Autor: Thorben Sonnestrant

  • Meine Kinder (3 und 11)

    Meine Kinder (3 und 11)

    Mein Kind, 3 Jahre

    „Na, Kleiner, wie gehts dir?“

    Das Kind guckt mich neugierig an: „Wer bist du?“

    „Das würdest du mir nicht glauben. Verrätst du mir, wie alt du bist?“

    „Drei.“

    „Und dein Name?“

    „Thorben. Und deiner?“

    „Ich heiße auch Thorben.“

    Das Kind staunt still, zeigt dann die Straße entlang bergab: „Da fahren Züge!“

    „Ich weiß. Siehst du gern Züge fahren?“

    „Ja, die Dampfloks!“

    „Die machen viel Rauch. Aber die sind auch laut, oder?“

    „Ja, das mag ich nicht.“

    „Ich weiß. Wir können ja hier warten, bis wieder ein Zug kommt. Oder wollen wir näher ran?“

    Das Kind schaut mich an.

    „Wenn du möchtest, nehm ich dich an die Hand und wenn es dir zu laut wird, halten wir dir die Ohren zu.“

    „Aber nur ein Stück, ja?“

    „Na klar.“

    „Mein Papa macht das nicht.“

    „Ich weiß.“

    „Kennst du den?“

    „Ja.“

    „Wohnst du hier?“

    „Ja, früher schon, als ich so alt war wie du und seit fast 20 Jahren auch wieder.“

    „Kennst du meine Mutti auch?“

    „Ja.“

    Der Kleine grinst überrascht, ich lächle zurück.

    „Da kommt ein Auto, wir gehen an den Rand. Weißt du, was das für eins ist?“

    Der Kleine schüttelt den Kopf.

    „Das ist ein Trabant. Und dort drüben … Wenn ich es richtig lesen kann, ist das ein Moskwitsch.“

    Der Junge lacht.

    „Komisches Wort, oder? Mooooskwiiitsch.“

    „Moooskiiiitschhhh. Mein Papa hat auch ein Auto.“

    „Weißt du, was für eins?“

    „Ein grünes, aber so komisch.“

    „Tschitscheringrün.“

    Wieder lacht der Kleine.

    Ich grinse zurück: „Ich weiß, aber die Farbe heißt wirklich so. Das ist ein EMW, den hat nicht jeder. Dein Opa hat auch so einen, oder?“

    „Ja, der ist aber schwarz.“

    „Hey, guck, die Schranken gehen runter. Siehst du dort oben in dem kleinen Haus den Mann? Der kurbelt sie runter und wenn der Zug durchgefahren ist, dann kurbelt er sie wieder hoch. Jetzt müssen wir glaube zehn Minuten warten, wenn ich es noch richtig weiß.“

    „Sooo lange?“

    Ich grinse: „Ja. Wir können ja nochmal die Straße hoch und runter laufen, wenn du willst.“

    „Oder rennen! Mal sehn, wer schneller ist.“

    „Rennen?! So hab ich dich nicht in Erinnerung. Aber fall nicht … Ach, renn einfach.“

    „Bis da hoch!“

    „Und du bist wirklich Thorben?!“

    Lachend spurtet der Zwerg vor mir her.

    Auf halber Strecke bleibt der Lockenkopf in seinem dunkelblauen Anorak stehen, dreht sich zu mir um, das Gesicht zeigt sich unbeschwert. Alles ist genau wie auf einem Bild aus meinem Fotoalbum. Mit 40 hatte ich es durchgeblättert und blieb an diesem Bild hängen. „Wo ist das Lachen hin?“, hatte ich mich gefragt. Schon bei dieser Frage war ich den Tränen nahe. „Wenn du wüsstest, wie die nächsten Jahre so werden“, hatte ich meinem jungen Ich in Gedanken zugeflüstert. Ich hatte mich nie depressiv gefühlt, aber als ich das Lachen dieses kleinen Jungen sah, fiel es mir schwer, ihn und mich zusammenzubringen. Ich fühlte Mitleid mit diesem Jungen, weil ich seine Zukunft kannte. Er würde in den nächsten Jahren sein so unbeschwertes Lachen verlieren. Es war, als hätte ich ihn vor seiner Zukunft warnen und beschützen wollen, war aber komplett hilflos, da seine Geschichte schon längst geschrieben war. Es waren noch viele andere Bilder in meinem Fotoalbum aus der Kindheit, aber nur dieses eine hatte diese Wirkung auf mich.

    Der Junge rennt weiter, ich gebe mich geschlagen. Als ich ihn erreiche, fragt er mich, warum ich weine.

    „Ach, nichts.“ Und in der nächsten Sekunde höre ich die Stimme in meinem Kopf: „Ah ja, du drückst also wieder Gefühle weg, die dann deinen Körper zerfressen. Schönes Vorbild.“ Aber soll ich diesem Kind erzählen, was alles passieren wird, ohne es vor all dem beschützen zu können?

    „Kommt der Zug gleich?“

    Ich wische meine Wangen trocken und biete dem Jungen meine Hand an: „Wir gehen einfach wieder zu den Schranken, die Dampflok hören wir ja schon von weitem.“

    Seine kleine Hand greift zögernd nach meiner: „Papa macht das nicht.“

    „Ich weiß. Aber du magst das auch nicht so sehr, oder?“

    Er schaut mich ratlos an.

    Ich grinse: „Na alles weiß ich auch nicht mehr über dich. Deine Mama sagt, dass du kein Kuschelkind bist. Aber vielleicht fängt das erst später an, dass du dir Küsse schnell von der Wange wischst und so.“

    Sein Blick bleibt fragend.

    „Okay, da kommen wir nicht weiter, kein Problem. Wobei mich schon interessieren würde, wann das angefangen hat und warum. Ob es Kinder gibt, die von Natur aus so distanziert zu ihren Eltern sind. Oder ob das was mit Vater zu tun hat, weil er dich so gut wie nie auf den Arm getragen hat, dich heute nicht in die Arme nimmt, streichelt usw. Ob es was damit zu tun hat, dass du nicht zu heulen hast. Oder darfst du weinen? Sagt der Papa dann was?“

    Der Junge legt die Stirn in Falten und bleibt still.

    „Sagt er nicht: Hier wird nicht geheult? Oder kommt das erst später?“

    Die Antwort bleibt offen.

    Wir stehen schweigend abseits der Schranke, von weitem ist der Zug zu hören. Der Junge lässt meine Hand los, hebt die Hände langsam hoch, Richtung Ohren. In der ersten Silvesternacht seines Lebens bekam er hohes Fieber durch die Knallerei draußen. Laute Geräusche wird er auch später als Erwachsener möglichst meiden. Bei nahen Gewittern wird er sich die Ohren zuhalten. Die lauten Geräusche, die er als Kind in den nächsten Jahren in der Wohnung hören wird ohne Feuerwerk und Donner, wird er nicht durch zugehaltene Ohren ausblenden können. Und er wird sich alleingelassen fühlen mit all seinen Ängsten. Sein Vater wird ihm nicht die Ohren zuhalten, ihn behutsam an etwas heranführen, was dem Kleinen unheimlich erscheint.

    Der Zug rauscht vorbei. Die wuchtigen Stöße des Dampfkessels lassen die Luft vibrieren und ergreifen die Körper. Ich lege meinen Arm um den Jungen, der die Hände auf die Ohren presst. Seine Augen sind groß und lassen nicht erkennen, ob es Angst ist oder Neugier – und ob Stolz in ihm aufkommt, sich so nah herangetraut zu haben.

    Die ersten drei Lebensjahre eines Kindes sind die wichtigsten. Wir kommen völlig hilflos auf die Welt und sind völlig abhängig von unseren Eltern. Sie müssen unsere sämtlichen Bedürfnisse erkennen und erfüllen. Wir können nicht über die Wiese laufen und uns ein paar Grashalme abpflücken, wenn wir Hunger haben. Wir können uns kein Fell wachsen lassen, dank dem wir nicht frieren. Wir können nicht sagen, was uns weh tut, was wir gerade brauchen, was uns quer liegt. In den Momenten können wir nur losheulen. Ignorieren unsere Eltern diese Hilferufe, weil es sie einfach nicht interessiert oder sie es nervt, beginnt das Lernen: Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig. Wenn ich es kann, muss ich mich selbst darum kümmern. Wenn ich es nicht kann, bleiben sie unerfüllt, ob das Bedürfnis nach Fürsorge, Wärme, Zuneigung oder Anerkennung. Und nimmt dir niemand die Angst, bleibt sie dein treuer Begleiter.

    „Na, alles gut?“

    Der Zug steht am Bahnhof, weit genug entfernt, so dass der Junge seine Hände von den Ohren nehmen und mit dem Kopf nicken kann. Sein Gesicht sagt: Er ist glücklich.

    Mein Kind – 11 Jahre

    „Guck mal, da kommt jemand.“

    Ich drehe mich um, sehe einen Jungen mit glatten Haaren und Brille. Er läuft langsam, der Blick nach unten. Nur flüchtig sieht er zu uns auf, will die Straßenseite wechseln. Langsam gehe ich auf ihn zu, setze mein vertrauenerweckendstes Gesicht auf. Wieder versucht er, mir auszuweichen, also spreche ich ihn mit leiser Stimme an: „Du bist Thorben, nicht wahr?“

    Er schaut mich an, seine Mimik verrät nichts, außer Unsicherheit. Ich gehe weiterhin langsam auf ihn zu: „Du kennst mich nicht, aber ich kenne dich und den kleinen Mann hier kennen wir beide.“

    Die Sonne kommt raus, die Temperatur klettert spürbar. An den Straßenrändern stellen sich die Grashalme auf, atmen ein sattes Grün ein, während Blumen zwischen den Halmen ihre Blüten nach oben recken. Die kahlen Bäume ziehen sich grüne Blätter im Übermaß an. Der Kleine fragt, ob er seinen Anorak ausziehen darf, ich helfe ihm. Als ein Marienkäfer auf seinem Arm landet, reagiert er ängstlich. Ich lege meinen Finger neben das Insekt, bis es auf ihn krabbelt: „Brauchst keine Angst zu haben. Marienkäfer können nicht wie Bienen stechen, es kitzelt nur, wenn sie auf dir laufen.“

    Argwöhnisch schaut der Kleine, wie der Käfer weiter auf meine Hand wandert.

    „Ängste …“, sage ich mit leiser Stimme zu dem älteren Jungen, der sich auch jetzt nichts anmerken lässt. Auch nicht, als ich murmele: „… kennen wir, was?“

    Er bleibt still, seine Augen verfolgen den Kleinen, der ein Stück abseits herumläuft und die Blumen betrachtet.

    „Wie gehts dir?“, frage ich den Älteren, in der Hoffnung, damit das Eis brechen zu können, doch er zuckt nur mit den Schultern.

    Meine Stimme bleibt leise: „Siehst müde aus. Nicht gut geschlafen?“

    Er schüttelt kurz mit dem Kopf.

    „Weil du Angst im Dunkeln hattest? Oder …?“

    Keine Reaktion.

    „War Stimmung?“

    Seine Augen wandern schnell zur Seite.

    „Was für ein Tag ist heute? Sonnabend?“

    „Sonntag.“

    „Ah. Ist dein Bruder nachts besoffen von der Disko heim und Vater war noch munter, auch besoffen?“

    „Mhmh.“

    „Okay, und dann war Stimmung … Du durftest alles vom Bett aus mit ansehen …“

    Er nickt, kaum sichtbar.

    „Wie alt bist du?“

    „Elf.“

    Ich merke, wie Stress in mir aufsteigt: „Welchen Monat haben wir?“

    Er schaut ungläubig: „August?!“

    „Also August ´84?“

    „Ja“ – seine Stirn bleibt in Falten.

    Der Stress in mir nimmt weiter zu, mein Körper fühlt sich an, als würde immer mehr Strom durch ihn fließen: „Vater und dein Bruder sind sich angegangen im Kinderzimmer, Mutti hat dich aus dem Bett geholt, dann habt ihr im Korridor gestanden, Vater hat versucht, Mutti einen leeren Wassereimer über den Kopf zu stülpen, dann ist sie mit dir raus aus der Wohnung und runter vors Haus mit dir?“

    Er nickt, kaum sichtbar.

    „Und dann standet ihr da im Dunkeln, sie wusste nicht, wohin, ob in den Garten da drüben, aber da hättet ihr auf der Bank übernachten müssen, weil es keine Laube gibt?“

    Wieder nickt er.

    „Dann kam Vater raus, hat euch klargemacht, wieder reinzukommen, damit niemand was mitbekommt?“

    „Ja.“

    „Und niemand kam zu Hilfe …“

    „Ja.“

    „Wie gehts dir?“

    Er zuckt kurz mit den Schultern, als wäre fast nichts passiert.

    „Du hast nicht geheult, richtig?“

    „Nein.“

    „Weil es ähnlich schon paar Mal so vorher war?“

    „Ja.“

    „Es ist irgendwie normal, oder? Du kennst es nicht anders?“

    „Ja.“

    „Aber die letzte Nacht war nochmal schlimmer?“

    Er zuckt mit den Schultern.

    „Und keinen interessiert, wie es dir geht … Weil ja niemand weiß, was passiert ist. Also musst du deine Gefühle wieder mit dir selbst ausmachen. Oder sie wegdrücken.“

    Er schweigt.

    „Und nach den Ferien gehst du wieder in die Schule und bist das Mamasöhnchen und der Streber …“

    Stille.

    „Im November fährst du fünf Wochen in die Pionierrepublik am Werbellinsee bei Berlin und du wirst nicht verstehen, warum die anderen wieder nach Hause wollen. Dich zieht nichts in diese Wohnung.“

    In seinem Gesicht stehen Fragezeichen, aber auch der Ausdruck des Verstandenwerdens.

    „Du solltest nachts schlafen können und nicht auf der Straße stehen müssen. Kein Kind sollte das. Dass das eigentlich Wahnsinn ist und alles andere als normal, wirst du erst spät in deinem Leben sehen. Bis dahin wirst du immer wieder allein im Dunkeln stehen, ohne dass dir jemand zu Hilfe kommt. Und immer wieder wird deine Geschichte nicht zählen. Das, was du letzte Nacht erlebt hast, wird sich wiederholen. Nicht auf diese Weise, aber das Muster. Und immer wieder musst du das, was du fühlst, mit dir selbst ausmachen, bis es eines Tages zu viel wird. Dann beginnt dein Körper zu leiden, weil der Kopf es nicht mehr schafft.“

    Eine Träne setzt sich auf der Wange des Jungen in Bewegung, genau wie auf meiner.

    „In paar Tagen werdet ihr in den Urlaub fahren, Mutti fährt aber nur mit dir und deinem Bruder. Und sie wird sich scheiden lassen wollen wegen der letzten Nacht und allem, was davor war.“

    Keine erkennbare Reaktion.

    „Vater wird aber erst in 5 Jahren ausziehen, weil sich das mit der Scheidung hinziehen wird, ER sie einreichen muss, weil in seiner Welt nur Männer so was dürfen und weil es nicht so schnell eine Wohnung für ihn geben wird.“

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich einen Hauch von Resignation bei dem Jungen erkenne.

    „Ich weiß, lange Zeit … Kein Plan, wie ich dir helfen kann. Diese Nacht wird dir immer in Erinnerung bleiben, auch deiner Mutti. Sie wird immer bereuen, nicht auch deinen Bruder mit raus aus der Wohnung genommen zu haben. Aber das hätte auch nichts geändert … Diese Nacht hätte einfach niemals passieren dürfen, genau wie die anderen Nächte. Dein Bett ist nicht der Ort, wo du zur Ruhe kommen kannst, so wie es eigentlich sein sollte. Schon deine Angst im Dunkeln, die dir niemand nimmt, weil keiner davon weiß und sich keiner darum kümmert … Und dann wird das Bett regelmäßig zum Sitzplatz für dieses Theater … Hattest du letzte Nacht Angst, also als es so … wurde?“

    „… Ich weiß nicht.“

    „Irgendwie glaub ich dir das. Aber bei so vielen Ängsten, die du hast, wäre es eigentlich klar. Du magst eh nicht das Laute …“

    Stille.

