#verrückt – Seit Robert Enke: Nichts dazugelernt

Auszug aus dem Buch: “Verrückt – ein Aufschrei. Warum es keine Spaltung der Gesellschaft gibt und weshalb wir uns dringend um diese kümmern müssen.”


Im Folgenden geht es nicht um Fußball, auch wenn es den Anschein machen dürfte, sondern um Menschen, die zufällig Fußball spielen bzw. gespielt haben und wie man mit ihnen nach wie vor umgeht. Mich würde es deshalb freuen, wenn auch Nicht-Fans am Ball bleiben. (Allein dieses Wortspiel macht doch Appetit auf mehr, oder? :))

Nach dem Suizid von Fußball-Torwart Robert Enke 2009 war die Betroffenheit groß: „Wer konnte das denn ahnen …“ – die wohl häufigste Reaktion nach Selbsttötungen. Viel wurde diskutiert über Druck und seelische Belastung im Profisport.

2019 sieht Jörg Schmadtke, einst Sportdirektor bei Enkes Verein Hannover 96, im Gespräch mit der Welt am Sonntag kaum Veränderungen: „Nicht bei den Medien, nicht bei den Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Der Druck ist nach wie vor groß … Ich habe keine großen Veränderungen im Fußballgeschäft feststellen können. Aber auch nicht in der Gesellschaft an sich. … Es geht immer höher, immer weiter. Man müsse auch mal sagen können: Bis hierher ist es gut. Das reicht.“(Quelle)

Enkes damaliger Psychiater Valentin Markser zog im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland eine ebenso ernüchternde Bilanz: „Das System ist leider noch auf dem Stand von 2009. Es scheint so, als ob es eine unheilvolle Allianz im Leistungssport gibt, die den dringend benötigten Aufbruch zur besseren Behandlung von seelischen Krankheiten verhindert.“(Quelle) Seiner Ansicht nach fürchten die Vereine um das Image ihres Produktes. Sportler und Trainer wollen nicht über ihre Schwächen reden, denn sie sind im fast ständigen Wettkampfmodus. Und die Fans wollen keinen Versager als Idol. Ihnen allen, also Vereinsverantwortlichen, Sportlern, Trainern und Fans, ist eines gemeinsam: Sie wollen von dem Thema wenig wissen.

Im Sommer 2020 beendete André Schürrle seine Karriere im Profifußball mit nur 29 Jahren. Höhepunkt seiner Laufbahn war der WM-Titel 2014 in Brasilien. Dem „Spiegel“ erklärte er, dass die Entscheidung für den Abschied lange gereift sei. Oft sei er einsam gewesen, gerade „wenn die Tiefen immer tiefer wurden und die Höhepunkte immer weniger“. Die Branche habe ihm nicht gestattet zu zeigen, wie es tatsächlich in ihm aussah: „Man muss ja immer eine gewisse Rolle spielen, um in dem Business zu überleben, sonst verlierst du deinen Job und bekommst auch keinen neuen mehr.“(Quelle) Die Berichte in den Medien trafen ihn teils enorm hart: „Entweder ist man Depp oder Held. Dazwischen gibt es nichts.“(Quelle)


Alexander Nübel

Wie polarisierend (einige) Journalisten einschließlich Kommentatoren von Sportübertragungen Jahre nach dem Tod von Robert Enke mit den Helden umgehen und sie zu Deppen machen, zeigte sich u.a. an Alexander Nübel im März 2020. Er stand bis dahin bei Schalke 04 im Tor, bis er zu „Nübel ganz übel“(Quelle) wurde und Platz machen musste für die Nummer 2 des Vereins. Als Fliegenfänger kann man ihn eigentlich nicht bezeichnen, er stand mehrfach im Tor der deutschen Nachwuchs-Nationalmannschaft.

Ich hatte mir die Sportschau des 23. Spieltages angesehen. Schalke lag nach 50 Sekunden gegen Leipzig 0:1 zurück. Der Ball wurde aus ca. 25 Metern Entfernung geschossen, flog zunächst nach rechts, drehte dann nach links.

Der Kommentator sprach von einem Torwartfehler. Auch bei der Zusammenfassung der Sport-Bild, zu sehen bei YouTube, heißt es vom Reporter: „Zugegeben: Der (Ball – d. Red.) blitzt kurz links und geht dann nach rechts – HALTEN muss er den allemal. Schon in der ersten Minute Nübel psychisch hart angeknockt.

Muss er den halten? Klar, der bekommt schließlich Millionen und macht den ganzen Tag nichts anderes außer Bälle fangen!

Ich habe nie in einem Tor gestanden, deshalb kann ich mit dem Wissen von Kommentatoren, die das beruflich machen, nicht mithalten. Mir bleibt nur die Möglichkeit, mein Mathematiker-Gehirn zu aktivieren – und meinen Verstand. Laut dem Sport-Bild-Video hatte der Ball eine Geschwindigkeit von 95 km/h. Für die 25 Meter bis ins Tor brauchte er damit knapp eine Sekunde. An welchem Punkt der Ball seine Flugbahn von rechts auf links genau veränderte, kann ich nur schätzen. Gehen wir von der Hälfte der Strecke aus, dann bleibt dem Torwart, der sich nach rechts bewegte, noch eine halbe Sekunde, um anders zu reagieren.

