es schüttelt sie, sie knallt mit dem Kopf irgendwo dagegen. Da muss man dann schnell was zum Polstern haben. Sie kann dann länger nicht laufen, hat Schmerzen durch den Krampf. Ich hoffe, dass das nicht so wird bei mir. Die Ärztin sagte, am Anfang ist Dissoziation milde, kann dann schlimmer werden.“
„Sie haben noch Freunde?!“, fragte ihre Psychologin überrascht nach einigen Monaten. Normalerweise würden sich in dieser Phase die sozialen Kontakte stark ausdünnen. Die Selbstverletzungen gerieten in immer mehr Phasen außer Kontrolle, konnten sich dann für einige Zeit legen, bis es wieder suchtartig und nahezu unkontrollierbar wurde.
Stress bekämpfte sie u.a. mit Zucker, was ihr Übergewicht verstärkte. Der Blick in den Spiegel wurde dadurch noch mehr zum Verzweifeln. Als ich in dieser Zeit die Meinung einer Influencerin las, dass Übergewichtige an den Folgekosten beteiligt werden sollten, wenn es keinen medizinischen Grund gibt, wusste ich nicht, was ich denken sollte. Diese Frau hatte selbst mit Magersucht zu kämpfen. Warum sie diese Erkrankung hatte, dürfte ihr in einer ihrer sicher stattgefundenen Therapien klargeworden sein. Warum ging sie dann davon aus, dass Esssucht entweder etwas Organisches als Ursache haben muss und wenn nicht, dann ist das einfach nur fehlender Wille?! Ich konnte es nur darauf schieben, dass diese Influencerin einmal mehr nach jener Aufmerksamkeit aus war, die sie in ihrer Kindheit vermisste und zu ihrer Magersucht geführt hatte. Aber vielleicht ist es bei ihr ja einfach nur ein medizinisches Problem. Über Selbstzweifel könnte sie sich aber ganz sicher mit Meggie unterhalten. Bei dieser waren die Zweifel schon vor dem Wachwerden der Bilder Stammgast und wurden nun nicht weniger.
In der Klinik war unter Therapeuten und Patienten vom inneren Kritiker oder Richter die Rede, der einem ständig in den Ohren liegt, was mit einem alles nicht stimmt. Meggie hatte keinen Kritiker oder Richter in sich, sondern einen Henker. Ohne langen oder kurzen Prozess stand das Urteil immer schon fest: „Schuldig!“ Auch jetzt, wo sie wusste, dass sie Null schuld an ihrer Schieflage hatte, bekam sie keine mildernden Umstände. Schuldig, schuldig, schuldig. Nichts wert. Gegen Suizidumsetzungen musste sie sich immer mehr wehren, Versuche gab es.
Ich war schon bei Hanna, der Frau mit dem Unfall, nicht gut darin, einem Menschen mit Suizidgedanken zu erklären, dass sich das Leben aus diesem oder jenem Grund doch lohnt. Wenn ein Mensch derart leidet und immer mehr leidet, bringe ich es nicht übers Herz, zu sagen: „Aber guck mal, heute ist es sonnig und da vorn gibts Eis!“ Vor allem bringe ich solche Durchhalteparolen nicht über die Lippen, wenn ich sehe, wie mit Menschen dicht am Abgrund umgegangen wird. Das, was wir als Gesellschaft bezeichnen, ist unglaublich gut darin geübt, sich empathisch, solidarisch, bunt, ökologisch, weltoffen, gutmenschelnd zu präsentieren. Seltsamerweise bin ich noch keinem Menschen begegnet, der das Leben lieber hinter sich gehabt und gesagt hätte: „Aber ich fühle mich so gut aufgehoben unter meinen Mitmenschen, dass ich bleiben will.“
Viel mehr erlebte ich bei diesen Menschen, wie sie von Behörden – möglichst in Gendersprache – mit Papierbergen zugeschüttet wurden. Wie sie von Kranken-, Rentenkassen und Versicherungen unter sehr einfühlsamen Firmenslogans hin- und hergeschickt wurden nach dem Motto: „Wir wollen nicht zahlen, sollen die anderen machen! Wie Sie bis dahin über die Runden kommen?! Nicht unser Problem.“ Seltsamerweise fühlen sich dann Menschen nah am Abgrund genau wie psychisch Erkrankte ohne Suizidabsichten überflüssig, hilflos, entkräftet, ernüchtert, enttäuscht, einsam. Und ich soll unter solchen Umständen Meggie sagen: „Ach, das Leben kann doch schön sein. Jetzt gehst du halt paar Jahre durchs tiefste aller Täler, aber danach wird bestimmt die Sonne scheinen“?! Nee, das kann ich nicht.
Der Satz „Verdrängen heißt nicht vergessen“ stammt von einer Frau, die ich 2011 online kennengelernt hatte und die mich aus meinem Schildkrötenpanzer holte. Sie war die erste Frau in meinem Leben, bei der ich mich als Mann wahrgenommen fühlte, nicht als der Typ, der so gut zuhören kann. Wir schrieben viel über Gott und die Welt, über die Einschläge, die es auch bei ihr reichlich gab.
Wir kannten uns ca. ein Jahr, als sie mir schrieb, dass da noch „ein Hammer“ sei, bei dem sie überlegt, ob sie mir davon schreibt. Ich reagierte mit einem lachenden „Oh je“ und wartete gespannt, was da kommt. Das Lachen verschwand ganz schnell, als sie den Hammer auspackte: Missbrauch mit 10, 11 Jahren. Also so ziemlich im gleichen Alter wie Meggie. Während Meggie sich mit Partnerschaften sehr schwer tat, war die Frau, die mich wachgeküsst hatte, verheiratet mit zwei Kindern.
Doch von Normalität konnte auch bei ihr nicht die Rede sein. Ihr Mann hatte in meinen Augen narzisstische Züge, was sie selbst nicht so sah. Übergewicht, vor allem durch reichlich Eis essen, war auch bei ihr Thema. Auf schwierige Lebensphasen reagierte sie mit Flucht in die Arme anderer Männer. Kurz nach dem völlig überraschenden Tod ihres Mannes ging sie auf Flirtversuche eines anderen ein, der sein Glück schon ein Jahr lang versucht hatte, als der Ehemann noch lebte. Bis dahin hatte sie die Nase über Frauen gerümpft, von denen ich ihr erzählte und die immer wieder neue Partner haben mussten: „Wie kann eine Frau denn bitte so verzweifelt sein?!“
Nach dem Tod ihres Mannes legte ich ihr dringendst ans Herz, zu einem Psychologen zu gehen. Neben dem Missbrauch im Kindesalter gravierte sich der frühere Tod ihres Vaters und der Suizid eines Freundes nach der Trennung in ihren Lebenslauf, zu dem Zeitpunkt war sie 20. Ihre Tochter verhielt sich als Kind aus meiner Sicht sehr auffällig, immer wieder gab es massive Wutausbrüche. Wenn Eltern ihre Traumata nicht bearbeiten, werden die Kinder meist zu den Erben dieser Einschnitte auf irgendeine Weise. Bücher über vererbte Traumata gibt es.
Vor allem zum Wohle ihrer Kinder legte ich ihr den Gang zum Psychologen ans Herz. Den Tod ihres Mannes hatte sie mitverfolgen müssen, Geräusche der Wiederbelebungsversuche blieben in ihrem Ohr – das nächste Trauma war perfekt. Als sie mir 9 Monate nach dem Tod ihres Mannes schrieb, sie werde nicht zum Psychologen gehen und der neue Mann werde im kommenden Jahr bei ihr einziehen, beendete ich den Kontakt. Für mich war es, als hätte ich zugucken sollen, wie ein Betrunkener ins Auto steigt mit den Worten: „Ich fahre jetzt mal schnell durch diese kurvige Allee.“ Klar, das kann gutgehen. Aber mir ging es zu dem Zeitpunkt schon körperlich mies und ich wollte nicht warten, was diese Fahrt bringt.
Als ich nun bei Meggie das Ende der unabsichtlichen Verdrängung erlebte und diese anhaltende Talfahrt, fragte ich mich, ob es nicht doch besser ist, wenn die alten Bilder im Archiv hinter Stahltüren bleiben. Ich sah keinen Nutzen für Meggie und verstand nicht, warum die Bilder gerade ab unserer Begegnung in der Klinik wach wurden. Bei Claire war es die Begegnung mit dem vermeintlichen Täter, der alles wachwerden ließ, aber bei Meggie schien es keinen Trigger zu geben, der den Staudamm zum Brechen brachte.