    „Scheiß Situation … Spätestens mit dieser Nacht fängt es wohl an, dass wir Wut, Trauer, Hilflosigkeit, Ungerechtigkeitsempfinden wegdrücken müssen. Gegen Vater kommst du nicht an, da müsste deine Wut schon auf Amoklauf-Niveau sein. Ach, du weißt nicht, was Amokläufe sind, oder? Die Welt ist in der Richtung noch etwas heil, auch wenn sie alles andere als gesund ist. Ich will dich da auch nicht auf dumme Ideen bringen. Auf jeden Fall kommst du im Moment nicht gegen Vater an, erst in ein paar Jahren wirst du ihm ab und zu Kontra geben und nicht mehr komplett alles schlucken. Mutti ist viel zu sehr damit beschäftigt, die Wogen zwischen den anderen glätten zu wollen: zwischen Vater und deinem Bruder, zwischen Vater und seinen Schwiegereltern. Eigentlich wollte sie vor Vater verheimlichen, dass dein Bruder aus dem Wohnheim seiner Lehrstelle fliegen könnte, weil er zu einer vom Personal mehrmals pampig wurde. Vater hat es aber zwangsläufig erfahren und wollte mit deinem Bruder in der letzten Nacht darüber diskutieren – funktioniert ja nur, wenn er besoffen ist. Dass dieses Verheimlichen immer wieder nichts bringt, wird dich übrigens zu einem Menschen machen, der brachial ehrlich ist. Das mag super klingen, aber ab und zu solltest du es lassen, weil du dir damit schaden wirst. Du selbst gibst dir heute schon größte Mühe, nirgends Ärger zu machen, damit es nicht noch mehr Theater gibt und deine Mum zu leiden hat. Und obwohl du eigentlich alles richtig machst, bekommst du so viel ab … Und während die anderen untereinander mit sich beschäftigt sind, stehst du allein da mit deinen Gefühlen, Bedürfnissen. Du wirst irgendwann sagen, dass du nebenbei großgeworden bist, weil deine Familie für dich gar keinen Blick hatte, weil sie eben so mit sich beschäftigt ist.“

    Er schaut mich an, wieder ohne wirkliche Regung.

    „Die Flucht auf die einsame Insel klappt auch nicht, richtig?“

    Ein fragender Blick.

    Ich schmunzle: „Ich meine Michaela. Du bist doch schon jetzt in sie verliebt, oder?“

    Zum ersten Mal weichen sich die Gesichtszüge des Jungen auf: „Ähm, naja.“

    „Ah, doch schon so früh. Ich wusste es nicht mehr. Mit Ende 10 verliebt man sich 1984 eher selten. Du fängst jetzt die fünfte Klasse an und sie kommt in die dritte, klingt verdammt früh. Und im November am Werbellinsee lernst du Daniela kennen und wirst hin und weg von ihr sein.“

    Seine Augen werden groß.

    „Japp. Sie wird abends mit anderen Mädels auf ihrem Zimmer versuchen, Beulen am Kopf zu bekommen, damit sie wieder heim können und du wirst inständig hoffen, dass sie bleibt. Eigentlich dürfen die Jungs abends nicht hoch zu den Mädchen, aber du machst es natürlich und sie verstecken dich im Schrank, du Casanova.“

    Die Augen werden nicht kleiner.

    „Ja, stille Wasser können manchmal ziemlich tief sein. Du bekommst Post von Michaela – so jung und stehst zwischen zwei Frauen …“

    Er grinst.

    „Sie sind deine Hoffnung darauf, auch mal was Schönes erleben zu können, oder? Deshalb verliebst du dich so früh? Nicht wenige Erwachsene flüchten ans Meer, um die Welt um sich herum vergessen zu können. Dir reicht es, in ihre Augen zu schauen. Und zu hoffen, dass die Sonne aufgeht.“

    „Und …“

    „Du willst wissen, wie es weitergeht mit den beiden?“

    „Naja … Ja.“

    Ich verziehe mein Gesicht: „Wirklich?“

    Die Schultern des Jungen fallen wieder nach unten: „Hmmm.“

    Ich überlege. „Also … Ich weiß, wie sehr du an ihnen hängen wirst, wie groß deine Hoffnungen sein werden und wie … naja, enttäuscht du sein wirst. Sie werden nicht deine rettenden Inseln. Sie sind nicht der kleine oder größere Tupfen Leichtigkeit zur sonstigen Schwere. Am Ende werden sie alles nur noch ein bisschen schwerer machen. Wegen Michaela wirst du dein erstes, kleines Buch schreiben, in glaube vier Jahren. Du wirst dabei hoffen, sie doch noch von dir überzeugen zu können, weil du glaubst, dass Liebe etwas mit inneren Werten zu tun hat, also dass du ein guter Mensch sein musst, damit sich jemand in dich verlieben kann. Michaela wird aber bei einem landen, der einen Laden überfallen wird. Du wirst vorher denken, dass sie schon sehen wird, was sie an dir gehabt hätte und der Überfall wird dir gefühlt Recht geben – aber sie wird es trotzdem nie bedauern. Ist wohl zu früh, dir das jetzt genauer erklären zu wollen, auch wenn du ein helles Köpfchen bist. Schreib trotzdem das Büchlein, wenn dir danach ist. Das Schreiben wird dir helfen, mit deinen Gefühlen umzugehen, sie wenigstens auf Papier rauslassen zu können. Das ist nicht ideal, aber besser, als dass du noch mehr runterschluckst. Das Büchlein wirst du „M.“ nennen und du wirst dich in deinem Leben noch in mindestens … vier Frauen verlieben, deren Name mit M beginnt.“

    „VIER?!“

    „Ja, und auch noch hintereinander. Du wirst dich manchmal selbst wundern, was es so für Zufälle gibt.“

    „Und …?!“

    „Hmm, es wird fast jedes Mal so sein wie mit deiner ersten M. Nur mit einer M wirst du für zwei Monate die Leichtigkeit des Lebens kennenlernen dürfen, wobei … Ach, wundere dich einfach nicht, wenn sie anfängt, dich zu verletzen. Lies dann ihre alten Mails – das sind Briefe, nur nicht auf Papier, sondern …, ach lass dich überraschen. Wenn du liest, was sie mal über sich selbst geschrieben hatte, wirst du verstehen, warum sie sich plötzlich so verwandelt und dich verletzt. Merk dir mal bipolare Störung, das wird dich öfters verfolgen. Dann kannst du diese M schnell abhaken und die schönen Erinnerungen bleiben trotzdem.“

    Jetzt arbeitet es deutlich in dem Jungen.

    „Kipp mir nicht aus den Latschen. Ich würde dir ja gern mit auf den Weg geben, dass du dich in keine M verlieben solltest, weil es nichts bringt. Aber du wirst es trotzdem, wenn alles so läuft, wie es bei mir gelaufen ist. Liebe ist keine Entscheidung der Vernunft, die man ein- und ausschalten kann. Hmm, sollte ich mit einem Elfjährigen echt darüber reden? Ich würde dich einfach gern beschützen wollen. Du hast jetzt schon ganz andere Narben, vor denen ich dich noch viel lieber beschützt hätte. Dein Selbstbewusstsein ist ziemlich bei Null, obwohl du voriges Jahr bei der Kreis-Matheolympiade Dritter warst, immer zu den Klassenbesten gehörst oder der Beste bist, seit einem Jahr Gitarre spielst und als einer von fünfen aus dem Kreis in diesem Jahr an diesen Werbellinsee fahren wirst. Eigentlich solltest du nicht mit gesenktem Blick durch die Gegend laufen müssen. Aber von Vater gibts nur Kopfnüsse, wenn du einen Fehler gemacht hast. Oder hast du in den Ohren, dass er mal gesagt hat: Junge, ich bin echt stolz auf dich?“

    Er grinst.

    Auch ich lächle, wobei es mir im nächsten Moment einfriert: „Schon schräg: Du erwartest das nicht mal, weil du ihn kennst … Du wirst später Menschen begegnen, die mit 30, 40, 50, 60 noch immer darauf hoffen, von Vater oder Mutter ein Ich bin echt stolz auf dich zu hören und sie werden es nie bekommen. Aber der Mann, der da in unserer Wohnung mit uns lebt, erweckt ja nicht mal den Hauch des Anscheins, dass er unser Vater ist, oder?“

    Der Junge schaut mich nachdenklich an.

    „Mach dir keinen Kopf darüber. Es wird viel Zeit vergehen, bis dir das klar wird. Du wirst ganz glücklich damit sein, dass du den Mann da so siehst, weil du eben nicht wie viele andere diesem ewigen Traum hinterherhängen musst, wenigstens ein kleines Zeichen von Anerkennung oder gar Zuneigung von ihm zu bekommen. Allerdings … Du wirst das alles fast schon stolz einer Psychologin so erzählen, also dass du den Mann da gar nicht als Vater empfunden hast, weil er immer auf Abstand zu dir blieb, außer wenn er dir eine Kopfnuss geben wollte oder du ihm die Hand morgens und vor dem Bettgang schütteln musstest. Du wirst keine einzige Umarmung, kein Händchenhalten, kein Streicheln, kein „Wie gehts dir? Alles gut?“ von ihm in Erinnerung haben. Er hat dich in die Welt gesetzt, er bringt das Geld nach Hause und damit ist sein Job erledigt. Um die Bedürfnisse seiner Kinder hat sich Mutti zu kümmern, auch wenn ja alle Weiber eigentlich dämlich sind in seiner unendlichen Weisheit.“

    „Selbst zu dumm, um Tütensuppe zu kochen …“

    „Ah, die Szene gabs also schon. Keine Angst, du wirst Frauen später nicht so behandeln. Du schlägst eigentlich ins Gegenteil aus, willst ihnen auf Augenhöhe begegnen, sie nicht bevormunden, nicht befehlen, nicht verletzen, sie annehmen, wie sie sind. Das wird dich zu einem angenehmen Mitmenschen für Frauen machen, aber … Ach, lieber nicht. Weißt du, dass du doch irgendwann den Satz Ich bin stolz auf dich hören wirst?“

    Der Junge schaut verdutzt.

    „Ja! Natürlich nicht von Vater, sondern von einem Mann, der dich kaum kennt, wenn du fast 50 bist. Wird ein Gartennachbar sein. Er wird sehen, wie du dich um Mutti kümmerst und wie du dich sonst so verhältst. Und der wird sagen, dass er stolz auf dich ist. Du wirst dich überrascht bedanken und dich später fragen, wie jemand auf etwas stolz sein kann, was er gar nicht … gebaut, geschaffen, wie auch immer hat. Aber du verstehst schon, was er meint.

    Und paar Monate später wirst du in einer Klinik landen, weil du kaum noch laufen kannst und niemand dir bis dahin sagen kann, warum. Wäre jetzt eine zu lange Geschichte, wieso du so kaputtgehst. Jedenfalls wirst du dort 8 Wochen sein und wenn du die Klinik verlässt, werden dir zwei deutlich jüngere Frauen lange in den Armen liegen und dir Sachen über dich sagen, die du vorher nie gehört hast. Und eine Frau um die 60 wird einen Mann um die 60 andächtig fragen, ob er schon mal einem Menschen wie dir begegnet ist. Er wird überlegen und leise „Nein“ sagen. Und eine andere Frau um die 30 wird sagen: „Der Thorben ist einmalig, den gibt es nicht noch einmal so.“ Dann fährst du mit der Straßenbahn zum Bahnhof und deine Sonnenbrille wird ein paar Tränen verdecken, weil du immer wieder dran denken musst, was sie gesagt haben – dabei bist du einfach nur die ganze Zeit DU gewesen. Vielleicht kannst du ja jetzt schon ein bisschen stolz auf dich sein. Ich weiß aus vielen Geschichten: Eigentlich braucht jedes Kind von Mutter UND Vater die ehrliche Anerkennung, damit Selbstbewusstsein wachsen kann. Wenn Mutti ab heute Vater dazu nötigen würde, dir Anerkennung zu geben – es würde nichts nutzen, weil du das Schauspiel durchschauen würdest. Das muss schon ehrlich sein.

    In dieser Klinik wirst du auch zum ersten Mal erleben, dass Menschen an dem, was heute passiert ist, Anteil nehmen. Deiner Psychologin wirst du von der Nacht erzählen, auch wie Vater sonst war. Wenn ihr euch eine Woche später wieder gegenüber sitzt, wird sie sagen, dass sie bei deinem Erzählen mächtig Wut in sich spürte auf Vater und du hast alles so erzählt, als wäre es nichts Außergewöhnliches gewesen. Auch andere Patienten werden sagen, dass sie diese Wut in sich merkten auf Vater, wenn du davon erzählst.“

    „So lange?“

    „Ja. Aber wenn ich es richtig weiß, wirst du es vorher auch niemandem erzählen, ist ja eigentlich lange her und du kennst es nicht anders, es ist Normalität. Erst da merkst du, dass du diese Nacht als Rucksack mit Steinen ständig mit dir rumträgst.

    Ach, nochmal wegen der Mädels: Lass dich nicht zu sehr runterziehen, wenn es jetzt nicht klappt. Versuch trotz aller Liebe nicht eine zu übersehen, von der du wohl wirklich Signale bekommst, sie geht in deine Klasse. Und wenn du dann in die EOS gehst nach der 10. Klasse, dann wirst du eine Antje kennenlernen und von ihr hin und weg sein. Lustigerweise wird sie dir irgendwann erzählen, dass sie in einen Typen verliebt war, der hier in der Stadt wohnt – und der Gleiche ist, der Michaela bekommen wird. Aber bei Antje wirst du wirklich Chancen haben! Sie wird später mit ihren Eltern in den Westen ziehen – ach so, in fünf Jahren wird es eine Revolution hier geben und danach dürfen alle überall hin reisen. Du fährst dann mit Opa auch mal rüber, auch nach Hamburg und Westberlin. Jetzt guck nicht so, bis dahin mach einfach die Wandzeitungen der Schule über die Überlegenheit des Sozialismus und 1989 tust du überrascht.

    Zurück zu Antje, das ist wichtiger: Also sie wird in den Westen ziehen, du wirst ihr Briefe schreiben und in einem wird sie erklären, dass du Chancen bei ihr gehabt hättest. Sie wird manchmal einen früheren Bus nehmen, damit sie zusammen mit dir zur Schule fahren kann – das wirst du aber bis zu dem Brief nicht wissen und erst recht nicht ahnen können. Ein Mädchen macht so was wegen DIR?! Kann nicht sein! Du wirst jeden Morgen eine Stunde zeitiger aufstehen, dir die Haare waschen, damit dieses Kraut, was dir dann wild durcheinander auf dem Kopf wächst, wenigstens nach ETWAS aussieht – und am Ende wirst du wieder fluchen, weil es ein einziges Chaos ist. Und das machst du, damit du deine Chancen bei Antje erhöhst – an die du nicht so wirklich glauben wirst, aber wie immer hoffst du und hoffst. Spar dir das Aufstehen: Sie würde dich auch so nehmen.

    Und lass dir vom Frisör einfach die Haare kürzer schneiden, damit es nicht so ein Chaos gibt. Ja, Mutti wollte als zweites Kind ein Mädchen und bisher bist du viel öfters für eines gehalten worden, als dass dich jemand für einen Jungen gehalten hätte, stimmts?“

    Er nickt mit einem Lächeln.