Dummerweise blinken heutige Bälle noch nicht rot auf ab dem Moment, an dem sich die Bahn verändert. Klar weiß man nach dem Einschlag ins Tor, dass die Murmel geeiert ist. Aber hinterher ist man immer schlauer – Fußball lebt von Klischee-Sätzen. Selbst wenn der Ball bei 12 m blutrot aufgeleuchtet und dazu ein ohrenbetäubendes Signal abgesetzt hätte, wären dem Torwart noch 0,5 Sekunden geblieben als Reaktionszeit. Das Leuchtsignal hätte vom Gehirn registriert werden und der Arm von Nübel sich in die andere Richtung bewegen müssen. Boxer schlagen mit 10 bis 16 Metern pro Sekunde zu(Quelle). Also könnte ein boxender Torwart in einer halben Sekunde mit seinen Händen problemlos 5 bis 8 Meter überwinden bei entsprechender Armlänge. An der Geschwindigkeit des Arms würde es also nicht scheitern. Das Problem bleibt eben der Ball, der nicht sagt: „Übrigens: Ich fliege ab sofort in die andere Richtung.“ Dass er das macht, erfährt der Torwart deshalb erst auf den allerletzten Metern. Aus der Reaktionszeit von 0,5 Sekunden werden 0,4, 0,3, 0,2, 0,1. Ja, HALTEN muss er den allemal. Überhaupt kein Problem.

Am darauffolgenden Spieltag gegen Köln lag Schalke 0:2 zurück, als Nübel der Ball durch Finger und Beine rutschte – 0:3. Der Sport-Bild-Reporter sprach vom vierten dicken Patzer Nübels in dieser Saison, die inzwischen 24 Spieltage alt war. Unerwähnt blieb dabei die Zahl, wie oft er unglaublich gut reagiert hatte. Schalke-Fans riefen: „Nübel raus!“(Quelle) Der 23-Jährige verließ mit Tränen in den Augen den Platz. 23 – um dieses Alter herum findet man viele Menschen in der Psychiatrie, weil sie kaputtgemacht wurden, auch durch Leistungsdruck und Mobbing.

Ob nur seine „Patzer“ der Grund für den Zorn war oder ob (auch) sein geplanter Wechsel zum verhassten FC Bayern München das Ego der Fans verletzte, wissen nur diese. Sein Trainer David Wagner kündigte einige Tage nach dem Spiel an, dass Nübel als Stammtorwart ersetzt wird, wohl durchgehend bis Saisonende. Begründet wurde dies nicht mit: „Ich muss den Jungen jetzt erst mal aus der Schusslinie nehmen, das hält so ein junger Kerl nicht ewig aus“, sondern mit seinen Leistungen.(Quelle)

Ja, so kann man Menschen kaputtmachen. Dann werden eines Tages wieder Tränen vergossen, schwarze Binden um Trikotärmel gelegt, Betroffenheit erklärt, von „Da muss sich etwas verändern“ gefaselt und einige Zeit später beginnt das Spiel von vorn: „Du MUSST den halten!“ Ja, du musst nur. Scheiß auf die Gesetze der Physik und menschliche Reaktionszeiten.


Bist du Torwart? Dann würde mich Deine Meinung interessieren, ob ich hier Quatsch geschrieben habe oder nicht. Aber auch wenn Du aus anderer Sichtweise zum Thema etwas sagen kannst, bin ich neugierig.

Der Artikel ist eine Auskopplung aus meinem Buch:

In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

#MeineStimmeGegenIgnoranz

#MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du “nur” Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

Leseproben aus den Büchern und neue Ideen im Entstehen bringt Dir hin und wieder die digitale Brieftaube.

Datenschutzerklärung

Noch viel mehr Lesestoff zum Buch “Verrückt – ein Aufschrei” findest Du hier:

Mach, was Meggie macht.

Mach, was Meggie macht.

“Da war nichts.” Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.

Sei fleißig, dann stirbst du.

Sei fleißig, dann stirbst du.

“Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.” Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.

Herr Doktor tötet seine Kinder

Herr Doktor tötet seine Kinder

Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.

Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.

Woher kommt Hass?

Woher kommt Hass?

Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere “Special Effects” entwickeln.

Wie entsteht Sucht?

Wie entsteht Sucht?

Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.

Verrückt – Das Interview

Verrückt – Das Interview

Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.

#verrückt: Von Opfern und Tätern

#verrückt: Von Opfern und Tätern

Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?

Die Familie – Erfahre mehr über uns.

Du brauchst ein offenes Ohr?

Jeder Mensch hat zwei Ohren. Nur was wir damit anfangen, ist recht unterschiedlich. Umso erleichternder ist es in Krisenzeiten, wenn du jemanden findest, der zuhören kann. In den letzten Jahren lernte ich, dass dies wohl meine Superkraft ist. Diese biete ich Dir hier an.

#metoo (1) 2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) abschied (1) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (9) Ballast (2) beziehung (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) Bundestagswahl 2021 (1) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) Erfolgsrezept (1) freiheit (2) gefühle (9) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) interview (1) Journalismus (4) kampagnen (1) kinderwunsch (1) Kindheit (3) Krankenhäuser sind Hurenhäuser (1) liebe (2) manie (3) meinestimmegegenignoranz (18) Mel Gibson (1) Mutterliebe (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (10) selbstverletzung (2) Spaltung der Gesellschaft (1) Sucht (1) tot (3) Vater & Sohn (2) Vernunft (1) verrückt (20) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) wird nicht besser (3)

Von Thorben Sonnestrant

Zuhörer, Aufschreiber, Bildermacher