Ihre Psychologin sagte, dass die Psyche es wohl jetzt für den richtigen Zeitpunkt hält. Aber auch das leuchtete mir nicht ein. Meggie war nicht kraftstrotzend mit überflüssiger Energie in die Klinik eingerückt. Da gab es keine Reserven, um mit ihnen einfach mal für paar Wochen ein Trauma anzugehen. Meggie hatte das, was ihr mit 10 passiert war, überlebt. Die Psyche hätte doch sagen können: „Ja, das war Scheiße, aber seitdem ist nichts mehr passiert, also lass uns das Leben ab heute genießen.“ Nein, das Bild musste raus, es musste zum Film werden mit allen Details. Wozu?
Zu meinem Erstaunen sah und sieht Meggie das Ende der nie beabsichtigten Verdrängung als notwendiges Übel an, auch nach einem Jahr. Sie sagt nicht: „Ach wäre doch alles wie in den Tagen, bevor das Bild deutlicher wurde.“ Klar, wirklich gut ging es ihr auch da schon nicht, von normalem Leben war sie ein ordentliches Stück weit weg.
Wir waren und sind uns einig, dass das Trauma nie verarbeitet sein wird im Sinne von „Da ist jetzt alles tippitoppi.“ Traumata sind nicht heilbar, sie können nicht aus dem Lebenslauf radiert werden. Die Narbe wird immer da sein. Für Meggie geht es um eine Bearbeitung, um eines Tages von den stärksten Folgen befreit sein zu können. Es wird auch dann immer wieder Momente geben, in denen sie sich seltsam verhält, weil da ein Gesicht auftaucht, ein Geruch, ein Wort. Doch es wird sie nicht mehr so lange und heftig aus der Bahn werfen – hoffentlich.
Wer auch immer mit gut gemeinten Ratschlägen zu Meggie kommt, der sollte zuvor eintausend Mal Danke sagen, nicht in ihrer Lage zu sein.
Ihr Wunsch, eines Tages Mutter zu sein, ist wohl ihre stärkste Versicherung vor einem selbstgewählten Tod. Ob diese Versicherung ewig hält, bleibt abzuwarten. So, wie die „Gesellschaft“ mit ihr umgeht, würde ich nicht mein bisschen verbliebenes Geld darauf wetten. Im Frühjahr ´24 war sie wieder in der Klinik, so wie sie es nun in regelmäßigen Abständen sein wird. Versprochen wurde ihr ein Einzelzimmer, weil sie eben inzwischen nicht mehr mit anderen im gleichen Raum schlafen kann. Gelandet ist sie in einem Zweibettzimmer. Sie solle so versuchen, ihre Ängste zu überwinden. Dabei mangelt es Meggie nicht an innerem, hochgradigem Dauerstress. Jede Minute Schlaf würde ein Krümel Hilfe sein. Doch so wanderte sie eben nachts über den Flur mit innerer Panik, versuchte mit der Zeit, auch im Zimmer zu bleiben, der Puls hoch.
Versprochen wurden ihr 12 Wochen Aufenthalt. Kurz vor Ablauf der achten Woche wurde ihr der Entlasstermin für den übernächsten Tag mitgeteilt, für Meggie ein weiterer Schlag gegen den Kopf. Einige Schwestern zeigten sich absolut einfühlsam in Meggies Ausnahmezustand, andere Schwestern schienen Spaß daran zu haben, mit der Bombe zu spielen.
Ein Gutachten zu einer von Ärzteseite klar verpfuschten Rücken-OP mit drastischen Folgen fiel zugunsten der Klinik aus, der Prozess sollte eingestellt werden. Ein Mensch, der in seiner Kindheit großes Unrecht erfahren musste, erfährt als Erwachsene großes Unrecht wegen Geld – genau so macht man Menschen kaputt, jagt sie auf Brücken. Nein, einfach macht man es Meggie nicht.
„100% aller psychisch Erkrankten haben Wut in sich.“ Das sagte eine Psychologin, von der mir erzählt worden war. „Die meisten kommen aber nicht an diese Wut ran.“ Unterdrückte Gefühle waren auch Thema während meines Klinikaufenthalts. Vor allem bei Trauer und Wut reagierte mein Körper deutlich, dazu ein hohes Maß an Ungerechtigkeitsempfinden. Meggie kann die Wut nicht rauslassen, die auch in ihr kocht. Sie kann nicht in den Wald gehen und schreien, in der Klinik hatte sie es mit einem Therapeuten versucht, aber sich nicht getraut. Und ich merkte bei mir, dass man Energie braucht, um Wut rauslassen zu können. Energie dafür hat aber aber weder sie noch ich. Wenn überhaupt, dann richtet Meggie auch die Wut gegen sich selbst.
Nur ein Ventil scheint für sie greifbar, angeboten von Rechtspopulisten. Eine Partei, in deren Wahlprogramm psychisch Erkrankte nur vorkommen, wenn es um importierte Messerstecher geht. Eine Partei, in der Meggie am wenigsten Verständnis finden würde für ihre Problematik – von anderen Parteien wäre allerdings nicht haufenweise mehr Einfühlungsvermögen zu erwarten. Macht das Sinn? So wenig wie Selbstverletzungen – aber alles hat einen Grund. Auch das Rauslassen von Wut ist selten ein mit Vernunft verbundener Akt. Wer Parteien entzaubern will, die von Wut/Hass auf andere leben, muss dafür sorgen, dass Kinder psychisch gesund ihr Elternhaus verlassen können.
„Ich hoffe, dass wir in paar Jahren sagen können: War das eine irre Zeit damals …“, schrieb ich Meggie ein Jahr nach unserer ersten Begegnung. „Damals haben wir Flaschen drehen gespielt mit ziemlich eindeutigen Fragen und du warst mit dabei. Heute würdest du wohl nicht mitmachen, oder?“
„Nein.“
Ihr Leben hat sich extrem verändert – dabei ist ihr in diesen 12 Monaten nichts Dramatisches passiert. Nur ein 20 Jahre altes Bild wurde wach. Nur.
„Nach so vielen Jahren musst du das doch abhaken können?!“ Wer das sagt, sollte nach den Einschlägen in der eigenen Kindheit Ausschau halten und den roten Faden zu heutigen, seltsamen Verhaltensweisen suchen. Sie sind ganz sicher da. Jede psychische Erkrankung entsteht durch einen Einschlag in der Kindheit. Das braucht nicht Missbrauch sein, auch nicht andere Formen von Gewalt, kein Einsperren im Keller.
„Haben Ihre Mutter und Ihr Vater die Bedürfnisse nach Zuneigung, Sicherheit, Geborgenheit, Anerkennung erfüllt?“, so ist das Grundprinzip jeder Therapie. Stell dir diese Frage selbst, suche nach der Antwort. Wenn sie „Nein, meine Mutter/mein Vater waren nicht da für mich“ lautet, dann wirst du auch den roten Faden finden können, der aus deinem Kinderzimmer hin zu deinen heutigen „Special Effects“, also deinen Eigenheiten führt. Deinen Schuldgefühlen, deinen Schamgefühlen, deinen Ich-bin-nichts-wert-Gefühlen, deinen Ängsten, deiner Wut, deinem Hass, deinem Drang nach Aufmerksamkeit, deiner toxischen Beziehung, deinem Narzissmus, deiner Sucht, deinen Depressionen, deinem Borderline, deiner bipolaren Störung. Du kannst nichts davon einfach mal abhaken und damit nicht das, was in deiner Kindheit passiert ist.
Und stell dir die Frage: Wie hättest du ohne Verletzungen dein Kinderzimmer verlassen können? Was wäre dazu nötig gewesen, ganz praktisch? Die Antwort darauf würde dir sagen, was du heute selbst machen solltest, wenn du Kinder hast oder welche planst. Und wenn deine Antwort einfach nur lautet: „Ich hätte die Anerkennung von Mum/Dad gebraucht“, dann frage dich, ob deine Eltern einen Schalter hatten, mit dem man Empathie, Fürsorge, Zuneigung, Liebe ein- und ausschalten kann. Lautet die Antwort darauf „Nein, den Schalter gab es nicht“, dann suche weiter nach einer wirklich praktischen Antwort. Wenn diese anders ausfällt als „Sie hätten zum Psychologen gemusst, um ihre eigenen Verletzungen/Traumata zu bearbeiten“, dann lass es mich bitte wissen. Bis dahin bleibt meine einzige Lösung: Sie hätten das machen müssen, was Meggie macht.