    „Sie wird kurze Haare an dir auch dann nicht mögen, wenn du 50 bist. Aber so sehr du immer Rücksicht auf sie nehmen willst: Lass den Frisör mal was riskieren, damit du bisschen männlicher aussiehst. Ansonsten wirst du dich ziemlich lange nicht wie ein Mann fühlen, wobei es da wohl auch noch andere Gründe gibt. Die Männer um dich herum taugen ja Null als Vorbilder.

    Zurück zu Antje. Also, du wirst Chancen bei ihr haben, das steht fest. Jetzt ist nur die Frage, wie du die letzte Meile zu ihr überwindest …“

    „Letzte Meile?!“

    „Ja, das ist unser großes Problem für laaange Zeit. Wir sind Körperkontakt nicht gewohnt, außer eben Kopfnüsse und Händeschütteln. Du wirst sie nicht morgens im Bus mit einer Umarmung empfangen können … Immerhin wird sie mal auf deinen Schultern sitzen, wenn ihr zu dritt zu einem Konzert fahrt. Du wirst dich aber nicht trauen, einfach mal deinen Arm über ihre Schulter zu legen oder um ihre Hüfte, wenn sie neben dir läuft. Oder kannst du dir das vorstellen? Denn wenn du es in 5 Jahren nicht machst, dann wirst du das erste Mal einen anderen Menschen umarmen, wenn du 40 bist und das wird dann nach dem Ende der Beisetzung von Tante Lucie sein.“

    „Was?!“

    „Ich will dir keinen Druck machen, aber … Deshalb wäre es so extrem wichtig, dass du selbstbewusst wirst, wenigstens ein Stück, ein, zwei Millimeter raus aus dem Schneckenhaus, dem Leben damit wenigstens eine Chance geben kannst, dass was passiert im positiven Sinne. Das andere, also der ganze Mist, kommt alles von allein. Ansonsten wird dein Hunger nach Leichtigkeit absurd groß, wenn du 50 bist und enorm viel Scheiße vorher passiert ist. Und dann wirst du ein paar Momente erleben können, aber die nächste kalte Dusche steht da schon bereit und wird dich erstarren lassen. Du bräuchtest bis dahin immer mal wieder Phasen, wo das Leben sich leicht anfühlt, so wie du nach dieser Nacht sicher umso mehr Sehnsucht nach Flucht auf die einsame Insel mit Michaela hast.

    Aber sie wird nicht die sein, die Leichtigkeit bringt. Und eben auch nicht Daniela. Das hat nichts damit zu tun, dass du nichts wert bist. Mit 50 wirst du lernen, dass Menschen nur so viel Liebe annehmen können, wie sie sich selbst lieben können und du wirst bis dahin festgestellt haben, dass es verdammt wenige gibt, die sich in einem guten Maß lieben. Die meisten mögen sich wenig bis gar nicht, weil sie wie du eben von den Eltern keinen gesunden Selbstwert mit auf den Weg bekommen haben. Andere lieben sich über alle Maßen, die nennt man Narzissten. Du wirst dich in Frauen verlieben, die von Partnern links liegengelassen, gestalkt, geschlagen, anderweitig mies behandelt wurden …“

    „Was ist gestalkt?!“

    „Stimmt, kannst du noch nicht wissen. Das ist, wenn ein Mensch einen anderen rund um die Uhr beobachten will, ihn verfolgt, ihn angreift – das Leben mehr oder weniger zur Hölle macht. Diese Menschen betrachten Partner als Eigentum, das nicht abhanden zu kommen hat. Du wirst eine Verwandte haben, die mit einem solchen Mann zusammen sein wird und mit ihm ein Kind in die Welt setzen wird.“

    „Was?!“

    „Ja. Und das wird dich neben anderen Dingen weiter fertigmachen, weil du weißt, dass dieses Kind eines Tages auch im Dunkeln auf der Straße stehen wird und keiner hilft. Nicht unbedingt so, wie du es in der Nacht erlebt hast. Man kann Kinder auf sehr viele Arten kaputtmachen. Am Ende reicht ja schon der Vater, der keinerlei ehrliche Zuneigung für sein Kind zeigen kann.“

    „Wie kann man nur …“

    „Eben. Deine Verwandte wird von ihrem Vater keine Zuneigung bekommen. Damit wird sie sich nicht selbst lieben können, was sie in ihren Teenagerjahren im Internet in ihren Texten zeigen wird. Ach je, das Internet … Stell dir vor, du schreibst einen Brief und alle auf der Welt könnten ihn am Fernseher sehen. Ich weiß, das klingt wie aus einer anderen Welt, lass dich auch davon überraschen.

    Zurück zu deiner Verwandten: Sie wird sich also nicht selbst lieben können und Menschen, die sich nicht selbst lieben, sehen in allem, was nur ein klein bisschen nach Zuneigung aussieht, einen echten Beweis dafür – so verlogen diese Zuneigung auch sein mag. Dann dürfen diese Partner ihre Freundin auch als verlogene Schlampe bezeichnen – sie wird ihn trotzdem als Menschen mit guten Eigenschaften ansehen, weil er ihr etwas gibt, was sie nie hatte. Und davon braucht sie nicht viel, weil „ganz wenig“ ist besser als „nichts“.

    Du wirst Frauen niemals so behandeln wollen, weil du deine Mum leiden siehst und du über verdammt viel Empathie verfügst. Das ist, wenn man sich in die Gefühlslage eines anderen Menschen reindenken kann. Und damit ist deine Art, wie du einer Frau Zuneigung zeigst, langweilig für so einige. Sie sind aus ihrer Kindheit Drama gewohnt. Sie werden nicht sagen, dass sie das in einer Beziehung brauchen, sondern sie werden sagen, dass sie einen Mann mit guten inneren Werten möchten. Aber wenn du dich in sie verliebst, werden sie lange Beziehungen mit Männern hinter sich haben, die sie wie Dreck behandelt haben. Und wenn sie zwischen ihnen und dir hätten wählen können vor Beginn dieser giftigen Beziehungen, hätten sie mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht DICH genommen, sondern den Stalker, Schläger oder den Typen, für den seine Freundin schnell uninteressant wird.

    Du wirst immer mal wieder von Frauen hören: Ich verliebe mich wegen der inneren Werte. Irgendwann explodiert es in dir und du würdest dem Nächsten, der diesen Satz sagt, fünf Meter Vorsprung geben, weil du ihn nicht mehr hören kannst. Der Satz wird auch von einer kommen, bei der du mal wieder auf Leichtigkeit hoffst. Sie wird dir einen Korb geben, du wirst durchhängen, auch wenn sie dir immerhin Klarheit gibt und du nicht ewig hoffen brauchst.

    Aber dir wird in dieser Zeit bewusst, dass es schon auf innere Werte ankommt – aber nicht auf GUTE innere Werte. Wenn dem so wäre, hättest du mit 50 nicht nur zwei Monate Beziehung hinter dir und die ganzen Stalker, Schläger, Narzissten wären nicht jahrelang verheiratet. Du wirst damit hadern, dass solche gruseligen Typen Beziehungen haben durften mit Frauen, neben denen du gern sitzen und in deren Augen du gern gucken würdest, mit denen du endlich diese Leichtigkeit des Seins erleben möchtest. Sie werden dann aber diese Beziehungen hinter sich haben und sehr vorsichtig sein, was du ihnen nicht vorwerfen kannst, aber woran du trotzdem mittelschwer verzweifelst.

    Mit 50 wird dir eine Psychologin sagen, du würdest immer wieder Frauen retten wollen, weil du Mum nicht helfen konntest, auch in der letzten Nacht nicht. Dabei hätte sie DICH retten müssen. Die Psychologin wird sagen, dass du eine schwache Frau und einen übermächtigen Mann erlebt hast in deiner Kindheit und damit ein verzerrtes Bild von den Geschlechtern entwickelt hast, so dass du eigentlich immer nur mit Frauen befreundet sein kannst – und sie retten willst. Aber eigentlich geht es dir darum, Kindern solchen Scheiß zu ersparen, wie du ihn jetzt wieder erlebt hast. Du wirst Frauen zuhören, die noch viel Heftigeres über sich ergehen lassen mussten, ziemlich genau in dem Alter, in dem du jetzt bist. Denk deshalb aber nicht, dass du im Vergleich dazu so gut wie gar nichts durchgemacht hast. Wenn dem so wäre, würdest du nicht diese Nacht als eine von sehr wenigen Momenten aus deiner Kindheit in Erinnerung behalten. Und du wirst dich an praktisch keinen Moment so wirklich erinnern, wo die Kindheit schön war. Andere erzählen, wie sie lustige Sachen mit ihren Eltern im Urlaub erlebt haben oder wie Papa ihnen dies und das beigebracht hat. Da wird nichts sein, was du in dieser Richtung noch vor Augen haben wirst.

    Und glaub nicht daran, dass du dich in Frauen verliebst, um sie retten zu können. Du wirst dich in sie verlieben, ohne zu wissen, was sie so durchgemacht haben. Sie werden einfach alle ähnlich aussehen wie Michaela und Daniela und Antje. Nennt man optisches Beuteschema. Wenn du diese beiden Wörter gegenüber Frauen aussprichst, werden sie mit der Nase rümpfen und dir erklären wollen, dass sie sich eben wegen dieser berühmten inneren Werte verlieben und damit meinen sie positive Werte. Die ein oder andere wird dann aber mit der Zeit feststellen, dass der Ex dem Neuen doch ähnlich sieht. So wie bei dir Mädchen bzw. Frauen keine Chance haben werden, die anders aussehen als die Mädels jetzt, so wirst du mit deinem Gesicht nicht bei jeder ins Schwarze treffen können. Der Geruch spielt übrigens auch noch eine sehr wichtige Rolle beim Suchen und Finden.

    Und dann kommt eben die Sache mit den inneren Werten dazu, also mit den wenig angenehmen Werten. Mit 50 wirst du viele Geschichten aus deiner Familie und dem Umfeld gehört haben, wie Beziehungen entstehen – und du wirst keine einzige davon haben wollen. In der Familie wird es eine Frau geben, die unbedingt eine Familie will und sie nimmt dafür einen Mann in Kauf, vor dem der Freundeskreis warnt und über den sie später sagen wird, sie habe ihn eigentlich nie wirklich geliebt – er war halt nützlich. Die gemeinsame Tochter wird das mit Magersucht und langer Therapie bezahlen müssen. Der Mann wird weitere Beziehungen haben, obwohl er phasenweise immer wieder sehr verletzend sein wird.

    Eine Kumpeline wird knapp 20 Jahre in einer Beziehung sein mit einem Mann, der ihr den Kopf abschlagen wollte bei einer Trennung. Jetzt kann man sagen: „Der war früher, als sie ihn kennenlernte, bestimmt noch unauffällig und lieb.“ Sie fand in der Matratze ihres Wohnheim-Zimmers ein Babyfon, über das er für kurze Zeit mithören konnte, mit wem sie und was sie spricht – sie hat ihn trotzdem als Partner genommen.

    Ein Typ hier im Ort wird erfahren, dass seine Freundin mit zahlreichen Männern schlief in den 3 Jahren Beziehungen. Er verlässt sie – und geht drei Monate später zurück: „Ich bekomme ja eh keine andere.“ Die Freundin bedroht Frauen, die sich an ihren „Freund“ ranmachen. Aber auch diese Frau hatte eine langjährige Beziehung.

    Du wirst mit der Leiterin eines Pflegeheims sprechen. Sie wird erzählen, wie ihr Mann sie in die geschlossene Psychiatrie gebracht hat. Er hat sie verfolgt, wenn sie mit dem Auto irgendwohin fuhr, erklärte ihr in der Kneipe, sie solle auf den Teller schauen und sich nicht umgucken. Er selbst hatte mehrere Geliebte – und auch er war mehrere Jahrzehnte in mehreren gleichzeitigen Beziehungen.

    Und so sammelst du über die Jahre mehrere Dutzend solcher Beziehungsgeschichten, die dir zeigen: Beziehungen haben sehr selten was mit Zuneigung zu tun, sondern sind das Ergebnis von Kindheitstraumata. Menschen erzählen, was sie bei einem anderen Menschen suchen und das klingt immer wieder ganz toll. Aber was sie am Ende finden, was sie anzieht und lange hält, hat oft damit nicht im Entferntesten was zu tun. Offenbar kann man auch Beziehungen verwenden für Selbstverletzungen.

    Und du brauchst ja nur deine Eltern angucken. Würdest du eines Tages so fies wie Vater werden, hättest du deutlich größere Chancen, eine Frau zu bekommen. Klingt irre, ich weiß. Aber siehst du ja, er ist seit 17 Jahren mit Mum verheiratet. Ein Typ, der Null von Frauen hält, der alle Frauen als dämlich bezeichnet. Dieser Typ hat eine Beziehung seit zwei Jahrzehnten … Und er darf seine Kinder kaputtmachen … Und er wird mit knapp 50 Jahren ein Testament verfassen, in dem steht, dass seine Kinder erst 4 Wochen nach seiner Beisetzung von seinem Tod erfahren sollen und sie nur den Pflichtteil erben sollen. Er wird Unmengen an billigem Zeug kaufen, damit bei seinem Tod nicht viel Geld auf seinem Konto ist, damit seine Kinder, also du und dein Bruder, noch weniger erben können. Er stirbt übrigens 2021.“

    „Echt?!“

    „Ja. Du wirst keinerlei Trauer empfinden und er will eh sterben. Du wirst die Beisetzung organisieren, einen Teil der Rede verfassen, weil du kein Geheuchel hören willst. Es werden nur vier Leute da sein, einschließlich dir und Mum. Sie wird dich in dieser Zeit unterstützen, obwohl sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Vorher liegt Vater knapp zwei Wochen auf der Intensivstation durch einen dicken Herzinfarkt. Er wird nur noch im Bett liegen, manchmal wird er dich angucken, die Hände heben, seinen ganzen Körper bewegen wollen. Du wirst nicht wissen, was er noch mitbekommt, ob er dich versteht, ob er weiß, wer du bist. Und du wirst seine Hand halten.“

    „Ich?!“

    „Ja. Seltsame Vorstellung heute, oder? Gerade nach dieser Nacht. Hat aber nichts damit zu tun, dass du am Ende seines Lebens doch noch ein Zeichen von Zuneigung von ihm haben willst. Du würdest auch der Frau, die im anderen Bett vor sich hin stirbt, die Hand halten, weil du dir denkst, dass Menschen in diesem Zustand auf der Schwelle zum Tod Angst haben und eben eine Berührung ganz gut tut, die ein bisschen Sicherheit gibt. Da sind wir wieder beim Thema, was? Die haltende Hand im Sturm.“

    Der Junge lässt den Kopf hängen.

    „Du wirst, wenn du seine Hand hältst, stolz auf dich sein. Weil du eben damit zeigst, ganz anders geworden zu sein als er. Du wirst ein Foto davon machen, wie du überhaupt viele Bilder im Laufe deines Lebens knipsen wirst. Schöne Bilder übrigens, darauf wirst du auch stolz sein können, aber recht spät.

    2019 wird Vater einen Schlaganfall haben. Wenn du ihn im Krankenhaus siehst, wird es das erste Wiedersehen nach 22 Jahren sein, weil du ihn nicht sehen willst. Du denkst bis dahin, dass du ihn erst wiedersehen wirst, wenn er im Sarg liegt. Er wird das nie verstehen, dass seine Kinder keinen Kontakt mit ihm mehr wollen nach der Scheidung und seinem Auszug.