Ich schreibe für mein Leben gern, der Umgang mit Worten erzeugt ein gutes Gefühl in meinem Hirn. Nur würde ich viel lieber Geschichten schreiben voller knisternder Erotik zwischen Menschen auf Augenhöhe, ohne Abhängigkeiten aus Kindheitsenttäuschungen. Das Verherrlichen toxischer Beziehungen inklusive wundersamer Selbstheilung von Narzissten wirst du von mir niemals lesen, auch nicht in 50 Schattierungen von Grau. Ich würde gern Geschichten schreiben zum Schieflachen. Geschichten über Paralleluniversen, wo mein Parallel-Ich ohne Hasenpfote doch noch die Frau aus der Klinik bekommt und mit ihr zu zweit Flaschen drehen spielt. Geschichten über die Leichtigkeit des Daseins. Aber Meggie existiert und ihre Geschichte ist die Geschichte vieler Menschen, für die sich kein Schwein interessiert und deren Leben ein Gang auf Messerspitzen ist.
„Kann es sein, dass Sie Frauen retten wollen?“, fragte mich meine Psychologin. So, wie sie es mir erklärte, klang es nachvollziehbar: „Sie haben in Ihrer Kindheit eine schwache Frau – Ihre Mutter – erlebt, die unter einem despotischen Mann – Ihrem Vater – zu leiden hatte. Eigentlich hätte Ihre Mutter SIE retten müssen, aber als Kind glaubten Sie, dass Sie Ihre Mutter beschützen müssten. Und deshalb kümmern Sie sich heute so um Frauen, vergessen sich dabei aber selbst völlig und sind dadurch so im Arsch.“
So plausibel das klang, bin ich inzwischen etwas anderer Ansicht. Ich möchte nicht Frauen retten, sondern Kinder davor bewahren, den gleichen Scheiß durchmachen zu müssen wie ich und wie andere. Bei erwachsenen Frauen, die gerettet werden müssten, ist das Kind ja schon längst im Brunnen gelandet, sie hätten genauso wie ich als Kind andere Umstände gebraucht, um heil das Kinderzimmer verlassen zu können.
Und wann immer sich heute Prominente, die einzig und allein nach Aufmerksamkeit zu gieren scheinen, mit Babys zeigen, überkommt mich starkes Mitleid mit diesen Kindern. Genauso geht es mir mit Kindern, die in vergifteten Beziehungen geboren werden. In meiner Kindheit gab es den Begriff „toxische Beziehung“ noch lange nicht, aber er trifft auf meine Eltern absolut zu. Eine Beziehung weit weg von Augenhöhe. Ich weiß, wie es sich als Kind in einem solchen Klima lebt und wie laut das Echo ist weit in die Zeit des Daseins als Erwachsener.
Aus Opfern werden Täter. Auch das sollten uns die Geschichten real existierender Menschen lehren. Dazu brauche ich mir nur die Geschichte meines Vaters ins Gedächtnis rufen. Wer keine Opfer will, muss dafür sorgen, dass es keine Täter gibt. Warum fing Meggie mit ca. 12 an, andere zu mobben, zwei Jahre nach dem Missbrauch? Einfach nur Pubertät? Oder musste die erlittene Verletzung „raus“, die Wut? Wollte sie hart sein, um nicht selbst wieder verletzt zu werden?
Wenn Meggie ihre Trauma-Bearbeitung überlebt, wird sie – hoffentlich – keinen Partner brauchen, der ihren schwachen Selbstwert schamlos ausnutzt, was das Markenzeichen toxischer Beziehungen ist. Meggie wird – hoffentlich – den inneren Henker los und ihn durch einen Berater ersetzen, der ihr Tipps ohne Anspruch auf Unfehlbarkeit gibt. Die Selbstverletzungen werden verschwinden – hoffentlich restlos. Mit dem Abschied vom Henker wird sie – hoffentlich – weniger Zucker brauchen, weil weniger Stress anfällt. Sie wird abnehmen, der Blick in den Spiegel wird angenehmer. Sie wird Komplimente annehmen können, wenn auch am Anfang dezente. Die langsame Veränderung wird ihr guttun, kleine Rückschläge nicht ausgeschlossen. Männer werden in ihr nicht mehr pauschal Angst auslösen. Ob jener, der heute sehr geduldig wartet, dann noch im Rennen sein wird, bleibt abzuwarten. So wie sie ihn beschreibt, scheint er zu den sehr wenigen Menschen (m/w/d) zu gehören, die beziehungstauglich auf Augenhöhe sind.
Wenn Meggie ihre Trauma-Bearbeitung überlebt und eine Beziehung auf Augenhöhe eingehen kann, wird sie deutlich weniger Ballast an ein eigenes Kind vererben und dem Kind ein angenehmes, giftfreies Kinderzimmer bieten können. Die Gefahr, dass dieses Kind eines Tages Täter wird, wäre deutlich geringer – z.B. ein Täter wie der an Meggie. Sie hat in ihrer Hand, ob ein Erbe ihrer Geschichte irgendwann jemandem etwas Ähnliches antut wie ihr angetan wurde. Würde jeder seine Traumata bzw. schmerzhaften Erfahrungen aus der Kindheit bearbeiten unter professioneller Hilfe, anstatt sie der nächsten Generation in die Wiege zu werfen, sähe die Welt deutlich anders aus. Eigentlich sollten wir heilfroh sein, dass Meggie sich das antut. Eigentlich. Und eigentlich sollten wir ihr auf diesem Weg sämtliche Steine wegräumen, anstatt neue hinzuschmeißen. Eigentlich.
Den Blick hinter die Gardinen mit 80 weiteren Biografiesplittern gibt es in meinem Buch:
Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?
Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!
Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)
Du bist Dir unsicher, was mich zu einer glaubhaften, seriösen Quelle macht? Fragst Du Dich, was mich zum Experten macht? Nichts.
Sophie lebt – und ist tot. Was besser ist für sie? Ich weiß es nicht.
„Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.
„Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.
Elon Musk, Kanye West, Mel Gibson – denen ist doch allen der Erfolg zu Kopf gestiegen! Die spinnen doch einfach nur! Willst du mit ihnen tauschen?
„Warum hat er mich nicht lieb? Bin ich einfach ein Nichts?“ Diese Fragen stellt sich Katis jüngerer Sohn und denkt dabei an seinen Vater.
Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.
Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.
Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.
Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.
Die einen waschen ihre Firma grün, die anderen leben beim Yoga ihren Narzissmus aus. Was steckt hinter dem Gendern?
Wer Frauen sichtbar machen will, muss das komplette Bild ins Scheinwerferlicht rücken – auch die Schattenseiten.
Wo in der Geschichte sind die ganz konkreten Beispiele dafür, dass Appelle an die Vernunft etwas zum Guten verändern? Mein Vater kann nicht gemeint sein.
Über Tote sagt man nichts Schlechtes. Wenn dir also nichts Positives einfällt, dann musst du schweigen. Doch jedes Leben erzählt eine Geschichte.
Knapp 18 Mio. Menschen werden pro Jahr wegen psychischer Erkrankungen behandelt. So etwas können Parteien doch nicht ignorieren, oder?
Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.
Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?
Du weißt, wie wahre Liebesgeschichten beginnen. Dies sind einige von ihnen.
Und wieder glauben wir, Erwachsene umerziehen zu können – und wieder haben wir nichts aus der Geschichte gelernt.
Er verfolgt dich, er bespitzelt dich, er glaubt dir nicht, du machst Schluss mit ihm. 10 Jahre später sitzt du mit ihm und euren beiden Kindern am Frühstückstisch.
In dieser Welt passiert vieles, was aufgedeckt gehört. Gibt es jedoch zu einem Ereignis 101 unterschiedliche Wahrheiten, dann werde ich nachdenklich.
Die Welt wird von einer unsichtbaren Macht geleitet – sagen nicht nur Verschwörungsanhänger, sondern Milliarden Menschen.
Er baut den Keller zur Wohnung um, weil die Chinesen kommen. Sie spricht vom Angriff der Roboter. Wenn du ihre Geschichten kennst, wirst du sie verstehen.
„Als ich Krebs hatte, bekam ich Mitleid, Zuspruch und Unterstützung. Als Depressionskranke war ich immer die faule Sau.“
Stille ist Luxus. Im Wald kannst du sie finden, kannst nackt herumrennen. Doch nun weicht die Stille der Sprachlosigkeit.
Als Robert Enke durch Suizid starb, herrschte große Trauer. Doch längst jagen wir seine Nachfolger Richtung Abgrund.
1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.
Wir sind Ruth und Knut. Nimm uns an die Hand und komm mit auf deine spannendeste, tränenreichste und lustigste Reise. Wir reißen Wunden auf und kleben nicht einfach ein Pflaster drüber, um unsere Besitzerin auf einen entspannten Weg durchs Leben zu ermöglichen.