    Du wirst ihm, wenn du um die 20 bist, einen Brief schreiben, nachdem er sich über den wenigen Kontakt mit dir bei Mum beschwert. In dem Brief lässt du alles raus, was sich bis heute und die nächsten Jahre aufstaut. Du wirst ihn fragen, wozu er denn Zeit mit dir verbringen will, wo es doch Null Gemeinsamkeiten gibt: keine Hobbys, keine Interessen. Ob ihr euch eine Stunde schweigend hinsetzen sollt. Du wirst ihm seine Fehlerlosigkeit spiegeln, die er in seinen Augen hat und dass nur seine Meinung richtig ist. Wie er mit Mum umgegangen ist, wie er Latschen nach ihr warf. Wie dein Bruder während Handgreiflichkeiten mit Vater Verbrennungen mit dem Lötkolben abbekam. Wie Vaters Blicke waren, bei denen man sich jede Sekunde auf das Schlimmste gefasst machen musste. Und du schreibst von Ohrfeigen, die Mutti und du letzte Nacht bekommen haben, als er euch von der Straße reinholte. Du erinnerst dich also nicht erst mit 50 an diese Nacht … Du wirst auf Vaters Aussage zur Scheidung zurückkommen, dass er nur „Sohn Thorben“ darin geschrieben hat und kein „mein …“ Ja, dort explodierst du das erste und einzige Mal ihm gegenüber, wenn auch wie immer auf Papier. Aber sagen bräuchtest du ihm das alles eh nicht, da würde ich dir nach dem ersten Satz das Wort abschneiden.

    Diesen Brief wird er laminieren und du findest ihn zu deiner großen Überraschung wieder, wenn du ca. 25 Jahre später nach seinem Schlaganfall die Wohnung aufräumst. Er wird ihn sicher nicht aufheben, weil er ein schlechtes Gewissen hat, sondern um immer zu wissen, wie böse DU DICH verhalten hast.

    Bekomm keinen allzu großen Schock, wenn du zum ersten Mal seine Wohnung betrittst. Der Mann, der seine Kinder mit Nachdruck zur Ordnung anhält, wird ein zugemülltes Schlafzimmer und einen zugemüllten Keller haben.“

    Dem Jungen fallen die Augen fast raus.

    „Ja. Er wird es immer verstehen, nach außen wie ein ganz netter Mensch zu wirken, völlig unauffällig. Selbst seiner Lieblingsnichte wird der Mund offen stehen, wenn sie das Schlafzimmer betritt, obwohl sie zu den Geburtstagen bei ihm sein wird. Dort lässt er aber nie jemanden rein. Wenn du ihr von deiner Kindheit erzählst, wird sie sehr staunen, denn das alles hätte sie ihrem Onkel niemals zugetraut. Die fliegenden Latschen kennt sie von ihrem eigenen Vater.

    Nach dem Schlaganfall wirst du auch auf Menschen außerhalb der Familie treffen, die mit Vater zu tun hatten. Seine Bibliothekarin wird sagen: „Ach je, na das hat er nicht verdient.“ Er wird jedes Jahr Urlaub in Österreich machen, immer in der gleichen Pension. Die Frau dort wird ihn als hochanständig bezeichnen, wenn du mit ihr telefonierst. Er sei einer von sehr wenigen Männern, bei dem sie sich nicht eingeschlossen hat, wenn er da war. Hätte sie erlebt, was du letzte Nacht erlebt hast, würde sie wohl doch den Schlüssel rumdrehen.“

    „Der Wolf im Schafspelz …“ – die Schultern sacken wieder nach unten.

    „Genau. Und wir haben keine Beweise, dass das Schaf in Wahrheit ein Wolf ist. Wenn Vater heute in den Garten dort drüben geht, wird er alle ganz freundlich grüßen, der hochanständige Mann. Unsere Geschichte zählt nicht, wir stehen allein im Dunkeln …“

    „In den Garten können wir heute nicht, wir gehen in den Geburtstag zu Onkel und Tante.“

    „Du liebe Zeit, und da wird wieder die heile Familie gespielt … Deiner Cousine wirst du auch nichts sagen, oder?“

    Keine Reaktion.

    „Klar, was könnte sie schon machen, ist ja noch jünger als du. Wer könnte überhaupt helfen? Deshalb wirst du fast immer still sein, wenn du schreien möchtest. Ach, dann ist heute der 5. August 1984?“

    „Ja.“

    „Oh Mann, das fällt mir jetzt erst auf. In 35 Jahren wird er genau zu dieser Zeit im Krankenhaus wegen des Schlaganfalls liegen. Und heute in exakt 35 Jahren wirst du einen Koffer für ihn in seiner Wohnung packen und den Koffer ins Krankenhaus schaffen, damit er zur Reha fahren kann. Das ist wieder verdammt schräg … Und nach der letzten Nacht wirst du dir das überhaupt nicht vorstellen können. Wenn mir das so bewusst gewesen wäre mit dem Datum, hätte ich … Hmm, keine Ahnung.“

    Der Junge schaut zum Boden, dann zum Kleinen: „Da ist die Welt noch in Ordnung … irgendwie. Der kann noch lächeln …“

    „Japp. Irgendwann wirst du dein Fotoalbum durchblättern und viele ernste Gesichter von dir darin sehen. Brauchst dir nur das Foto angucken in deinem Pionier-Ausweis oder im Handball-Ausweis. Der kleine, scheinbar unbeschwerte Junge taucht dort nicht mehr auf …“

    Tränen laufen.

    „Du wirst nie den Wunsch spüren, selbst Kinder haben zu wollen und ich kann dir das nicht wirklich erklären. Für andere mit noch viel mieserer Kindheit sind eigene Kinder DAS Lebensziel. Dein fehlender Kinderwunsch kann also nichts damit zu tun haben, dass du am Kindsein überhaupt nichts Positives sehen kannst. Von einer Frau, die durch ihren Vater Widerliches durchgemacht hat, wirst du hören, dass sie glaubte, mit einem Kind werde das Leben endlich besser – und sie wird sagen, dass es doch nicht so einfach läuft.

    Eine andere wird dir sagen, dass sie Kindergeschrei nie leiden konnte und eigentlich keine Kinder will, aber die Familie und die Gesellschaft würden ja von einer Frau erwarten, Kinder zu bekommen. Und sie wird auch eins bekommen, obwohl sie am besten weiß, wie es ist, wenn man ohne Liebe in die Welt gesetzt wurde. Ihre eigene Mutter hat die Pille heimlich abgesetzt und ihren Freund vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Frau wird dir leise sagen, dass es kein schönes Gefühl ist, auf diese Weise auf die Welt gekommen zu sein – und am Ende macht sie es ähnlich. Bei anderen Frauen wirst du vermuten, dass sie ein Kind bekommen haben, damit endlich ein Wesen für sie da ist, das sie bedingungslos liebt und mit denen sie von anderen Menschen endlich Aufmerksamkeit bekommen. Kinder kriegen scheint eine ziemlich egoistische Sache sein zu können.

    Dir werden Kinder nicht egal sein, eher im Gegenteil. Du wirst einen ziemlichen Drang entwickeln, anderen Kindern ersparen zu wollen, dass sie mitten in der Nacht allein auf der Straße stehen müssen. Oder dass sie von ihrem Bett aus mit ansehen müssen, wie sich die Familie an die Gurgel geht – von anderen Dingen ganz zu schweigen. In der Klinik, wo du länger sein wirst, wirst du sagen, dass Eltern ab dem Tag, an dem eine Schwangerschaft feststeht, unter psychologische Begleitung kommen sollten, bis die Kinder erwachsen sind. Du wirst in entrüstete Gesichter gucken – aber es wird keine Gegenvorschläge geben, wie man sonst Kindern ein kindgerechtes Aufwachsen ermöglichen kann. Du wirst dich fragen, ob den anderen ihre Kindheit, so schlimm sie auch war, am Ende gefallen hat oder ob sie nicht wie du den Wunsch hätten, im Nachhinein das Kind, was sie mal waren, beschützen zu wollen. Klar, an Vater wäre wohl jeder Psychologe gescheitert …“

    „Was ist ein Psychologe?“

    „Das ist jemand, der das reparieren soll, was in der Kindheit kaputtgemacht wurde.“

    „Ändert er sich, wenn er älter wird?“

    „Vater?! Dieses Mit dem Alter wird man weiser ist so eine Lebensweisheit, die du immer mal wieder hören wirst, genauso wie dieses Ich verliebe mich wegen guter innerer Werte. Das sind Weisheiten, für die es keine Beweise im wahren Leben gibt. Nein, er wird mit 75 genauso ein uneinsichtiger Sturkopf sein wie der, der da heute oben in der Wohnung in seinem Sessel sitzt und sich keiner Schuld bewusst ist, was er angerichtet hat. Schuld sind bei ihm immer andere. Immer. Dass dein Bruder so ist, wie er ist, ist in Vaters Augen auch allein die Schuld von Mums Eltern. Auch mit 75 wird er so sein. Nach dem Schlaganfall wird er ironischerweise weitgehend auf Frauen angewiesen sein, ob im Krankenhaus, bei der Reha oder im Pflegeheim – also den dämlichen Weibern.“

    Er schmunzelt, allerdings nur leicht.

    „Ich glaube, uns hätte selbst ein Psychologe nicht geholfen. Vielleicht hätte er Mum erklären können, dass dieser Mann seine Kinder vergiften wird, wenn sie mit ihm zusammenbleibt. Aber du wirst an deiner Verwandten sehen, dass man solche Beziehungen nicht mit guten Argumenten verhindern kann. Du wirst später immer wieder von toxischen, also giftigen Beziehungen hören. Davon gibt es sehr viele. Es sind eben die, wo einer den anderen kontrolliert, misshandelt, wie Dreck behandelt. Diese giftigen Beziehungen vergiften die Kinder aus diesen Beziehungen und diese Kinder reichen das Gift dann an ihre eigenen Kinder weiter, wenn niemand dazwischengeht. Du weißt nichts über die Kindheit von Vater, richtig?“

    Kopfschütteln.

    „Du erfährst das auch erst von deiner Mum, wenn du fast 50 bist und er den Schlaganfall hatte. Er hat seinen eigenen Vater nie kennengelernt. Seine Mutter, also unsere Oma, die wir nie kennengelernt haben, hatte im Sommer 1943 kurz mal was mit einem während eines Rummels, ein gelernter Steinmetz, der nördlich von Leipzig gewohnt hat. Ihr Mann war im Krieg gestorben. Vater wurde vor allem von seinem 11 Jahre älteren Bruder betreut, die Mutter ging viel arbeiten und hatte laut Mum wohl auch nicht wirklich was Mütterliches. Der Bruder wurde mit 20 zum zweiten Mal Vater, da war unser Vater 9. Spätestens ab da wird sich der Bruder auch nicht mehr viel um Vater gekümmert haben. Um seine Bedürfnisse als Kleinkind und Kind bezüglich Anerkennung, Zuneigung hat sich also auch kein Vater gekümmert und die Mutter sehr dezent. Er stand genauso allein da wie du letzte Nacht. Und so wie du hat er nie erlebt, wie es ist, einen wirklichen Vater zu haben.

    In der Schule wurde er gehänselt, weil er ein Bastard war, also ein Kind, das von einem außerhalb der Familie gezeugt wurde. Nach dem Schlaganfall wirst du ihn danach fragen, wie er in der Schule behandelt wurde. Durch den Schlag kann er nicht verständlich sprechen, auch wenn er glaubt, man versteht ihn. Deshalb wird er fragen, ob du und seine Lieblingsnichte dämlich seid und er wird glauben, du willst ihn nicht verstehen, damit du ihn ins Heim abschieben kannst. Das wird dir ziemlich zusetzen. Du wirst keine Dankbarkeit von ihm erwarten für all das, was du für ihn machst, weil du ihn eben kennst. Aber diese Arschtritte bekommst du in einer Zeit, wo du eh schon die größte Schwere in deinem Leben erleben wirst. Diese Schwere wird sich über anderthalb Jahre ziehen und dazu beitragen, dass du eines Tages kaum noch laufen kannst.

    Na jedenfalls wird Vater, wenn du ihn nach dessen Schulzeit fragst, die Hände hochnehmen und zu Fäusten ballen und dir mit Stolz erklären wollen, dass er sich so gegen die Mobber gewehrt hat. Ach, Mobber sind Menschen, die andere immer wieder ärgern, niedermachen. Kennst du ja. Vater hat also als Kind gelernt, sich nicht alles gefallen zu lassen, nicht alles runterzuschlucken wie wir. Er hat seinen Weg gefunden, nicht mehr Opfer zu sein: dominantes Auftreten und keine Schwäche zeigen, auch nicht in Gefühlen. Niemand hat eingegriffen, kein Psychologe, weder als er Kind war noch als klar war, dass er Vater wird. Und nun stehst du hier mit müden Augen, weit weg von der Leichtigkeit des Kleinen da. Und schon bei ihm wird das Gift wohl anfangen zu wirken.“

    „Können wir nichts machen für ihn?“

    „Hmm … Ich rede mich euch, weil ich herausfinden soll, was ihr gebraucht hättet und was mir selbst heute fehlt. Das nennt man das innere Kind. Es lebt in jedem Erwachsenen, auch wenn wir glauben, unsere Kindheit wäre längst Geschichte. Aber mit 18 wird kein Schalter gedrückt, dank dem wir alles vergessen können, was vorher war und wir werden ein komplett neuer Mensch. Viele dieser Erwachsenen erzählen anderen, dass sie doch keine Kinder mehr sind und das, was war, abhaken sollen. Dabei merken sie nicht, wie sie selbst auf den Gleisen unterwegs sind, die ihnen in der Kindheit einbetoniert wurden. Die einen jagen weiter der Anerkennung ihrer Eltern nach, bauen sich ein Geschäft auf, in der Hoffnung, dadurch im Wert bei Mutter oder Vater zu klettern. Andere schämen sich für Dinge, für die sie sich gar nicht schämen bräuchten, z.B. vor anderen Menschen zu gähnen – weil sie als Kind beigebracht bekamen, dass man das nicht macht. Solche Geschichten gibt es zu Dutzenden. Das, was als Kind passiert ist, bleibt ein Rucksack, den man sehr schwer loswird.

    Und ich weiß nicht, was ich mit euch Kindern machen soll, was ihr mir sagen sollt und könnt. Ich weiß nicht, ob ich auf Vater wütend sein sollte, ob ich um meine Kindheit trauern soll, ob irgendwas helfen würde, damit ich wieder auf die Beine komme. Wenn der Kopf Gefühle nicht mehr verarbeiten kann, leidet der Körper. Aber es ist so viel an Trauer, Wut, Hilflosigkeit, Ungerechtigkeitsempfinden, Enttäuschungen zusammengekommen – das konnte nicht gutgehen. Das Wegdrücken von Gefühlen kostet angeblich verdammt viel Energie und die fehlt mir absolut, genauso wie die Glücksmomente als Gegengewicht zu all dem Mist.

    Wirklich helfen würde wohl nur, wenn ich dir jetzt die Weiche anders stellen könnte, genauso wie unserem Kleinen da. Eigentlich wirst du trotz dem, was letzte Nacht und sonst so passiert ist, ein ziemlich guter Mensch – oder eben gerade deswegen. Wenn alle so wären wie du es wirst, läge die Welt sich in 40 Jahren nicht so an der Gurgel. 2023 wirst du feststellen, dass die Welt eigentlich genauso ist wie letzte Nacht: Jeder gegen jeden und du stehst daneben. Es macht überhaupt keinen Sinn, wie diese angeblichen Erwachsenen miteinander umgehen, du willst Harmonie, keine Lautstärke – aber das, was du dir wünschst, geht nicht in Erfüllung. Wer laut ist, der bekommt dann die meiste Aufmerksamkeit, wie im Kindergarten. Die einen führen Kriege, die anderen beleidigen, wieder andere glauben an ihre ganz eigenen Wahrheiten. Menschen lassen sich bis zur Unkenntlichkeit Gesicht und Körper operieren und mit Farbe zukleistern, um im Mittelpunkt zu stehen oder um sich einen Schutzpanzer anzuschaffen. Sie fressen im Fernsehen Würmer, sie breiten ihre Beziehungen und Trennungen in aller Öffentlichkeit aus und ziehen gleichzeitig über andere her, die auf andere Weise nach Aufmerksamkeit schreien.