#metoo (1) 2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) abschied (1) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beziehung (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) Bundestagswahl 2021 (1) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) freiheit (2) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) interview (1) Journalismus (5) kampagnen (1) Kindheit (4) Krankenhäuser sind Hurenhäuser (1) liebe (2) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) Mel Gibson (1) missbrauch (2) Mutterliebe (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) Spaltung der Gesellschaft (1) Sucht (1) tot (3) Vater & Sohn (2) Vernunft (1) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) wird nicht besser (3)
„Hi. Kann ich mich zu dir setzen?“
„Okay.“
„Was machst du hier?“
„Ich warte auf Post.“
„Oh, dann ist es wohl was Wichtiges.“
„Kann man so sagen.“
„Ein Liebesbrief?“
„Post von Papa.“
„Ah, cool. Schreibt er oft?“
„Nein.“
„Aber er hat dir Bescheid gegeben, dass er schreibt?“
„Nein.“
„Oh. Wie lange wartest du schon?“
„Hmm … Seit ich Kind war.“
„Autsch. Dann hast du wohl viel Geduld.“
„Eigentlich nicht.“
„Was macht dich optimistisch, dass er noch schreibt?“
„Naja … Er ist mein Papa.“
„Verstehe. Kann er schreiben?“
„Was?!“
„Naja, kann ja sein, dass er gar nicht schreiben kann und du wartest und wartest und hoffst. Du siehst nicht wirklich glücklich aus.“
„Hmm …“
„Eigentlich könnten wir hier zusammen warten auf Post von unseren Vätern. Seltsamerweise habe ich nie auf einen Brief von meinem gewartet. Ich hab glaube schon als Kind eingesehen, dass er nicht schreiben kann. Seit paar Jahren weiß ich auch warum. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, seine Mutter ging viel arbeiten und hatte kaum Zeit übrig – und auch nicht wirklich viel Liebe für ihre Kinder. Mein Vater hat dadurch nicht gelernt, wie man schreibt. Ich verstehe, dass ich nie Post von ihm bekam – was nicht heißt, dass ich Verständnis dafür habe im Sinne von Sein Verhalten entschuldigen.“
„Und was hast du davon?“
„Naja, ich denke, es hat mich frei gemacht.“
„Wie das?“
„Ich kann rumsitzen, ohne auf etwas zu warten. Ich hatte 20 Jahre keinen Kontakt zu ihm, hab ihn dann wiedergesehen und gemerkt, dass er sich Null geändert hat. Er hätte nicht mal ansatzweise verstanden, wieso ich mir Post von ihm gewünscht hätte, wieso das wichtig sein soll. Und so läuft das bei so ziemlich allen Menschen. Wir lernen das Schreiben nicht, nur weil wir älter werden. Und wir lernen auch nicht einfach so, wie wichtig es ist, seinen Kindern mal zu schreiben – selbst wenn uns selbst ein Brief als Kind gutgetan hätte.“
„Hmm …“
„Was würde passieren, wenn dein Vater doch noch schreibt?“
„Es wäre einfach schön.“
„Du hast doch sicher auch Post von anderen bekommen?!“
„Ja. Wobei …“
„Was?“
„Ich hab viel dafür getan, dass sie mir schreiben.“
„Zu viel?“
„Denke ja. Hat viel Energie gekostet.“
„Hat es sich wenigstens gelohnt?“
„Hmm … Nicht wirklich.“
„Weiß dein Vater, dass du wartest? Also hast du ihm gegenüber auch viel getan, damit er doch noch schreibt?“
„Als Kind ja. Hat aber nicht geholfen.“
„Wenn ich erraten könnte, was du dir in dem Brief zu lesen erhoffst und ich würde dir das ehrlichen Herzens so schreiben: Würde das Sinn für dich machen?“
„Wie meinst du das?“
„Du hast dir die Briefe, die du bisher bekommen hast, immer hart erarbeitet. Wenn dann jemand von sich aus Ähnliches schreibt, ohne dass du vorher die Welt aus den Angeln heben brauchst: Würde dir das was geben?“
„Gute Frage …“
„Oder würde eine Stimme in dir sagen: Nee, nee, du hast so einen Brief gar nicht verdient, wenn du dir vorher nicht den Allerwertesten aufreißt?“
„Hmm …“
„Sorry für die vielen Fragen, ich geh wohl lieber wieder, will dich nicht nerven. Ciao.“
„Moment. Würdest du mir schreiben?“
„Klar. Aber nur, wenn du eine Sache machst.“
„Hmm, okay.“
„Du reißt dir nicht den Allerwertesten auf dafür.“
„Du bist doof.“
„Und du kannst ganz gut lächeln.“
Wenn du Gefühle nicht mehr aushältst, leg einen Sarkophag darüber. Doch was, wenn der bricht?
Du wartest. Und wartest. Das Warten tut dir weh, dennoch wartest du weiter.
Jeder hat so sein Päckchen zu tragen – für mich ein furchtbarer Spruch. Ich sehe dabei immer ein Schulterzucken, als wäre es ein Naturgesetz, dass jede Generation der nächsten Steine in den Rucksack packt.
Was macht dich glücklich, mein Kind? Was fehlt dir? Was hast du damals vermisst, was willst du heute nachholen? Würde es mir damit besser gehen?
Du trägst mich auf deinen Schultern durch gute und schlechte Zeiten. Wir haben keine Liebesbeziehung, sind eine Zweckgemeinschaft mit gewissen Vorzügen.
In mitten des Ozeans sinkt nach heftigen Stürmen ein Boot ganz langsam. Der Mann darin ist erschöpft, er bekommt den Kahn einfach nicht mehr leer, so sehr er sich bemüht. Ein zweites Boot nähert sich, der Mann schöpft Hoffnung – Rettung in Sicht nach langer Zeit. Der andere Mann kommt immer näher, grüßt kurz, schaut: […]
Über Tote sagt man nichts Schlechtes. Wenn dir also nichts Positives einfällt, dann musst du schweigen. Doch jedes Leben erzählt eine Geschichte.
Du weißt, wie wahre Liebesgeschichten beginnen. Dies sind einige von ihnen.
Würdest du das kleine Mädchen, das du einst warst, vor all den Scherben bewahren, durch das es laufen musste? Nein.
Stille ist Luxus. Im Wald kannst du sie finden, kannst nackt herumrennen. Doch nun weicht die Stille der Sprachlosigkeit.
Vor mir liegt ein Stein. Kein kleiner Kiesel. Er lässt mich nicht vorwärts kommen – oder schützt er mich?
Wir hatten es selten leicht miteinander, du und ich. Von Liebesbeziehung konnte kaum die Rede sein, mein liebes Leben.
Wenn dein Ego nie wachsen konnte, ist es dir eben egal, wie ehrlich ein „Ich liebe dich“ ist. Hauptsache, du bekommst es zu hören.
„Die langen Ärmel ihrer Bluse rutschten nach unten, als sie in ihrer Freude die Hände noch oben riss.
Er sah ihre Narben am Handgelenk …“ – Wie geht es wohl weiter?
„Wie konnte sie nur? Ja, ihr ging es dreckig, aber was sollten wir denn machen? Mein tiefempfundenes Beileid. Sag´ Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Jetzt muss ich erstmal los.“
Im dunklen Wasser des kleinen Sees versinken Nachtgedanken, heißt es. Doch aus ihm können auch zauberhafte Wesen steigen.
Ich hab´s geschafft: Ich bin tot. Endlich kann ich machen, was mir Freude am Leben gibt.
Jeder Mensch hat zwei Ohren. Nur was wir damit anfangen, ist recht unterschiedlich. Umso erleichternder ist es in Krisenzeiten, wenn du jemanden findest, der zuhören kann. In den letzten Jahren lernte ich, dass dies wohl meine Superkraft ist. Diese biete ich Dir hier an.
1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.
Wir sind Ruth und Knut. Nimm uns an die Hand und komm mit auf deine spannendeste, tränenreichste und lustigste Reise. Wir reißen Wunden auf und kleben nicht einfach ein Pflaster drüber, um unsere Besitzerin auf einen entspannten Weg durchs Leben zu ermöglichen.
#metoo (1) 2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) abschied (1) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beziehung (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) Bundestagswahl 2021 (1) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) freiheit (2) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) interview (1) Journalismus (5) kampagnen (1) Kindheit (4) Krankenhäuser sind Hurenhäuser (1) liebe (2) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) Mel Gibson (1) missbrauch (2) Mutterliebe (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) Spaltung der Gesellschaft (1) Sucht (1) tot (3) Vater & Sohn (2) Vernunft (1) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) wird nicht besser (3)
Seit Kindertagen trägst du ihn mit dir herum. Wer dir die Steine in den Rucksack legte, ist dir klar. Und wenn du sein Gesicht nicht erkennen kannst, dann weißt du immerhin, wodurch die Steine zu deinem Ballast wurden. Sie werden dir auch morgen aus dem Rucksack auf die Füße fallen und nicht weniger werden, nur weil ein neues Jahr beginnt, so schön es auch wäre.