    Und du stehst still da, allein wie letzte Nacht. Weil du weißt, wie sich das anfühlt, wirst du für andere da sein, ihnen zuhören, so wie du es heute bräuchtest. Dir werden Menschen ihre Geschichten erzählen, die sie kaum jemandem sonst erzählen. Eine 70-Jährige wird sagen, dass sie gern einen Sohn wie dich hätte, weil ihre Kinder sie mit ihrer Depression nicht verstehen. Eine 18-Jährige wird dich, wenn du Mitte 40 bist, als so ziemlich einzigen sehen, dem sie sich anvertrauen kann. 5 Jahre später wirst du nichts mehr von ihr hören, den Grund verrate ich dir lieber nicht.

    Bei all dem wirst du dich selbst ziemlich vergessen. Aber klar: Du wirst immer wieder daran scheitern, die Leichtigkeit des Daseins erleben zu dürfen, also machst du halt wenigstens anderen das Dasein für einige Momente leichter und bekommst dadurch ein gutes Gefühl, genau wie es Mum machen wird. Sie hilft auch immer Menschen, denen sonst keiner hilft – und steht allein da, wenn sie selbst Hilfe braucht. Ist auch so innerhalb der Familie, sei nicht zu enttäuscht, wenn dir das irgendwann klar wird. Dich braucht niemand fragen, ob du hilfst, du siehst einfach, wenn es jemandem beschissen geht. Mit 50 wird dir in der Klinik jemand sagen, dass du dein eigenes Ich viel mehr nach vorn schieben sollst – und du hast keinen Plan, was dieses Ich überhaupt sein soll. Du wirst dich irgendwann fragen, ob du nicht für deine Eltern viel mehr da warst als sie für dich. Du wirst dich fragen, ob dieser Gedanke ungerecht ist. Du wirst denken, dass du das Aschenputtel bist, welches die Scherben der anderen alle die Jahre wegräumen muss, aber nie zum Ball gehen darfst, um den Prinzen bzw. die Prinzessin zu treffen. Und du fragst dich, ob du überhaupt zum Ball möchtest, wo so viel Schein ist, der blendet.

    Ich weiß, das ist für dich vermutlich alles viel zu viel. Aber du bist in der Pubertät oder kommst demnächst da rein, dann wird das Gehirn neu verdrahtet und bevor du all diese leeren Lebensweisheiten da reingesteckt bekommst, wäre es gut, wenn du weißt, wie der Hase läuft. Du sollst nicht glauben, dass du so, wie du bist, nicht würdig für Michaela oder Daniela oder wie sie heißen werden sein wirst. Dein Ego braucht nicht noch mehr auf den Deckel, im Gegenteil. Du wirst lange glauben, du stündest unterhalb aller anderer Menschen und es wird dann 30 Jahre brauchen, bis dir klar wird, dass fast alle anderen sich genauso klein vorkommen wie du bis dahin. Einige fühlen sich ganz groß, die sind aber auch nicht gesünder als du. Du wirst immer anders ticken als andere Kinder, du wirst Dinge anders wahrnehmen wie sie. Sie werden nicht verstehen, warum du nicht in die Disko mitgehst. Sie wissen nicht, dass du es nicht laut magst und du um Menschen, die Alkohol trinken, einen großen Bogen machst, weil du zu Hause erlebst, dass Besoffene nichts Gutes an sich haben.

    Also kannst du auch Antje nicht in die Disko einladen, du brauchst einen Plan B. Frag mich nicht, wie der aussieht, ist ja nicht viel los hier im Dorf. Frag sie einfach, ob ihr mal wandern gehen wollt. Ja, klingt lahm, aber vielleicht ist sie davon begeistert, weil DU mit ihr wandern gehen willst. Wenn sie mitkommt, dann guck, ob du ganz unauffällig Körperkontakt herstellen kannst. Biete ihr deine Hand an, wenn ihr über eine Pfütze müsst oder wenn der Weg matschig ist oder Äste im Weg sind. Streichel ihr über die Schulter und sag: „Da war was“ und lächle dabei verschmitzt. Nutze deinen Ideenreichtum. Du wirst dich das alles niemals trauen, wenn du dich für chancenlos bei ihr hältst. Wenn sie dann wegzieht, wird dein Herz wohl einen ordentlich Knick bekommen, aber das wird auch passieren, wenn du nichts wagst – bzw. wenn du herausfindest, dass sie mit einem Kumpel von dir heimlich schreibt. Sei schneller als er! Der Vorteil nach Antje wird dann sein: Du weißt, dass du durchaus Chancen bei Frauen haben kannst und du lernst, wie du die letzte Meile überwinden kannst. Vater wird dir das nie erklären, ihm geht dein Liebesleben so am Allerwertesten vorbei wie deine sonstige Gefühlswelt.

    Ist halt blöd, dass es gerade jetzt so eskaliert ist und die Scheidung mittenrein in deine Pubertät fällt. Auch das macht was mit Menschen. Keine Ahnung, ob uns einfach Testosteron von Natur aus fehlt oder ob uns die Rebellion gegen unsere Eltern fehlt, damit die Pubertät richtig funktionieren kann und die Männer-Hormone in Gang kommen. Es wird dir Ewigkeiten vorkommen, bis du dich das erste Mal rasieren brauchst. Und so wirst du bei Frauen, die viel Testosteron im Geruch eines Mannes brauchen, auch keine Chance haben, tut mir leid. Die landen dann bei den Sportskanonen, so wie Michaela. Bei welchen Mädels bzw. Frauen, die dich die Schwere des Lebens vergessen lassen, du Chancen haben wirst, kann ich dir auch nicht sagen. So wie du nicht mit der Sprache rausrücken kannst aus Angst vor Zurückweisung, so geht es den anderen eben auch. Da haben es die Typen einfacher, die einfach fragen können: Willste f… ähm, Möchtest du mit zu mir kommen? So billig das auch rüberkommt: Die Masche hat Erfolg. Ist wie Fischen mit Dynamit. Dir wird das aber nichts geben. Lieber sitzt du den ganzen Tag mit einer Angel am Teich und gehst ohne Fang nach Hause. Dort sitzt du dann, träumst wieder von der Leichtigkeit und schreibst Bücher darüber, wie leicht es eigentlich zwischen Menschen sein könnte, wenn sie nicht in Massen als Kinder kaputtgemacht worden wären und dann ihre eigenen Kinder kaputtmachen.“

    „Schreib ich wirklich Bücher?“

    „Kommt drauf an. Wenn alles genauso läuft, dann ja. Jedes Buch wird mit einer Frau verbunden sein, mit der du dir sonnige Tage erhoffst, bei der du aber am Ende im Regen stehen wirst. Du wirst dir sagen: Je unglücklicher der Künstler, desto besser seine Werke. In den Büchern und anderen Texten verarbeitest du deine Gefühle, deine Wünsche und wenn du sie nach ein paar Jahren liest, werden dir an vielen Stellen Tränen kommen. Falls du es schaffst, bei Antje mutig zu sein – wer weiß, wie es dann weitergeht. Während der Studienzeit lernst du eine Anja kennen und wirst sie all die Jahre still anbeten. Keine Ahnung, ob du bei ihr Chancen haben wirst. Du wirst auf jeden Fall ein Bild im Kopf behalten, wie du ihr beim Eis essen gegenüber sitzt und sie dabei lächelt. Wenn du bei Antje ein bisschen raus aus dem Schneckenhaus kommen kannst, dann kannst du bei Anja auch mutiger sein, weil du dann weißt, wie es gehen kann und weil du ein Erfolgserlebnis hattest. Ein Mal mutig sein können, kann deinen ganzen Lebensweg verändern. Klar, wenn du einen Korb bekommst, wird es wieder weh tun und du kannst ihr für den Rest des Studiums nicht aus dem Weg gehen. Vielleicht hast du dann aber den Blick für eine andere frei, die ich übersehen hatte. Vielleicht hing eine wegen mir die ganze Zeit durch und ich hab sie ignoriert, weil ich völlig auf Anja konzentriert war. Liebe ist eine Katastrophe, sag ich dir …

    Egal wie: Dein Leben würde anders, wenn du dich nicht als so winzig empfinden würdest – also nicht körperlich, da schaffst du es auf 1,87 m. Deine Eltern werden dir nicht helfen können. Vater vernichtet jegliches Selbstbewusstsein durch seine Dominanz und Mutti ist das Mauerblümchen, das erst jetzt nach dieser Nacht wirklich aufwacht und sich emanzipiert. Deine Eltern können dir keinen guten Selbstwert mit auf den Lebensweg geben, sie haben selbst keinen.

    Und ich wüsste nicht, wer dich sonst an die Hand nehmen könnte, um dir Ängste zu nehmen. Du hast zwar einen älteren Bruder, aber auch nur auf dem Papier, so wie es mit Vater ist. Wunder ist es keins: Dein Bruder wurde von den Großeltern wie ihr Sohn aufgezogen, den sie nie hatten. Omas jüngerer Bruder ist mit 16 zu Hitlers Kanonenfutter geworden, vermutlich hat auch das ein Trauma hinterlassen und sich dann vererbt. Dein Bruder durfte bei Oma und Opa als kleines Kind alles – und zu Hause wartete mit Vater das komplette Gegenteil. Er hat rebelliert, schon als Kind, in der Schulzeit Lehrerinnen zum Heulen gebracht und nun die Nummer mit dem Wohnheim. Das ist eben sein Weg durch und raus aus der Kindheit unter diesen Eltern. Er kassierte dafür Vaters Handgreiflichkeiten, ich „nur“ Kopfnüsse und Ignoranz. Bloß gut, dass ich in diesen Handgreiflichkeiten kein Zeichen von Zuwendung für meinen Bruder gesehen habe und später von einer Frau so behandelt werden wollte als Zeichen von Zuneigung. Dann wäre ich wohl beziehungsfähig gewesen, nur was für Beziehungen das dann geworden wären …“

    „Klingt nicht so schön, was mich noch erwartet …“

    „Ich weiß. Eigentlich wäre es besser, wenn du nichts davon wüsstest, was auf dich noch zukommt. Und dabei hab ich dir noch wenig davon erzählt. Es ist kein Wunder, dass mir die Tränen kamen, als sich der Kleine da zu mir umdrehte. Ich will nicht, dass er zurück in diese Wohnung gehen muss. Ich will auch nicht, dass du wieder reingehen musst und noch mehr Narben sammelst, dich noch mehr einschließt, du von anderen verletzt wirst, weil sie nicht wissen, was du durchmachst. Aber ich hab keinen Plan, wie das funktionieren soll. Wir werden sehr gut darin, anderen zu helfen, aber wir sind furchtbar schlecht, Hilfe anzunehmen.“

    „Weil mir jetzt keiner hilft?“

    „Gut möglich. Wenn dir in dieser Nacht niemand zu Hilfe kam, warum soll es dann jemand in anderen Nächten?“

    „Haben die Bücher, die ich schreibe, ein Happy End?“

    „Du wirst bei deinem ersten Buch sagen: Ich gönne den Lesern erst eins, wenn ich selbst eins erleben durfte.“

    „Also …“

    „Sagen wir es so: In einem Buch gehen am Ende er und sie Hand in Hand zu ihr nach Hause. Das ist doch ein gutes Ende, oder?“

    Er grinst: „Naja, schon. Aber …“

    „Das Verkleistern der Augen überlässt du anderen. Also dieses Dann heirateten sie, bekamen fünf glückliche Kinder und wenn sie nicht gestorben sind … Du wirst mit 50 von keiner langen Beziehung gehört haben, die du für dich haben wollen würdest. In deinen Büchern wirst du wieder sehr ehrlich sein, Finger in Wunden legen und nicht einfach ein Pflaster drauf kleben. Du hoffst, dass du den Menschen damit einen Spiegel vor die Nase halten kannst, dass die Welt alles andere als heil ist, dass es sehr viele Menschen gibt, die im Dunkeln alleingelassen werden, warum so viele Menschen kaputt sind, dass man ihnen schon in der Kindheit zu Hilfe hätte kommen müssen.“

    „Und das lesen viele?“

    „Ich sag dir Bescheid, wenn es so weit ist.“

    „Hmmm.“

    „Genau. Und wie bekommen wir jetzt für unser Treffen ein glückliches Ende hin?“

    „Ich bin 11, woher soll ich das wissen?“

    „Na das Büchlein, dass du in wenigen Jahren wegen und für Michaela schreiben wirst, wird zeigen, wie viel Fantasie du jetzt schon hast. Die hat sich vielleicht auch nur deshalb so entwickelt, damit wir flüchten können oder es sind einfach gute Gene, keine Ahnung. Du schreibst doch jetzt schon Aufsätze, die aus der Reihe tanzen oder kommt das später? Okay, eher in den nächsten Jahren. Ach, du wirst übrigens auch Reden halten vor der gesamten Schule.“

    „ICH?!“

    „Japp. Du wirst bei den Thälmann-Pionieren und in der FDJ in der Schulleitung sitzen und dann darfst du die Reden halten – und schreiben. Dir wird das Null Spaß machen, aber du musst ja … Und dass du das überhaupt machst, sollte dein Selbstbewusstsein eigentlich stärken.“

    „Tut es das?“

    „Ich glaube, zu Hause wird davon niemand was wissen, zumindest wird es kein großes Thema sein. Vater wird dir nicht auf die Schulter klopfen. Ich denke, dass ihm deine Intelligenz unheimlich ist. Er selbst ist in der achten Klasse abgegangen mit sehr durchschnittlichen Zensuren. Trotzdem glaubt er, alles am besten zu wissen. Solchen Menschen wirst du später reichlich begegnen. Versuch niemals, ihnen die Welt mit Fakten erklären zu wollen. Sie haben alle ihre eigene Kindheitsgeschichte und würdest du sie kennen, würdest du wohl verstehen, warum sie so ticken. Aber das wird eine Zeit sein, in der kaum einer dem anderen mehr zuhört. Alle sprechen und halten sich dabei die Ohren zu. Sei froh, dass du keinen Kinderwunsch haben wirst. In diese kranke Welt wirst du keins gesetzt haben wollen, weil du es nicht beschützen könntest, außer du würdest es rund um die Uhr begleiten. Selbst wenn du alles richtig machen würdest, ihm alle Bedürfnisse erfüllst, dabei aber auch Leitplanken setzt – es käme in die Schule und würde wohl fertiggemacht. Oder später dann als Erwachsener.“

    „So schlimm wird es?!“

    „Ja.“

    „Kein Happy End?“

    „Wenn du dir eine Hütte im Wald leisten kannst und keine Nachrichten guckst und du dich mit möglichst wenig Menschen unterhältst, dann bekommst du vielleicht nicht mit, wenn neue Atombomben fliegen. Du wirst mir nicht glauben können, wie sich die Welt technisch entwickeln wird. Science Fiction kommt schneller als du denkst und du wirst von der Technik eigentlich ziemlich begeistert sein. Und wenn du Mitte 40 bist, wirst du schreiben: Wir haben einen wunderbaren Planeten unter unseren Füßen. Wir haben alle technischen Möglichkeiten, um die Zeit, in welcher wir auf dieser Erde wandern, sorgenfrei zu erleben. Wir haben alle Chancen, um glücklich zu sein, ob allein oder mit einem Wesen an unserer Seite. Wir sind die fortgeschrittendste Art im Umkreis von Lichtjahren. Nur eines können wir offenbar nicht: aus der Geschichte lernen.