Du wirst, wenn du es bisher so gemacht hast, die Schmerzen der aus deinem Rucksack fallenden Steine ertragen, weil diese Schmerzen nicht so schlimm sind, als wenn du den Rucksack abnehmen, ihn dir anschauen würdest mit der Frage, wie genau er auf deinen Rücken kam. Wenn du Glück hast, wird deine Verdrängung dich lebenslänglich begleiten – wobei du nicht wirklich glücklich sein kannst, weil du über die Steine, die dir auf die Füße fallen, immer wieder stolperst, sie deinen Weg in Richtungen bewegen, auf denen neue Schmerzen warten. Wenn du Pech hast, wird dir der Rucksack aus dem scheinbaren Nichts irgendwann vom Rücken gerissen, dir vor die Augen geworfen. Die Bilder, wie er auf deinen Rücken kam, werden wach und die Schmerzen sind ungleich größer, als die der fallenden Steine. Dieses Pech muss jedoch nicht das Ende des Weges sein, sondern kann der Beginn eines neuen werden.
Oder du kehrst immer wieder zu jenen Menschen zurück, die dir in deiner Kindheit die Steine in den Rucksack schmissen. Du hoffst, dass sie sich verändern, dir Steine abnehmen, dir beim Tragen helfen – doch du verlässt jedes Mal ihr Haus mit neuen Steinen.
Oder dich hat ein riesiger Stein erwischt, du musstest all deine Energie aufbrauchen, um ihn von dir rollen zu können und jetzt fehlt sie dir, um den Rucksack aus der Kindheit wie zuvor tragen zu können. Das Gewicht zwingt dich in die wackligen Knie, du kannst die Füße kaum heben, um große Schritte über die aus dem Rucksack fallenden Steine zu machen.
Was auch immer der Rucksack mit dir macht: Fürs neue Jahr wünsche ich dir Menschen, die dir beim Tragen helfen, beim Weg über die Steine, beim Wegrollen selbiger. Menschen, die dir nicht erklären wollen, wie du zu laufen hast, wenn sie über ihre eigenen Steine ständig stolpern. Menschen, die deinen verlangsamten Gang nicht ausnutzen wollen für ihre ganz eigenen Zwecke. Menschen, in deren Hand du deine legst, weil du ihnen vertrauen kannst, dass sie dich beim Stolpern auffangen werden. Menschen, die dir nicht deren eigene Steine vor deine Füße schmeißen. Menschen, die mit dir Steine bemalen oder sie zu kleinen Kieseln zermahlen, so dass der Weg leichter wird. Menschen, die da sind, wenn die Steine dich zu erschlagen drohen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Menschen, die das Tragen erträglicher machen.
Das wünsche ich mir selbst genauso.
Wenn du Gefühle nicht mehr aushältst, leg einen Sarkophag darüber. Doch was, wenn der bricht?
Du wartest. Und wartest. Das Warten tut dir weh, dennoch wartest du weiter.
Jeder hat so sein Päckchen zu tragen – für mich ein furchtbarer Spruch. Ich sehe dabei immer ein Schulterzucken, als wäre es ein Naturgesetz, dass jede Generation der nächsten Steine in den Rucksack packt.
Was macht dich glücklich, mein Kind? Was fehlt dir? Was hast du damals vermisst, was willst du heute nachholen? Würde es mir damit besser gehen?
Du trägst mich auf deinen Schultern durch gute und schlechte Zeiten. Wir haben keine Liebesbeziehung, sind eine Zweckgemeinschaft mit gewissen Vorzügen.
In mitten des Ozeans sinkt nach heftigen Stürmen ein Boot ganz langsam. Der Mann darin ist erschöpft, er bekommt den Kahn einfach nicht mehr leer, so sehr er sich bemüht. Ein zweites Boot nähert sich, der Mann schöpft Hoffnung – Rettung in Sicht nach langer Zeit. Der andere Mann kommt immer näher, grüßt kurz, schaut: […]
Über Tote sagt man nichts Schlechtes. Wenn dir also nichts Positives einfällt, dann musst du schweigen. Doch jedes Leben erzählt eine Geschichte.
Du weißt, wie wahre Liebesgeschichten beginnen. Dies sind einige von ihnen.
Würdest du das kleine Mädchen, das du einst warst, vor all den Scherben bewahren, durch das es laufen musste? Nein.
Stille ist Luxus. Im Wald kannst du sie finden, kannst nackt herumrennen. Doch nun weicht die Stille der Sprachlosigkeit.
Vor mir liegt ein Stein. Kein kleiner Kiesel. Er lässt mich nicht vorwärts kommen – oder schützt er mich?
Wir hatten es selten leicht miteinander, du und ich. Von Liebesbeziehung konnte kaum die Rede sein, mein liebes Leben.
Wenn dein Ego nie wachsen konnte, ist es dir eben egal, wie ehrlich ein „Ich liebe dich“ ist. Hauptsache, du bekommst es zu hören.
„Die langen Ärmel ihrer Bluse rutschten nach unten, als sie in ihrer Freude die Hände noch oben riss.
Er sah ihre Narben am Handgelenk …“ – Wie geht es wohl weiter?
„Wie konnte sie nur? Ja, ihr ging es dreckig, aber was sollten wir denn machen? Mein tiefempfundenes Beileid. Sag´ Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Jetzt muss ich erstmal los.“
Im dunklen Wasser des kleinen Sees versinken Nachtgedanken, heißt es. Doch aus ihm können auch zauberhafte Wesen steigen.
Ich hab´s geschafft: Ich bin tot. Endlich kann ich machen, was mir Freude am Leben gibt.
Jeder Mensch hat zwei Ohren. Nur was wir damit anfangen, ist recht unterschiedlich. Umso erleichternder ist es in Krisenzeiten, wenn du jemanden findest, der zuhören kann. In den letzten Jahren lernte ich, dass dies wohl meine Superkraft ist. Diese biete ich Dir hier an.
1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.
Wir sind Ruth und Knut. Nimm uns an die Hand und komm mit auf deine spannendeste, tränenreichste und lustigste Reise. Wir reißen Wunden auf und kleben nicht einfach ein Pflaster drüber, um unsere Besitzerin auf einen entspannten Weg durchs Leben zu ermöglichen.
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„Na, Kleiner, wie gehts dir?“
Das Kind guckt mich neugierig an: „Wer bist du?“
„Das würdest du mir nicht glauben. Verrätst du mir, wie alt du bist?“
„Drei.“
„Und dein Name?“
„Thorben. Und deiner?“
„Ich heiße auch Thorben.“
Das Kind staunt still, zeigt dann die Straße entlang bergab: „Da fahren Züge!“
„Ich weiß. Siehst du gern Züge fahren?“
„Ja, die Dampfloks!“
„Die machen viel Rauch. Aber die sind auch laut, oder?“
„Ja, das mag ich nicht.“
„Ich weiß. Wir können ja hier warten, bis wieder ein Zug kommt. Oder wollen wir näher ran?“
Das Kind schaut mich an.
„Wenn du möchtest, nehm ich dich an die Hand und wenn es dir zu laut wird, halten wir dir die Ohren zu.“
„Aber nur ein Stück, ja?“
„Na klar.“
„Mein Papa macht das nicht.“
„Ich weiß.“
„Kennst du den?“
„Ja.“
„Wohnst du hier?“
„Ja, früher schon, als ich so alt war wie du und seit fast 20 Jahren auch wieder.“
„Kennst du meine Mutti auch?“
„Ja.“
Der Kleine grinst überrascht, ich lächle zurück.
„Da kommt ein Auto, wir gehen an den Rand. Weißt du, was das für eins ist?“
Der Kleine schüttelt den Kopf.
„Das ist ein Trabant. Und dort drüben … Wenn ich es richtig lesen kann, ist das ein Moskwitsch.“
Der Junge lacht.
„Komisches Wort, oder? Mooooskwiiitsch.“
„Moooskiiiitschhhh. Mein Papa hat auch ein Auto.“
„Weißt du, was für eins?“
„Ein grünes, aber so komisch.“
„Tschitscheringrün.“
Wieder lacht der Kleine.