    „Warum sind Menschen so?“

    „Frag deine Eltern.“

    „Hmm …“

    „Jetzt sag du mir, was den Kleinen da glücklich macht, du bist mit dem Alter viel näher dran.“

    Er sieht ihn an, überlegt lange. „Naja, er scheint sich über nichts Sorgen zu machen, ist neugierig, vorsichtig. Es muss ihm halt jemand ruhig erklären, dass er nicht vor Marienkäfern weglaufen braucht. Aber Vati erklärt ja nichts.“

    „Stimmt. Seine zweite große Lebensweisheit neben Weiber sind alle dämlich: Entweder man kann etwas oder man kann es nicht. Also braucht er seinen Kindern auch nichts beibringen – entweder du kannst es oder du kannst es nicht.“

    „Dann brauche ich ja nach den Ferien gar nicht mehr zur Schule?!“

    „Genau. Und mit 18 setzt du dich in sein Auto. Entweder du kannst fahren oder es landet am Baum.“

    „Wie soll man dann wissen, was man kann, wenn er mir nicht zeigt, wie was geht?!“

    „Frag ihn.“

    „Lustig.“

    „Japp. Wie sollst du merken, was du gut kannst, wenn du dich nicht ausprobieren kannst? Wie sollst du dann merken, dass du Stärken hast? Er ist nur zur Stelle, wenn du scheinbar Schwäche zeigst – aber nicht, um zu sagen Hey, ich zeig dir, wie das geht.

    Der Blick des Jungen geht zurück zum Kleinen: „Er wird nicht sofort glauben, dass der Marienkäfer ihm nichts tut, da braucht man Geduld. Was braucht er sonst? Einfach für ihn da sein. Mit ihm rumalbern. Dass er einfach Kind sein darf, mit einer Familie, bei der er sich zu Hause fühlt. Sicher. Wo man Rücksicht nimmt auf seine … Meisen. Wo er auch mal heulen darf, ohne „Reiß dich zusammen!“ zu hören. Wo er auch Angst haben darf, wenn er abends in den Keller gehen muss und wo er sich das zu sagen trauen darf. Wo man ihm zuhört. Wo er sich nicht unsichtbar fühlt. Wo man ihn fragt, wie es ihm geht. Wo er Fehler machen darf, ohne Kopfnüsse zu bekommen. Kinder machen nun mal Fehler. Wo er für Sachen gelobt wird, die er gut macht. Wo das Leben einfach Spaß macht. Eigentlich ist das nicht viel, oder?“

    Weitere Tagebuchseiten, in die Du gern reinschauen darfst:

    Ein Witz

    Ein Witz

    In mitten des Ozeans sinkt nach heftigen Stürmen ein Boot ganz langsam. Der Mann darin ist erschöpft, er bekommt den Kahn einfach nicht mehr leer, so sehr er sich bemüht. Ein zweites Boot nähert sich, der Mann schöpft Hoffnung – Rettung in Sicht nach langer Zeit. Der andere Mann kommt immer näher, grüßt kurz, schaut: […]

    Der Stein vor mir.

    Der Stein vor mir.

    Vor mir liegt ein Stein. Kein kleiner Kiesel. Er lässt mich nicht vorwärts kommen – oder schützt er mich?

    Mein liebes Leben

    Mein liebes Leben

    Wir hatten es selten leicht miteinander, du und ich. Von Liebesbeziehung konnte kaum die Rede sein, mein liebes Leben.

    Hör auf mit dem Scheiß

    Hör auf mit dem Scheiß

    Wenn dein Ego nie wachsen konnte, ist es dir eben egal, wie ehrlich ein „Ich liebe dich“ ist. Hauptsache, du bekommst es zu hören.

    Von Worten und Narben

    Von Worten und Narben

    „Die langen Ärmel ihrer Bluse rutschten nach unten, als sie in ihrer Freude die Hände noch oben riss.
    Er sah ihre Narben am Handgelenk …“ – Wie geht es wohl weiter?

    Mein Beileid (für die Angehörigen)

    Mein Beileid (für die Angehörigen)

    „Wie konnte sie nur? Ja, ihr ging es dreckig, aber was sollten wir denn machen? Mein tiefempfundenes Beileid. Sag´ Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Jetzt muss ich erstmal los.“

    Lady in Red

    Lady in Red

    Im dunklen Wasser des kleinen Sees versinken Nachtgedanken, heißt es. Doch aus ihm können auch zauberhafte Wesen steigen.

    Ich bin tot.

    Ich bin tot.

    Ich hab´s geschafft: Ich bin tot. Endlich kann ich machen, was mir Freude am Leben gibt.

    Du brauchst ein offenes Ohr?

    Jeder Mensch hat zwei Ohren. Nur was wir damit anfangen, ist recht unterschiedlich. Umso erleichternder ist es in Krisenzeiten, wenn du jemanden findest, der zuhören kann. In den letzten Jahren lernte ich, dass dies wohl meine Superkraft ist. Diese biete ich Dir hier an.

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)

  • Sei fleißig, dann stirbst du.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    Erfolg hat viele Gesichter

    Was treibt dich dazu, wirtschaftlich erfolgreich zu sein und deinen Besitz vorzuzeigen? Und was lernt dein Kind daraus?

    Im feinen Anzug in die Psychiatrie

    Jens ist 36, selbstständig mit mehreren Angestellten. Seit 16 Jahren hat er die gleiche Freundin, doch sie leben nach wie vor getrennt. Arbeit geht vor für Jens. Dadurch ist es für ihn extrem schwierig, nach der Aufnahme in der Psychiatrie drei Wochen ohne Handy und Laptop auskommen zu müssen. Doch in dieser Einrichtung gehört das Abschalten zum Therapieplan.

    Auch nach den drei Wochen sind die Patienten angehalten, auf den Kontakt nach außen und damit das Ablenken/Verdrängen zu verzichten. Doch Jens ist sofort wieder aktiv, denn ohne ihn läuft seine Firma nicht, da ist er sich sicher. In die Klinik brachte ihn totale Überarbeitung. Absolut nichts ging mehr. Wäre noch minimal etwas gegangen, wäre er nicht in die Psychiatrie gegangen.

    Wir kommen immer erst dann aus dem Arsch, wenn wir in selbigem sind.

    Seiner Therapeutin fällt Jens´ Haut auf trotz ständig langer Kleidung im Sommer: überall Schuppenflechte. Sie sagt, dass sich Dauerstress immer wieder auf den Zustand der Haut auswirkt. Demnach muss Jens unter heftigem Dauerstress stehen. Doch Jens muss schaffen. Mitpatienten vertröstet er immer wieder, wenn sie eigentlich gemeinsam etwas vorhatten. Stattdessen sitzt er an Laptop und Handy, gekleidet in Klamotten, die er sicher auch in der Firma trägt. Dass er Patient ist, sieht man ihm überhaupt nicht an.

    Erfolgsgeschichte

    Wie wird man so ein Arbeitstier? Durch Ehrgeiz? Sind solche strebsamen Menschen nicht genau das, was wir brauchen zur Wahrung unseres Wohlstandes? Menschen, die ihr Privatleben zurückstellen und etwas aufbauen? Ist dieser Arbeitseifer angeboren oder legt auch für diesen wieder die Kindheit die Weichen?

    „Wenn Sie entlassen werden, können Sie Ihr Leben nicht so führen wie bisher – es sei denn, Sie wollen genauso kurz wie Ihr Vater leben.“ Als Jens diesen Satz hört, schaut er bedröppelt. Eigentlich hatte er gedacht, er könne sich in der Psychiatrie ein paar Wochen erholen und käme mit neuem Schwung in seine Firma zurück.

    Der Weg in die Psychiatrie beginnt im Kinderzimmer.

    Jens wird in sechs Jahren sterben. Zumindest, wenn er auch in diesem Punkt der Linie seines Vaters treu bleibt und sich totarbeitet. Diese Linie des Vaters sieht Jens aber überhaupt nicht als Problem an, erst recht nicht für sich selbst. Zumindest nicht im ersten Anlauf. Probleme anderer analysiert er sofort und treffsicher – nur bei seinen eigenen funktioniert das nicht, wie bei so vielen. Erst wenn Therapeutin und Gruppe ihn die Augen mit deutlichen Worten öffnen, überlegt er und nickt nachdenklich.

    In den Therapien geht es immer wieder um die Frage: Wie hat sich das Kind, dass du damals warst, gefühlt? Vernachlässigt? Übrig? Lästig? Und was hat das Kind empfangen? „Ich bin lästig“? „Ich werde nicht in den Arm genommen“?

    Jens´ Vater arbeitete extrem viel, kam nach Hause und legte die Füße hoch. Jens selbst bekam nur wenige Minuten Aufmerksamkeit, ansonsten wollte der Vater seine Ruhe. Wie überflüssig muss sich der Junge gefühlt haben?

    Papa braucht jetzt seine Ruhe!

    Der nächste Schritt: Jenen Elternteil, gegenüber dem du diese Gefühle hattest, sollst du nicht länger in Schutz nehmen. Du musst dich deinem Verdruss stellen: „Ja, mein Vater/meine Mutter hat Scheiße gebaut. Das Verhalten war nicht richtig.“ Nichts beschönigen. Du sollst dir bewusst werden, dass es für das kleine Kind ein Problem war, es beleidigt war und dass die Gefühle berechtigt waren. Gefühle von Kindern sind IMMER richtig und haben IMMER Berechtigung. Erst mit diesem „Erwachsen“ werden, beginnt das Beschönigen. Jens sagt, er habe sich als Kind sehr gefreut, wenn der Vater ihm doch fünf Minuten Zeit gewidmet hatte.

    Es folgt die Frage: Was hätte das Kind, das ich damals war, eigentlich in dem Moment gebraucht? In Jens´ Familie war die Freude groß, wenn der Vater von der Arbeit kam. Dass er sich dann in den Sessel setzte, war egal, Hauptsache er war körperlich anwesend. Aber was nützt pure Anwesenheit? Was Jens gebraucht hätte, wäre entweder ein aufmerksamer Vater oder eine Mutter, die ihren Mann daran erinnert hätte, dass es da noch einen Jungen gibt und er nicht ignoriert werden darf. Ansonsten werde das deutliche Folgen haben für seinen Sohn, wenn dieser erwachsen ist.

    Doch keiner griff ein und so vererbte der Vater seinem Sohn, dass du nur jemand bist, wenn du bis zum Umfallen arbeitest. Vergiss Privatleben, vergiss deine Kinder. Arbeite! Verdiene! Dann wirst du von deiner Familie auf Händen getragen, egal, wie du dich ansonsten um sie kümmerst. Bis zum Infarkt. Danach gehts zur Beisetzung.

    Was steckt hinter den Gardinen der anderen?

    Worüber definieren sich die wirtschaftlich Mächtigen der Welt wie Amazon-Gründer Jeff Bezos? Warum mussten seine Mitarbeiter immer wieder für bessere Löhne streiken? Was sagt sein geschäftliches Handeln über seine Persönlichkeit? Dass er ganz sozial so viele Menschen wie möglich in Lohn und Brot bringen will? Oder dass ihm 1 Mrd. Dollar längst nicht genug waren, um sich zur Ruhe setzen zu können, weil es da andere gab, die 1,1 Mrd. hatten und dies machte sein Belohnungszentrum nicht glücklich? Warum gilt einer der reichsten Männer als geizig, wenn es um soziale Projekte geht? Weil er diese in aller Bescheidenheit heimlich unterstützt? Oder weil ihm die Millionen fehlen könnten bei seiner Ego-Pflege? Hinter wie vielen so hart wie Jens arbeitenden Machern steckt eine ähnliche Geschichte? Was sagt es über den Menschen aus, wenn er unglaublich fleißig erscheint? Wie scheinheilig sind Werbespots, die zeigen sollen, wie unglaublich sozial Amazon mit Migranten und Menschen mit Einschränkungen umgeht?

    Keiner unserer Special Effects entsteht aus heiterem Himmel. Jeder ist der Donner nach dem Einschlag.

    Meine Villa, mein Flugzeug, meine junge Frau

    Keine unserer grundsätzlichen Eigenschaften ist per Zufall entstanden: Wie wir unseren Partner suchen, wie wir mit diesem umgehen und wie wir andere Menschen behandeln, ob wir Mitgefühl empfinden können oder die Welt sich um uns zu drehen hat, ob wir uns verstecken oder auffallen wollen um jeden Preis, wie wir diskutieren, wie kompromissbereit wir sein können. Also welche Spur führt in die Kindheit der Macher und Mächtigen und was hat diese Kindheit angerichtet? Wie geht ein solcher Mensch als Führungskraft mit seinen Mitarbeitern um? Welche Erwartungshaltung hat er an diese, wenn für ihn das Arbeiten bis zum Umfallen ganz normal ist? „Du hast genauso viel zu arbeiten wie ich“ etwa?

    Wo hört der Wettlauf der Egos auf? Für jene, die sich über Geld und Macht definieren, ist die Globalisierung ein unglaubliches Geschenk. Ihr Wachstum kennt keine Grenzen mehr. Es endet nicht mehr beim einzelnen Tante-Emma-Laden, du kannst wachsen und wachsen, dein Ego bekommt das, was es braucht. Du kaufst Firma um Firma, verdrängst andere. Diese anderen bringst du zwar um den Schlaf, aber dann hätten sie halt früher aufstehen müssen. Schlafen kannst du, wenn du tot bist. Mit deinem Geld kannst du Meinungen beeinflussen, indem du Verlage kaufst, TV-Sender, Lobbyisten losschickst, selbst in die Politik gehst. Du kannst darauf bauen, dass sich in deinem Glanz andere sonnen wollen, etwas vom Kuchen abhaben möchten – und du kannst bestimmen, wie viel sie bekommen. Du allein. Deine Macht wird immer größer, du bist systemrelevant, ohne dich und deinen Weltkonzern geht nichts mehr. Wenn du ein krummes Ding drehst, wird man mit dir schimpfen, aber ansonsten hast du wegen deiner enormen Bedeutung nichts zu befürchten. Für deine Kinder hast du Personal und sie sollen eh deine Firma weiterführen, also brauchen sie keine Zuneigung von dir. Denn es könnten ihnen Skrupel kommen, wenn sie Mitgefühl entwickeln würden und deine Geschäftsgebaren genauer betrachten.

    Wie mächtig dürfen diese Menschen werden, dank denen die Spaltung in Arm und Reich voranschreitet? Wie lange bauen wir noch darauf, dass die wirtschaftlich Mächtigen schon irgendwie von Vernunft beherrscht werden und Verantwortungsgefühl haben? Woher soll dieses Gefühl kommen, wenn ein Mensch sich über Besitz definieren muss?


    Den Blick hinter die Gardinen mit 80 weiteren Biografiesplittern gibt es in meinem Buch:

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

    Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

    Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

    Noch viel mehr Lesestoff zum Buch „Verrückt – ein Aufschrei“ findest Du hier:

    Mach, was Meggie macht.

    Mach, was Meggie macht.

    „Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    „Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.

    Woher kommt Hass?

    Woher kommt Hass?

    Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.

    Wie entsteht Sucht?

    Wie entsteht Sucht?

    Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.

    Verrückt – Das Interview

    Verrückt – Das Interview

    Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)

  • Wer Musk und West verstehen will, muss die bipolare Störung verstehen

    Wer Musk und West verstehen will, muss die bipolare Störung verstehen

    Was ist los mit Elon Musk und Kanye West?!