Ich grinse zurück: „Ich weiß, aber die Farbe heißt wirklich so. Das ist ein EMW, den hat nicht jeder. Dein Opa hat auch so einen, oder?“
„Ja, der ist aber schwarz.“
„Hey, guck, die Schranken gehen runter. Siehst du dort oben in dem kleinen Haus den Mann? Der kurbelt sie runter und wenn der Zug durchgefahren ist, dann kurbelt er sie wieder hoch. Jetzt müssen wir glaube zehn Minuten warten, wenn ich es noch richtig weiß.“
„Sooo lange?“
Ich grinse: „Ja. Wir können ja nochmal die Straße hoch und runter laufen, wenn du willst.“
„Oder rennen! Mal sehn, wer schneller ist.“
„Rennen?! So hab ich dich nicht in Erinnerung. Aber fall nicht … Ach, renn einfach.“
„Bis da hoch!“
„Und du bist wirklich Thorben?!“
Lachend spurtet der Zwerg vor mir her.
Auf halber Strecke bleibt der Lockenkopf in seinem dunkelblauen Anorak stehen, dreht sich zu mir um, das Gesicht zeigt sich unbeschwert. Alles ist genau wie auf einem Bild aus meinem Fotoalbum. Mit 40 hatte ich es durchgeblättert und blieb an diesem Bild hängen. „Wo ist das Lachen hin?“, hatte ich mich gefragt. Schon bei dieser Frage war ich den Tränen nahe. „Wenn du wüsstest, wie die nächsten Jahre so werden“, hatte ich meinem jungen Ich in Gedanken zugeflüstert. Ich hatte mich nie depressiv gefühlt, aber als ich das Lachen dieses kleinen Jungen sah, fiel es mir schwer, ihn und mich zusammenzubringen. Ich fühlte Mitleid mit diesem Jungen, weil ich seine Zukunft kannte. Er würde in den nächsten Jahren sein so unbeschwertes Lachen verlieren. Es war, als hätte ich ihn vor seiner Zukunft warnen und beschützen wollen, war aber komplett hilflos, da seine Geschichte schon längst geschrieben war. Es waren noch viele andere Bilder in meinem Fotoalbum aus der Kindheit, aber nur dieses eine hatte diese Wirkung auf mich.
Der Junge rennt weiter, ich gebe mich geschlagen. Als ich ihn erreiche, fragt er mich, warum ich weine.
„Ach, nichts.“ Und in der nächsten Sekunde höre ich die Stimme in meinem Kopf: „Ah ja, du drückst also wieder Gefühle weg, die dann deinen Körper zerfressen. Schönes Vorbild.“ Aber soll ich diesem Kind erzählen, was alles passieren wird, ohne es vor all dem beschützen zu können?
„Kommt der Zug gleich?“
Ich wische meine Wangen trocken und biete dem Jungen meine Hand an: „Wir gehen einfach wieder zu den Schranken, die Dampflok hören wir ja schon von weitem.“
Seine kleine Hand greift zögernd nach meiner: „Papa macht das nicht.“
„Ich weiß. Aber du magst das auch nicht so sehr, oder?“
Er schaut mich ratlos an.
Ich grinse: „Na alles weiß ich auch nicht mehr über dich. Deine Mama sagt, dass du kein Kuschelkind bist. Aber vielleicht fängt das erst später an, dass du dir Küsse schnell von der Wange wischst und so.“
Sein Blick bleibt fragend.
„Okay, da kommen wir nicht weiter, kein Problem. Wobei mich schon interessieren würde, wann das angefangen hat und warum. Ob es Kinder gibt, die von Natur aus so distanziert zu ihren Eltern sind. Oder ob das was mit Vater zu tun hat, weil er dich so gut wie nie auf den Arm getragen hat, dich heute nicht in die Arme nimmt, streichelt usw. Ob es was damit zu tun hat, dass du nicht zu heulen hast. Oder darfst du weinen? Sagt der Papa dann was?“
Der Junge legt die Stirn in Falten und bleibt still.
„Sagt er nicht: Hier wird nicht geheult? Oder kommt das erst später?“
Die Antwort bleibt offen.
Wir stehen schweigend abseits der Schranke, von weitem ist der Zug zu hören. Der Junge lässt meine Hand los, hebt die Hände langsam hoch, Richtung Ohren. In der ersten Silvesternacht seines Lebens bekam er hohes Fieber durch die Knallerei draußen. Laute Geräusche wird er auch später als Erwachsener möglichst meiden. Bei nahen Gewittern wird er sich die Ohren zuhalten. Die lauten Geräusche, die er als Kind in den nächsten Jahren in der Wohnung hören wird ohne Feuerwerk und Donner, wird er nicht durch zugehaltene Ohren ausblenden können. Und er wird sich alleingelassen fühlen mit all seinen Ängsten. Sein Vater wird ihm nicht die Ohren zuhalten, ihn behutsam an etwas heranführen, was dem Kleinen unheimlich erscheint.
Der Zug rauscht vorbei. Die wuchtigen Stöße des Dampfkessels lassen die Luft vibrieren und ergreifen die Körper. Ich lege meinen Arm um den Jungen, der die Hände auf die Ohren presst. Seine Augen sind groß und lassen nicht erkennen, ob es Angst ist oder Neugier – und ob Stolz in ihm aufkommt, sich so nah herangetraut zu haben.
Die ersten drei Lebensjahre eines Kindes sind die wichtigsten. Wir kommen völlig hilflos auf die Welt und sind völlig abhängig von unseren Eltern. Sie müssen unsere sämtlichen Bedürfnisse erkennen und erfüllen. Wir können nicht über die Wiese laufen und uns ein paar Grashalme abpflücken, wenn wir Hunger haben. Wir können uns kein Fell wachsen lassen, dank dem wir nicht frieren. Wir können nicht sagen, was uns weh tut, was wir gerade brauchen, was uns quer liegt. In den Momenten können wir nur losheulen. Ignorieren unsere Eltern diese Hilferufe, weil es sie einfach nicht interessiert oder sie es nervt, beginnt das Lernen: Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig. Wenn ich es kann, muss ich mich selbst darum kümmern. Wenn ich es nicht kann, bleiben sie unerfüllt, ob das Bedürfnis nach Fürsorge, Wärme, Zuneigung oder Anerkennung. Und nimmt dir niemand die Angst, bleibt sie dein treuer Begleiter.
„Na, alles gut?“
Der Zug steht am Bahnhof, weit genug entfernt, so dass der Junge seine Hände von den Ohren nehmen und mit dem Kopf nicken kann. Sein Gesicht sagt: Er ist glücklich.
„Guck mal, da kommt jemand.“
Ich drehe mich um, sehe einen Jungen mit glatten Haaren und Brille. Er läuft langsam, der Blick nach unten. Nur flüchtig sieht er zu uns auf, will die Straßenseite wechseln. Langsam gehe ich auf ihn zu, setze mein vertrauenerweckendstes Gesicht auf. Wieder versucht er, mir auszuweichen, also spreche ich ihn mit leiser Stimme an: „Du bist Thorben, nicht wahr?“
Er schaut mich an, seine Mimik verrät nichts, außer Unsicherheit. Ich gehe weiterhin langsam auf ihn zu: „Du kennst mich nicht, aber ich kenne dich und den kleinen Mann hier kennen wir beide.“
Die Sonne kommt raus, die Temperatur klettert spürbar. An den Straßenrändern stellen sich die Grashalme auf, atmen ein sattes Grün ein, während Blumen zwischen den Halmen ihre Blüten nach oben recken. Die kahlen Bäume ziehen sich grüne Blätter im Übermaß an. Der Kleine fragt, ob er seinen Anorak ausziehen darf, ich helfe ihm. Als ein Marienkäfer auf seinem Arm landet, reagiert er ängstlich. Ich lege meinen Finger neben das Insekt, bis es auf ihn krabbelt: „Brauchst keine Angst zu haben. Marienkäfer können nicht wie Bienen stechen, es kitzelt nur, wenn sie auf dir laufen.“
Argwöhnisch schaut der Kleine, wie der Käfer weiter auf meine Hand wandert.
„Ängste …“, sage ich mit leiser Stimme zu dem älteren Jungen, der sich auch jetzt nichts anmerken lässt. Auch nicht, als ich murmele: „… kennen wir, was?“
Er bleibt still, seine Augen verfolgen den Kleinen, der ein Stück abseits herumläuft und die Blumen betrachtet.
„Wie gehts dir?“, frage ich den Älteren, in der Hoffnung, damit das Eis brechen zu können, doch er zuckt nur mit den Schultern.
Meine Stimme bleibt leise: „Siehst müde aus. Nicht gut geschlafen?“
Er schüttelt kurz mit dem Kopf.
„Weil du Angst im Dunkeln hattest? Oder …?“
Keine Reaktion.
„War Stimmung?“
Seine Augen wandern schnell zur Seite.