    Veronika warnt vor dem Angriff der Roboter und frisst nebenbei ihrer Freundin den Kühlschrank leer. Katis Mann baut den Keller zur Wohnung um, weil die Chinesen kommen. Elon Musk kauft Twitter für unglaublich viel Geld und treibt es innerhalb von Tagen Richtung Pleite. Kanye West lässt mit rassistischen Sätzen einen fetten Deal mit einer Sportartikelfirma platzen. Und der eine Schauspieler aus „Braveheart“ hat doch mal Juden beleidigt, oder?! Wer nächster Bundeskanzler wird, ist für einen Ü70er, den keiner kennt, glasklar: er selbst.

    Wenn Du das unverständliche Verhalten von Elon Musk, Kanye West, Mel Gibson und anderen im Rampenlicht Stehenden verstehen möchtest, brauchst Du den Alltagsblick in die Geschichten anderer Menschen mit der gleichen Erkrankung: bipolare Störung. Und diese Geschichten machen eines klar: Wer diese Welt noch irgendwie retten will, muss Kindern das Aufwachsen mit gesundem Selbstbewusstsein ermöglichen.

    Der Weg in die Psychiatrie beginnt im Kinderzimmer.

    Lesedauer: ca. 10 Minuten

    Käpt’n Crazy

    Wie alles begann

    2009 erzählte mir beim Klassentreffen eine ehemalige Schulfreundin, Katharina, von ihrem Mann. Sie, damals Mitte 30, lebte mit ihm und ihren beiden Söhnen in einem großen Haus, an dem ihr Mann in jeder freien Minute weiter baute. Von „fertig“ waren viele Räume weit entfernt. Im Erdgeschoss hatten sie gemeinsam einen Laden eingerichtet, in welchem Katharina verkaufte. Ihr Mann hatte sich eine eigene Firma aufgebaut und gestaltete mit drei Angestellten Gärten und Höfe mit wirklich beeindruckenden Ergebnissen. Die Ideen gingen ihm nie aus, er arbeitete sehr sauber und hielt Fristen ein. Entsprechend gut lief die Firma.

    Weniger gut lief das Miteinander zwischen ihm und Katharina seit ca. zwei Jahren. Seine Trinkerei ließ ihn Dinge machen, die auf keine Kuhhaut gingen – zumindest nahmen alle an, dass es mit seinem Alkoholkonsum zu tun hatte. Diesen reduzierte er auch nicht nach einem lebensbedrohlichen Treppensturz. Da gab es kein Umdenken wie: „Oh Gott, jetzt hätte ich fast meine Kinder zu Halbwaisen gemacht! Ich hab ein Problem!“ Nein, es ging einfach weiter.

    Auf seinem Schreibtisch hatte Katharina einen Zettel gefunden: „Zukunft Laden?“ Dieser machte gute Gewinne, es konnte also nicht darum gehen, ihn wegen Verlusten aufzulösen. War der Zettel eine Reaktion auf Katharinas Verhalten? Eine Woche zuvor war eine Ex-Freundin ihres Mannes aufgetaucht. Dieser bat Kati, ihm Bilder aus der gemeinsamen Vergangenheit zu bringen – also aus seiner Zeit mit der Ex. Für Kati war es eine Kränkung, sie machte auf bockig, erwartete ein: „Tut mir leid.“ Doch er drehte den Spieß um: Er ging nach einem Dorffest nicht mit ihr nach Hause, blieb am zweiten Tag bis morgens und schlief stockbesoffen im Keller, saß an den folgenden Tagen bis in die Nacht im Büro.

    Letztlich entschuldigte sich Katharina für ihr Verhalten, um den Frieden wiederherzustellen. Außerdem hatte sie Angst, er würde ihr den Laden wirklich kündigen. Und es fiel ihr schwer, sich einzugestehen, dass sie für diesen Mann trotz allem noch etwas empfand. Dabei verzweifelte sie immer wieder daran, dass er niemals Fehlverhalten bei sich sah.

    Aber es gab auch Phasen, in denen er absolut ihre Nähe suchte, an ihrem Rockzipfel hing, kuscheln und schmusen wollte. Und einige Zeit später war sie wieder nur die Haushaltshilfe und das Kindermädchen. Um die beiden Söhne kümmerte er sich dann kaum.

    Katharina glaubte, der Stress mit dem Hausbau sei der Grund für das viele Trinken und damit für sein ganzes Verhalten. Doch auch als 2010 die Arbeit weniger wurde, änderte sich nichts. Nach dem Klassentreffen blieben wir in Kontakt und ich erfuhr jede neue Episode. Ohne Absprache hatte er sich ein verdammt teures Quad gekauft, düste damit durch Wald und Flur. In einer Nacht rief er Kati halb 3 an: Sie solle ihn bitte abholen, er sei im Wald steckengeblieben. Danach brach die Verbindung ab. Nach langem Überlegen und innerlichem Zittern – die Nerven lagen blank – ließ sie ihre Söhne (damals 6 und 8) allein, fuhr durch die Gegend, planlos, denn er hatte keinerlei Angabe gemacht, wo genau er im Wald gestrandet war. Nach einer Stunde fuhr sie wieder nach Hause, ohne Spur von ihrem Mann. Den befreite ein Kumpel am frühen Morgen aus dem Matsch.

    Für Katharina ging das alles immer mehr an die Substanz, die Nächte blieben unruhig. Teils hatte sie Todesangst, über die sie mit mir aber erst mit viel zeitlichem Abstand sprach. Noch immer hoffte sie darauf, er würde sich ändern, auch wenn er nach wie vor keinen kleinsten Selbstzweifel zeigte in seinen energiegeladenen Phasen. Ich hatte ihren Mann inzwischen „Käpt’n Crazy“ getauft, weil es einfach so unerklärlich war, was er da machte und es schwerfiel, ohne schwarzen Humor mit dieser ewig anhaltenden Situation umzugehen. Ich verglich ihn auch mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde, weil diese völlig gegensätzlichen Seiten blieben: Mal verletzte er Kati zutiefst, dann war sie sein großer, einziger Halt im Leben.

    Schlafen kann ich, wenn ich tot bin

    Neue Episoden folgten. So packte ihr Mann eines Nachts seine Tasche, fuhr aus seinem Ort im Umkreis von Leipzig Richtung Hannover, dann gen Schweiz zu einem Cousin, bis ihm einfiel, dass er in Hamburg eine Rassekatze bestellt hatte, wovon Kati nichts wusste.
    An anderen Tagen kam er nachts lautstark nach Hause oder stand ebenso rücksichtslos gegenüber Frau und Kindern auf. Zwei Stunden Schlaf reichten ihm, denn: „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.“ Er schmiss mitten in der Nacht Bauschutt per Schaufel aus einem Fenster in einen Container.

    Dann folgte wieder eine Phase, in der er ganz anders war. Wieder suchte er Katis Nähe, wurde ruhig, bereute all die Sachen, die er angestellt hatte, konnte nicht glauben, was er in den Monaten zuvor alles angestellt hatte und erinnerte sich an kaum etwas. Sein teures Quad konnte er nicht angucken, wollte es am liebsten loswerden.

    Wenige Wochen später raste er wieder fröhlich durch die Gegend, rammte Ortseingangsschilder und kleine Bäume, fuhr mehrfach in einer Nacht los. Kati musste sich jedes Wort überlegen, denn ihr Mann ging beim kleinsten Hauch von Kritik an die Decke. So schaltete sie auf „polnisches Fernsehen“: nur Bild, kein Ton. Dennoch konnte die Lage jederzeit explodieren – in einfachsten Situationen. Katharina schrieb ihm eine Liste in Druckschrift und Großbuchstaben, welche Getränke er mitbringen sollte. Er brachte die falschen. Kleinlaut und zerknirscht murmelte Kati, sie werde die Flaschen halt am nächsten Tag umtauschen fahren gegen die, die sie wollte. Wer war in den Augen ihres Mannes schuld? Natürlich seine Frau.

    Er vernachlässigte sein Geschäft, eine Angestellte suchte das Weite, der Alkohol floss wieder reichlich, betrunken setzte er sich immer wieder ans Steuer. Für das Dorffest richtete er den Hof vor dem Haus her, als käme die Königin von England, schnitt die Buchsbäume im perfekten Durchmesser. Noch immer hielten alle das Trinken für den Grund seines Verhaltens. Aber das Thema Entzug brauchte Kati gar nicht erst erwähnen.

    Ihre Hausärztin schickte Kati zur Psychologin, machte ihr klar, dass Kinder und Kunden sie doch brauchen würden in einem stabilen Zustand. Ihr Mann habe wohl eine Sinnkrise, dazu der viele Alkohol. Eine wirkliche Diagnose konnte sie nicht geben, denn er ging zu keinem Arzt, ihm ging es doch bestens.

    Die Chinesen kommen!

    Wochen später, inzwischen 2011, brach er wieder zusammen, heulte. Kati und die Jungs nahmen ihn in die Arme, beteuerten, dass alles gut sei – im Nachhinein war Kati klar, dass dies wieder die falsche Reaktion war. Aber im Beisein der Kinder fühlte sie, so handeln zu müssen. Er redete einmal mehr wirres Zeug, sein Quad blieb wieder in der Garage, er schlief viel – bis zum nächsten Wechsel. Dann reichten die 2 Stunden Schlaf pro Nacht, das Quad war wieder interessant, im Keller sollten Vorräte angelegt werden, weil die Chinesen kommen. Er quatschte im Urlaub alle Menschen an, hatte absurde Theorien über das Weltgeschehen, kaufte sich eine verdammt teure Uhr, obwohl das Geschäft inzwischen bergab ging, wollte eine Fabrik bauen und diverse Dinge zum Patent anmelden, tanzte auf Tischen, kannte keinerlei Hemmungen, glaubte, bestimmte Lieder im Radio seien nur für ihn geschrieben worden.

    Kati und ich konnten uns teils nur noch in Galgenhumor flüchten, denn das alles machte überhaupt keinen Sinn. Dieses sich immer wieder abwechselnde, grundverschiedene Verhalten war für uns unerklärlich: von Himmel hoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Alles andere als lustig war ihre Mail, in der sie schrieb: „Das, was mein Mann heute mit mir gemacht hat, könnte man als Vergewaltigung sehen.“

    Keiner unserer Special Effects entsteht aus heiterem Himmel. Jeder ist der Donner nach dem Einschlag.

    Endlich lichtet sich der Nebel

    Ende 2011 schaute ich eher zufällig eine Sendung von Sandra Maischberger. Ein Mann erzählte, dass er sich teure Hotelzimmer genommen hatte, für die ihm eigentlich das Geld fehlte, auch sonst schmiss er mit der Kohle um sich – wie Katis Mann. Er fuhr im Bademantel durch Berlin und wollte den Regierenden Bürgermeister sprechen – völlig enthemmt wie Katis Mann. Er machte Dinge, die auf keine Kuhhaut passten – und irgendwann fiel er in ein riesiges Loch, um bald darauf wieder der Größte zu sein, der vor genialen Ideen sprühte – wie Katis Mann.

    Am nächsten Morgen las ich bei Wikipedia den Artikel über die Diagnose des Mannes: bipolare Störung. Und alles passte! Katis Mann war ein lehrbuchhaftes Beispiel für diese Erkrankung. In den manischen Phasen: übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn, Sprühen vor Ideen, verringertes Schlafbedürfnis, Drang zum Reden, Ideenflucht, Zerstreutheit, Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten, sinnlose geschäftliche Investitionen, Vernachlässigung von eigentlich wichtigen Dingen wie Familie.

    In den depressiven Phasen: deutlich vermindertes Interesse oder Freude, Traurigkeit und Leere, Erschöpfung, Gefühl der Wertlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Entscheidungsunfähigkeit.

    Ich lernte auch: In den manischen Phasen gibt es keinerlei Gefühl, man sei krank. Krank sind alle anderen, die einen für krank halten. In den depressiven Phasen ist das anders. In diesen ging Katis Mann zum Arzt. Begleiterscheinungen der bipolaren Störung sind Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch sowie Panik- und Persönlichkeitsstörungen. Bei starken manischen Phasen kann auch Realitätsverlust und Wahn hinzukommen – siehe die anrückenden Chinesen und die nur für ihn geschriebenen Lieder.

    Ich schickte Kati umgehend den Link, sie las selbst und leitete den Artikel weiter an die Eltern ihres Mannes, die seit Jahren genauso wenig die Welt verstanden. Für niemanden gab es nach dem Lesen einen Zweifel: Dieser Mann hatte die bipolare Störung. Der Ausdruck „Käpt’n Crazy“ war Geschichte, das „Kind“ hatte nun den korrekten Namen.

    Bei der bipolaren Störung wechseln sich Manien – Himmel hoch jauchzend – und Depressionen – zu Tode betrübt – immer wieder ab. Dies kann innerhalb eines Tages passieren oder in Abständen von Monaten wie bei Katis Mann. Da es in den Manien kaum Krankheitseinsicht gibt, ist eine Behandlung schwierig. Mit Medikamenten muss in den Depressionen die Stimmung aufgehellt und in den Manien gedämpft werden – ein Balanceakt. Die bipolare Störung verschwindet auch nicht einfach wieder. Die Suizidrate Erkrankter ist hoch, wird mit 15-30% angegeben.

    Abschied von Käptn Crazy

    Durch das Lesen des Artikels und das weitere Befassen mit dem Thema kam Mitleid in mir auf für diesen Mann, der sich phasenweise wie das größte Arschloch verhielt: Er konnte nicht anders. So wenig, wie man sich aus einer Depression mit guten Worten schaufeln kann, so wenig kann man sich aus der Manie auf den Boden zurückholen.

    Bei dieser Erkrankung ist die Signalübertragung mehrerer Neurotransmitter gestört, darunter Glutamat, Serotonin und Dopamin. Medikamente sollen dies korrigieren. Bei Depressionen will man erreichen, dass Serotonin nicht zu schnell abgebaut wird. Bei Manien schießt Dopamin in schwindelerregende Höhen.
    Wann warum bei wem eine bipolare Störung auftreten kann, ist offen. Viele Betroffene erlebten vor der ersten spürbaren Episode intensiven Stress. Andere überstehen ähnlichen Stress aber ohne diese Erkrankung. Gene spielen eine Rolle. Der Vater von Katis Mann zeigte ebenfalls Züge, die an Manien und Depressionen erinnerten.

    Und der Vater scheint auch abseits der Gene ein Schlüssel zum Ausbruch der Störung zu sein. Auf ihn ist Katis Mann nie gut zu sprechen gewesen – und man kann es verstehen. Immer wieder vermisste er die Anerkennung seines Vaters. Er konnte noch so erfolgreich sein Geschäft von Null aufgebaut haben und mit dem Haus vorankommen – vom Vater kam nichts Aufbauendes.

    Seiner Schwester ging und geht es nicht anders. Sie übernahm nach und nach das Geschäft des Vaters – und der spricht immer wieder davon, wie schön ein männlicher Nachfolger aus der eigenen Familie wäre, auch im Beisein seiner Tochter. Frauen scheinen in seinen Augen so wenig wert zu sein wie der zweitgeborene Sohn für Katis Ex. Seine Enkelsöhne animiert er immer wieder, beruflich eines Tages in seine Fußstapfen zu treten. Die Söhne mussten auch einen Vornamen bekommen, der mit dem gleichen Buchstaben anfängt wie der des Vaters und des Opas. Als ich dies das erste Mal hörte, fühlte ich mich an uralte Fürstenhäuser mit ihren Erbfolgern erinnert.