„Was für ein Tag ist heute? Sonnabend?“
„Sonntag.“
„Ah. Ist dein Bruder nachts besoffen von der Disko heim und Vater war noch munter, auch besoffen?“
„Mhmh.“
„Okay, und dann war Stimmung … Du durftest alles vom Bett aus mit ansehen …“
Er nickt, kaum sichtbar.
„Wie alt bist du?“
„Elf.“
Ich merke, wie Stress in mir aufsteigt: „Welchen Monat haben wir?“
Er schaut ungläubig: „August?!“
„Also August ´84?“
„Ja“ – seine Stirn bleibt in Falten.
Der Stress in mir nimmt weiter zu, mein Körper fühlt sich an, als würde immer mehr Strom durch ihn fließen: „Vater und dein Bruder sind sich angegangen im Kinderzimmer, Mutti hat dich aus dem Bett geholt, dann habt ihr im Korridor gestanden, Vater hat versucht, Mutti einen leeren Wassereimer über den Kopf zu stülpen, dann ist sie mit dir raus aus der Wohnung und runter vors Haus mit dir?“
Er nickt, kaum sichtbar.
„Und dann standet ihr da im Dunkeln, sie wusste nicht, wohin, ob in den Garten da drüben, aber da hättet ihr auf der Bank übernachten müssen, weil es keine Laube gibt?“
Wieder nickt er.
„Dann kam Vater raus, hat euch klargemacht, wieder reinzukommen, damit niemand was mitbekommt?“
„Ja.“
„Und niemand kam zu Hilfe …“
„Ja.“
„Wie gehts dir?“
Er zuckt kurz mit den Schultern, als wäre fast nichts passiert.
„Du hast nicht geheult, richtig?“
„Nein.“
„Weil es ähnlich schon paar Mal so vorher war?“
„Ja.“
„Es ist irgendwie normal, oder? Du kennst es nicht anders?“
„Ja.“
„Aber die letzte Nacht war nochmal schlimmer?“
Er zuckt mit den Schultern.
„Und keinen interessiert, wie es dir geht … Weil ja niemand weiß, was passiert ist. Also musst du deine Gefühle wieder mit dir selbst ausmachen. Oder sie wegdrücken.“
Er schweigt.
„Und nach den Ferien gehst du wieder in die Schule und bist das Mamasöhnchen und der Streber …“
Stille.
„Im November fährst du fünf Wochen in die Pionierrepublik am Werbellinsee bei Berlin und du wirst nicht verstehen, warum die anderen wieder nach Hause wollen. Dich zieht nichts in diese Wohnung.“
In seinem Gesicht stehen Fragezeichen, aber auch der Ausdruck des Verstandenwerdens.
„Du solltest nachts schlafen können und nicht auf der Straße stehen müssen. Kein Kind sollte das. Dass das eigentlich Wahnsinn ist und alles andere als normal, wirst du erst spät in deinem Leben sehen. Bis dahin wirst du immer wieder allein im Dunkeln stehen, ohne dass dir jemand zu Hilfe kommt. Und immer wieder wird deine Geschichte nicht zählen. Das, was du letzte Nacht erlebt hast, wird sich wiederholen. Nicht auf diese Weise, aber das Muster. Und immer wieder musst du das, was du fühlst, mit dir selbst ausmachen, bis es eines Tages zu viel wird. Dann beginnt dein Körper zu leiden, weil der Kopf es nicht mehr schafft.“
Eine Träne setzt sich auf der Wange des Jungen in Bewegung, genau wie auf meiner.
„In paar Tagen werdet ihr in den Urlaub fahren, Mutti fährt aber nur mit dir und deinem Bruder. Und sie wird sich scheiden lassen wollen wegen der letzten Nacht und allem, was davor war.“
Keine erkennbare Reaktion.
„Vater wird aber erst in 5 Jahren ausziehen, weil sich das mit der Scheidung hinziehen wird, ER sie einreichen muss, weil in seiner Welt nur Männer so was dürfen und weil es nicht so schnell eine Wohnung für ihn geben wird.“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich einen Hauch von Resignation bei dem Jungen erkenne.
„Ich weiß, lange Zeit … Kein Plan, wie ich dir helfen kann. Diese Nacht wird dir immer in Erinnerung bleiben, auch deiner Mutti. Sie wird immer bereuen, nicht auch deinen Bruder mit raus aus der Wohnung genommen zu haben. Aber das hätte auch nichts geändert … Diese Nacht hätte einfach niemals passieren dürfen, genau wie die anderen Nächte. Dein Bett ist nicht der Ort, wo du zur Ruhe kommen kannst, so wie es eigentlich sein sollte. Schon deine Angst im Dunkeln, die dir niemand nimmt, weil keiner davon weiß und sich keiner darum kümmert … Und dann wird das Bett regelmäßig zum Sitzplatz für dieses Theater … Hattest du letzte Nacht Angst, also als es so … wurde?“
„… Ich weiß nicht.“
„Irgendwie glaub ich dir das. Aber bei so vielen Ängsten, die du hast, wäre es eigentlich klar. Du magst eh nicht das Laute …“
Stille.
„Scheiß Situation … Spätestens mit dieser Nacht fängt es wohl an, dass wir Wut, Trauer, Hilflosigkeit, Ungerechtigkeitsempfinden wegdrücken müssen. Gegen Vater kommst du nicht an, da müsste deine Wut schon auf Amoklauf-Niveau sein. Ach, du weißt nicht, was Amokläufe sind, oder? Die Welt ist in der Richtung noch etwas heil, auch wenn sie alles andere als gesund ist. Ich will dich da auch nicht auf dumme Ideen bringen. Auf jeden Fall kommst du im Moment nicht gegen Vater an, erst in ein paar Jahren wirst du ihm ab und zu Kontra geben und nicht mehr komplett alles schlucken. Mutti ist viel zu sehr damit beschäftigt, die Wogen zwischen den anderen glätten zu wollen: zwischen Vater und deinem Bruder, zwischen Vater und seinen Schwiegereltern. Eigentlich wollte sie vor Vater verheimlichen, dass dein Bruder aus dem Wohnheim seiner Lehrstelle fliegen könnte, weil er zu einer vom Personal mehrmals pampig wurde. Vater hat es aber zwangsläufig erfahren und wollte mit deinem Bruder in der letzten Nacht darüber diskutieren – funktioniert ja nur, wenn er besoffen ist. Dass dieses Verheimlichen immer wieder nichts bringt, wird dich übrigens zu einem Menschen machen, der brachial ehrlich ist. Das mag super klingen, aber ab und zu solltest du es lassen, weil du dir damit schaden wirst. Du selbst gibst dir heute schon größte Mühe, nirgends Ärger zu machen, damit es nicht noch mehr Theater gibt und deine Mum zu leiden hat. Und obwohl du eigentlich alles richtig machst, bekommst du so viel ab … Und während die anderen untereinander mit sich beschäftigt sind, stehst du allein da mit deinen Gefühlen, Bedürfnissen. Du wirst irgendwann sagen, dass du nebenbei großgeworden bist, weil deine Familie für dich gar keinen Blick hatte, weil sie eben so mit sich beschäftigt ist.“
Er schaut mich an, wieder ohne wirkliche Regung.
„Die Flucht auf die einsame Insel klappt auch nicht, richtig?“
Ein fragender Blick.
Ich schmunzle: „Ich meine Michaela. Du bist doch schon jetzt in sie verliebt, oder?“
Zum ersten Mal weichen sich die Gesichtszüge des Jungen auf: „Ähm, naja.“
„Ah, doch schon so früh. Ich wusste es nicht mehr. Mit Ende 10 verliebt man sich 1984 eher selten. Du fängst jetzt die fünfte Klasse an und sie kommt in die dritte, klingt verdammt früh. Und im November am Werbellinsee lernst du Daniela kennen und wirst hin und weg von ihr sein.“
Seine Augen werden groß.
„Japp. Sie wird abends mit anderen Mädels auf ihrem Zimmer versuchen, Beulen am Kopf zu bekommen, damit sie wieder heim können und du wirst inständig hoffen, dass sie bleibt. Eigentlich dürfen die Jungs abends nicht hoch zu den Mädchen, aber du machst es natürlich und sie verstecken dich im Schrank, du Casanova.“
Die Augen werden nicht kleiner.
„Ja, stille Wasser können manchmal ziemlich tief sein. Du bekommst Post von Michaela – so jung und stehst zwischen zwei Frauen …“
Er grinst.
„Sie sind deine Hoffnung darauf, auch mal was Schönes erleben zu können, oder? Deshalb verliebst du dich so früh? Nicht wenige Erwachsene flüchten ans Meer, um die Welt um sich herum vergessen zu können. Dir reicht es, in ihre Augen zu schauen. Und zu hoffen, dass die Sonne aufgeht.“
„Und …“
„Du willst wissen, wie es weitergeht mit den beiden?“
„Naja … Ja.“
Ich verziehe mein Gesicht: „Wirklich?“
Die Schultern des Jungen fallen wieder nach unten: „Hmmm.“
Ich überlege. „Also … Ich weiß, wie sehr du an ihnen hängen wirst, wie groß deine Hoffnungen sein werden und wie … naja, enttäuscht du sein wirst. Sie werden nicht deine rettenden Inseln. Sie sind nicht der kleine oder größere Tupfen Leichtigkeit zur sonstigen Schwere. Am Ende werden sie alles nur noch ein bisschen schwerer machen. Wegen Michaela wirst du dein erstes, kleines Buch schreiben, in glaube vier Jahren. Du wirst dabei hoffen, sie doch noch von dir überzeugen zu können, weil du glaubst, dass Liebe etwas mit inneren Werten zu tun hat, also dass du ein guter Mensch sein musst, damit sich jemand in dich verlieben kann. Michaela wird aber bei einem landen, der einen Laden überfallen wird. Du wirst vorher denken, dass sie schon sehen wird, was sie an dir gehabt hätte und der Überfall wird dir gefühlt Recht geben – aber sie wird es trotzdem nie bedauern. Ist wohl zu früh, dir das jetzt genauer erklären zu wollen, auch wenn du ein helles Köpfchen bist. Schreib trotzdem das Büchlein, wenn dir danach ist. Das Schreiben wird dir helfen, mit deinen Gefühlen umzugehen, sie wenigstens auf Papier rauslassen zu können. Das ist nicht ideal, aber besser, als dass du noch mehr runterschluckst. Das Büchlein wirst du „M.“ nennen und du wirst dich in deinem Leben noch in mindestens … vier Frauen verlieben, deren Name mit M beginnt.“
„VIER?!“
„Ja, und auch noch hintereinander. Du wirst dich manchmal selbst wundern, was es so für Zufälle gibt.“
„Und …?!“
„Hmm, es wird fast jedes Mal so sein wie mit deiner ersten M. Nur mit einer M wirst du für zwei Monate die Leichtigkeit des Lebens kennenlernen dürfen, wobei … Ach, wundere dich einfach nicht, wenn sie anfängt, dich zu verletzen. Lies dann ihre alten Mails – das sind Briefe, nur nicht auf Papier, sondern …, ach lass dich überraschen. Wenn du liest, was sie mal über sich selbst geschrieben hatte, wirst du verstehen, warum sie sich plötzlich so verwandelt und dich verletzt. Merk dir mal bipolare Störung, das wird dich öfters verfolgen. Dann kannst du diese M schnell abhaken und die schönen Erinnerungen bleiben trotzdem.“
Jetzt arbeitet es deutlich in dem Jungen.
„Kipp mir nicht aus den Latschen. Ich würde dir ja gern mit auf den Weg geben, dass du dich in keine M verlieben solltest, weil es nichts bringt. Aber du wirst es trotzdem, wenn alles so läuft, wie es bei mir gelaufen ist. Liebe ist keine Entscheidung der Vernunft, die man ein- und ausschalten kann. Hmm, sollte ich mit einem Elfjährigen echt darüber reden? Ich würde dich einfach gern beschützen wollen. Du hast jetzt schon ganz andere Narben, vor denen ich dich noch viel lieber beschützt hätte. Dein Selbstbewusstsein ist ziemlich bei Null, obwohl du voriges Jahr bei der Kreis-Matheolympiade Dritter warst, immer zu den Klassenbesten gehörst oder der Beste bist, seit einem Jahr Gitarre spielst und als einer von fünfen aus dem Kreis in diesem Jahr an diesen Werbellinsee fahren wirst. Eigentlich solltest du nicht mit gesenktem Blick durch die Gegend laufen müssen. Aber von Vater gibts nur Kopfnüsse, wenn du einen Fehler gemacht hast. Oder hast du in den Ohren, dass er mal gesagt hat: Junge, ich bin echt stolz auf dich?“
Er grinst.
Auch ich lächle, wobei es mir im nächsten Moment einfriert: „Schon schräg: Du erwartest das nicht mal, weil du ihn kennst … Du wirst später Menschen begegnen, die mit 30, 40, 50, 60 noch immer darauf hoffen, von Vater oder Mutter ein Ich bin echt stolz auf dich zu hören und sie werden es nie bekommen. Aber der Mann, der da in unserer Wohnung mit uns lebt, erweckt ja nicht mal den Hauch des Anscheins, dass er unser Vater ist, oder?“
Der Junge schaut mich nachdenklich an.
„Mach dir keinen Kopf darüber. Es wird viel Zeit vergehen, bis dir das klar wird. Du wirst ganz glücklich damit sein, dass du den Mann da so siehst, weil du eben nicht wie viele andere diesem ewigen Traum hinterherhängen musst, wenigstens ein kleines Zeichen von Anerkennung oder gar Zuneigung von ihm zu bekommen. Allerdings … Du wirst das alles fast schon stolz einer Psychologin so erzählen, also dass du den Mann da gar nicht als Vater empfunden hast, weil er immer auf Abstand zu dir blieb, außer wenn er dir eine Kopfnuss geben wollte oder du ihm die Hand morgens und vor dem Bettgang schütteln musstest. Du wirst keine einzige Umarmung, kein Händchenhalten, kein Streicheln, kein „Wie gehts dir? Alles gut?“ von ihm in Erinnerung haben. Er hat dich in die Welt gesetzt, er bringt das Geld nach Hause und damit ist sein Job erledigt. Um die Bedürfnisse seiner Kinder hat sich Mutti zu kümmern, auch wenn ja alle Weiber eigentlich dämlich sind in seiner unendlichen Weisheit.“
„Selbst zu dumm, um Tütensuppe zu kochen …“
„Ah, die Szene gabs also schon. Keine Angst, du wirst Frauen später nicht so behandeln. Du schlägst eigentlich ins Gegenteil aus, willst ihnen auf Augenhöhe begegnen, sie nicht bevormunden, nicht befehlen, nicht verletzen, sie annehmen, wie sie sind. Das wird dich zu einem angenehmen Mitmenschen für Frauen machen, aber … Ach, lieber nicht. Weißt du, dass du doch irgendwann den Satz Ich bin stolz auf dich hören wirst?“
Der Junge schaut verdutzt.
„Ja! Natürlich nicht von Vater, sondern von einem Mann, der dich kaum kennt, wenn du fast 50 bist. Wird ein Gartennachbar sein. Er wird sehen, wie du dich um Mutti kümmerst und wie du dich sonst so verhältst. Und der wird sagen, dass er stolz auf dich ist. Du wirst dich überrascht bedanken und dich später fragen, wie jemand auf etwas stolz sein kann, was er gar nicht … gebaut, geschaffen, wie auch immer hat. Aber du verstehst schon, was er meint.
Und paar Monate später wirst du in einer Klinik landen, weil du kaum noch laufen kannst und niemand dir bis dahin sagen kann, warum. Wäre jetzt eine zu lange Geschichte, wieso du so kaputtgehst. Jedenfalls wirst du dort 8 Wochen sein und wenn du die Klinik verlässt, werden dir zwei deutlich jüngere Frauen lange in den Armen liegen und dir Sachen über dich sagen, die du vorher nie gehört hast. Und eine Frau um die 60 wird einen Mann um die 60 andächtig fragen, ob er schon mal einem Menschen wie dir begegnet ist. Er wird überlegen und leise „Nein“ sagen. Und eine andere Frau um die 30 wird sagen: „Der Thorben ist einmalig, den gibt es nicht noch einmal so.“ Dann fährst du mit der Straßenbahn zum Bahnhof und deine Sonnenbrille wird ein paar Tränen verdecken, weil du immer wieder dran denken musst, was sie gesagt haben – dabei bist du einfach nur die ganze Zeit DU gewesen. Vielleicht kannst du ja jetzt schon ein bisschen stolz auf dich sein. Ich weiß aus vielen Geschichten: Eigentlich braucht jedes Kind von Mutter UND Vater die ehrliche Anerkennung, damit Selbstbewusstsein wachsen kann. Wenn Mutti ab heute Vater dazu nötigen würde, dir Anerkennung zu geben – es würde nichts nutzen, weil du das Schauspiel durchschauen würdest. Das muss schon ehrlich sein.
In dieser Klinik wirst du auch zum ersten Mal erleben, dass Menschen an dem, was heute passiert ist, Anteil nehmen. Deiner Psychologin wirst du von der Nacht erzählen, auch wie Vater sonst war. Wenn ihr euch eine Woche später wied