    Wie ich über die Jahre seit 2010 lernte durch die Geschichten vieler Menschen: Psychische Erkrankungen haben immer etwas zu tun mit nie durch Eltern gesund entwickeltes Selbstbewusstsein. Ich erlebte keinen einzigen, der/die trotz angenehmer Kindheit psychisch erkrankte. Das Muster war immer das Gleiche.

    Aus und vorbei

    Katharina beschloss nach unserer Diagnose, vorübergehend auszuziehen mit ihren Kindern bis zum Ende der aktuellen Manie. Dies war im Januar 2012. Ein Auszug für immer kam für sie nicht in Frage, es wäre viel zu aufwändig, z.B. der Ausbau der von ihr bezahlten Einbauküche. Außerdem wollte sie immer eine Familie und war bereit, einiges auf sich zu nehmen, wo andere den Kopf schütteln. Sie kam im Haus einer Freundin unter.

    Drei Tage nach dem Auszug fuhr sie morgens wieder in ihren Laden. Auf dem Hof standen die Angestellten ihres Mannes und wussten nicht, was sie machen sollten. Als Kati fragte, was los sei, sagten sie, dass der Chef mit einer Unbekannten oben in der Wohnung ist und ihnen keine Aufgaben erteilt hatte. Als ihr Mann am späteren Nachmittag die Unbekannte heimlich in sein Auto brachte und mit ihr wegfuhr, ging Kati hoch in die Wohnung. Das gemeinsame Bett bot eine Ansammlung von Körperflüssigkeiten. Nach dem ersten Schock und mit heftig aufsteigender Wut steuerte sie einige Chilischoten bei, die Teil eines Buffets waren, welches ihr Mann aufgebaut hatte. Außerdem trat sie gegen einen alten Globus, der in viele Einzelteile zerbrach. Was sie sich drei Tage zuvor nicht vorstellen konnte, war mit diesem Anblick nun kein Problem mehr: Der unumkehrbare Auszug war beschlossen.

    Nur ist mit einem Maniker nicht zu spaßen. Er ging zur Polizei und zeigte Kati wegen Sachbeschädigung, Vorenthaltung seines älteren Sohnes – der jüngere war ihm einmal mehr egal – und Hausfriedensbruch an. Für ihre Aussage kam Kati zur gleichen Polizistin, welche die Anzeige aufgenommen hatte. Diese sagte, der Mann habe einen ziemlich „komischen“ Eindruck gemacht, wollte ihr seine Lebensgeschichte erzählen.

    Den Auszug versuchte er zu verzögern, nagelte an den Treppenaufgang ein Brett, tauschte das Schloss aus. Kati war mit den Nerven inzwischen restlos am Boden. Ich erkundigte mich für sie bei einer Anwältin, was Katharina nun noch durfte und was nicht. Die Anwältin sagte: Solange sie polizeilich in dem Haus gemeldet ist, kann sie in die Wohnung, beide haben Hausrecht. Verwehrt er den Zugang, könnte sie den Schlüsseldienst rufen. Das Brett am Aufgang solle sie fotografieren, um Entfernung bitten. Würde er der Bitte nicht folgen, müsste sie die Polizei rufen. Umzugshelfer müssten an der Grundstückseinfahrt warten. Die Einbauküche könne sie nur bekommen, wenn er einverstanden ist. Will er sie behalten, muss er den Verkehrswert zahlen. In dem Fall solle sie sich erst polizeilich ummelden, wenn sie das Geld bekommen hat. Und sie solle alles exakt im Übergabeprotokoll festhalten.

    Abstand ja, Ruhe nein

    Als der Auszug überstanden war, fing der Kampf um die Kinder an, bzw. von seiner Seite aus nur um den älteren Sohn. Anwälte, Schreiben, die er nicht verstand, usw. folgten. Außerdem zog eine Neue bei ihm ein, die sich als Osteuropäerin herausstellte. Nach 14 Tagen scheiterte ein erster Versuch, sie wieder nach Warschau zu bringen. Letztendlich brauchte er vier Anläufe, damit sie wieder in ihre Heimat zurückkehren konnte. Informationen bekam Kati von seiner Sekretärin, die sich aber zunächst für einige Tage krankschreiben ließ und zum Ende des Februars kündigte. Sie war immer wieder niedergemacht worden und hielt den Psychostress nicht mehr aus.

    Seine Firma vernachlässigte er, baute sich dafür einen Waffenschrank ein. Als Jäger durfte er Waffen besitzen. Auch wenn ich bis dahin von Katharina schon viel Haarsträubendes gehört hatte, aber diese Nachricht haute mich noch einmal ordentlich um: Waffen in den Händen dieses Mannes?! Immerhin griff hier sein Vater nach einiger Zeit ein und durch, nahm die Waffen an sich, auch er ist Jäger.

    Ansonsten spielten seine Eltern eine schwierige Rolle. Am Anfang schienen sie zu akzeptieren, dass ihr Sohn krank ist. Doch dies kippte nach einigen Wochen. Für sie war plötzlich ER gesund, nur Kati mache das Treiben wild. Dass er beim Fasching mehrere Leute angemacht hatte, dass er bei einer Feier Leuten aufs Maul hauen wollte, spielte keine Rolle. Gipfel war ein Gespräch zwischen seiner Mutter und Kati, bei dem die Mutter ihren armen Sohn bedauerte, der an einem Sonntag wieder wegen eines Notfalls arbeiten müsse. Da platzte Kati der Kragen: „Der musste nicht zur Reparatur, der hat seine Nutte nach Warschau schaffen müssen!!!“ Daraufhin wurde die Mutter still.

    Wochen später kehrte endlich wieder etwas Ruhe ein – für Kati höchste Zeit. Der Magen rebellierte, das Gewicht ging nach unten, immer wieder spürte sie kurze Herzrhythmusstörungen. Ihr Mann zog wieder seine blauen Arbeitsklamotten an und trug nicht mehr schwarz, das Quad blieb als rotes Tuch stehen, wegen der Kinder machte er keine Probleme. Langsam ging es aus dieser kurzen Phase der Normalität hinein in die Depression. Jetzt konnte sein Kopf realisieren, was in den Wochen zuvor alles kaputtgegangen war, was er seinen Kindern, Kati und sich selbst angetan hatte. Durch die Depression verstärkten sich die Schuldgefühle, er suchte die Nähe zu seinen Eltern, tat alles, um Kati milde zu stimmen, kam ihr in allem entgegen, was die Trennung und Kinder anging.

    Kein Happy End

    Wäre dies ein Film oder Roman, würde man an dieser Stelle die Schlussszene oder das letzte Wort finden: „Am Ende wurde doch noch alles irgendwie gut.“ Der Film „Silver Linings“ mit Jennifer Lawrence und Bradley Cooper macht es genau so. Cooper spielt einen bipolaren Mann, der auf eine psychisch instabile Lawrence trifft. Die Fetzen fliegen, manche Dialoge wirken nah an der Realität – bedrückend nah, wenn man aus seinem Umfeld solche Szenen kennt.

    So gut ich den Film bis eine Minute vor Schluss fand: Das Ende machte für mich alles kaputt. Alle sitzen am Sonntag wie in guten alten Zeiten bei seinen Eltern zusammen und der Bipolare scheint dank der Liebe geheilt zu sein. Ja, es ist „nur“ ein Film. Ja, die Menschen gehen nicht mehr ins Kino, wenn sie kein Happy End für ihren Eintritt bekommen. Aber ein solcher Film prägt! Er hat die gleiche Moral wie all die Bad-Boy-Bücher: Die Liebe heilt ALLES. Halte nur lange genug durch und der Mensch mit psychischer Störung wird geheilt.

    Als Kati in der Zeit zwischen unserer Erkenntnis, ihr Mann sei bipolar, und ihrem endgültigen Auszug bei einer Psychologin alles geschildert hatte, sagte diese klipp und klar: „Sie müssen mit Ihren Kindern da raus, sonst werden Sie auch krank.“ Neben dem Anblick des befleckten Ehebettes war diese Aussage für Kati der Türöffner nach draußen. Ansonsten wäre sie wohl geblieben, sagt sie noch heute.

    Da diese Geschichte nicht dem Hirn eines Autoren entsprungen ist und auch nicht so gebogen werden muss, damit sie sich gut verkauft, ging es ohne Happy End immer weiter. Katharina bekam von den Angestellten ihres Mannes hin und wieder die neuesten Geschichten erzählt. Einer nach dem anderen kündigte über die Jahre, teils mit Bauchschmerzen aus Angst davor, nichts Neues zu finden. Aber die Atmosphäre in der Firma, die Sprüche des Chefs wie „ICH mach hier eh alles, ihr macht nichts!“, die immer seltener werdenden Aufträge – am Ende war der Weggang ohne Alternative.

    Die Berichte drehten sich immer wieder um Frauen, immer aus Osteuropa. Manchmal präsentierte er eine bei Familienfesten, wobei die Eltern bemüht waren, sie als neue Freundin vorzustellen. Die Angst vor einem Gesichtsverlust der ganzen Familie im kleinen Ort war noch immer groß. 4 Jahre lang arbeiteten die Eltern gegen Kati, verteidigten immer wieder das Verhalten ihres Sohnes. Dem würde einfach nur der Kontakt zu seinen Kindern fehlen.

    Hilfe!

    Vom Jugendamt bekam Katharina nur begrenzt die Unterstützung, die man als Mitleidender erhoffte. Mit dem Thema bipolare Störung schien sich die Mitarbeiterin überhaupt nicht auszukennen. Katis Mann wirkte bei Terminen, zu denen sie gemeinsam erscheinen mussten und bei denen er in einer Manie war, als könne ihm niemand etwas anhaben. In den wenigen Minuten zeigte er sich normal, was für Kati schwer zu ertragen war: Wie sollte sie der Mitarbeiterin deutlich machen, wie psychisch erkrankt ihr Mann war?

    In einem Forum zur bipolaren Störung wollte ich mich erkundigen, ob ein Mensch mit dieser Erkrankung wenigstens gegenüber seinen Kindern berechenbar und verantwortungsvoll handeln kann. Den Satz „Das ist mir zu riskant“ schien Katis Mann für sein eigenes Leben in den Manien nicht zu kennen. Was würde er den Kindern zumuten an Risiko?

    Allerdings konnte ich nicht lange im Forum bleiben, der Wind war von Seiten der Erkrankten rau. Ich könne doch nicht wegen einer TV-Sendung einen Menschen als bipolar diagnostizieren?! Dass Katis Mann diese Diagnose inzwischen auch von ärztlicher Seite hatte, war egal. Die Mutter einer Bipolaren schrieb mir in einer persönlichen Nachricht, dass die Erkrankten in diesem Forum dazu neigen, die Angehörigen recht schnell vertreiben zu wollen. Sie und andere Angehörige empfahlen dringend einen betreuten Umgang und den Kampf ums alleinige Sorgerecht.

    Sprachlos machten Erzählungen. Eine Mutter schrieb, dass ihre manische Tochter Stimmen hörte, die ihr sagten, sie solle sich aus dem Fenster stürzen und ihr Ehemann sei in einer Sekte. Solche Wahnvorstellungen gehören nicht direkt zur bipolaren Störung, sind mögliche Begleiterscheinungen.

    Wie viele Kampagnen werden wir noch starten, bis wir endlich einsehen, dass sich Erwachsene nicht mit Appellen an die Vernunft erziehen lassen?

    Hals- und Beinbruch

    Katharina ließ sich scheiden – noch einmal ein Nervenkrieg. 2015 verunglückte der Vater ihrer Kinder mit seinem Quad mitten in der Nacht bei einer weiteren Fahrt durch den Wald. In seinem Blut stellte man 4 Promille Alkohol fest. Er überlebte, schrammte aber um zwei Millimeter an einer Querschnittslähmung vorbei. Für die Ärzte war klar, dass er operiert werden musste. Doch nach drei Tagen Klinik entließ er sich mit einer Halskrause selbst, ließ sich nach Hause fahren und musste erst einmal ein Bier mit dem letzten verbliebenen Angestellten trinken. Ja, er war wieder in der Manie.

    Die Operation folgte beim Abklingen der Phase und als ihm Angst wurde, er den Kopf immer weniger schmerzfrei bewegen konnte und die Halskrause stank. In dieser Phase erwachte bei Kati das Helfersyndrom. Sie hatte noch immer Reste von Gedanken, sie selbst habe ihren Ex durch ihr Verhalten oder Druck mit dem Hausbau krank gemacht. So unterstützte sie ihn bei der Rückkehr in die Klinik, die OP lief gut. Nach dem Treppensturz hatte er zum zweiten Mal das berühmte Glück der Betrunkenen.

    Die Frau, die eben noch vom Helfersyndrom gepackt worden war, bedauerte in der nächsten Manie ihres Ex-Mannes, dass er überlebt hatte. Das mag hart und kalt klingen, aber ich hatte kein Problem, diesen Gedanken nach all dem zu verstehen. Auch wenn sie inzwischen räumlichen Abstand zu ihm hatte, war er immer wieder durch die Kinder, Anrufe und Nachrichten präsent. Letztere wurden oft unter Alkohol geschrieben, anders konnte sich Kati Form und Inhalt nicht erklären: „Geld bekommst du später, Finanzamd macht mir Probleme. Würde gern auch meine Kinder zu Gesicht begrüßen würden. Läge mir sehr am Hertzen! Sind sicher auch meine Kinder wo der Vater wohl felt. Gebe mir die Kinder. Oder nur eins und ich gebe ihnen was für die Zukunft. Nein, so wollte ich das nicht sagen. Ich will sie nur ab und zu sehen. Gerantwortlich bist du ja. Es sind hoffe meine leiblichen Kinder.“

    Er wollte endlos und immer wieder wirr diskutieren. Und wenn ein Maniker sagt, dass das Gras rot ist, dann ist es rot und man kann sich jedes Wort sparen, man wird ihn nicht umstimmen können.

    Was macht das alles mit den Kindern?

    Ja, mit dem Tod hätten die Kinder ihren Vater verloren – bzw. ihre drei Väter: den manischen, den depressiven und den in den Phasenübergängen ausgeglichenen. Wie schwer muss das für Kinder zu verstehen sein, was Erwachsene kaum ertragen können? Gerade der Manische zeigte sich immer wieder als schwer zu verdauen. Als sein älterer Sohn 16 wurde, rief der Vater ihn an und sagte, dass er wohl noch einen weiteren Sohn zeugen müsse, der eines Tages das Erbe antritt, denn seine bisherigen Kinder würden sich ja nicht um ihren Vater kümmern. Nach dem Gespräch heulte der Sohn. So sehr er über die Jahre gelernt hatte, mit der Krankheit seines Vaters irgendwie klarzukommen, so sehr verletzten ihn diese Worte. Und auch als Erwachsener willst du in diesem Moment dem Typen an den Kragen, ihn wachrütteln, ihn ohrfeigen, damit er endlich aufwacht – obwohl du dir immer wieder gesagt hast: Er verhält sich nur so durch die Manie und diese lässt sich nicht mit Vernunft steuern, genauso wenig wie die Depression.

    Und wenn sich das Adrenalin gelegt hat und das rationalere Denken wieder eine Chance hat, dann sagst du dir einmal mehr: Diese Krankheit willst du nicht geschenkt haben. In einer einzigen manischen Phase, gegen die du nichts machen kannst, wenn du nicht mit Tabletten eingreifst, kannst du dir so viel kaputt machen. Katis Ex hatte sich seine Firma, seinen guten Ruf über Jahre aufgebaut – und inzwischen gibt es sie nicht mehr. Seine Mutter brach in einer manischen Phase ihres Sohnes psychisch ein und verbrachte mehrere Wochen in der Psychiatrie. Jedes Auf und Ab ist gerade für die Mutter belastend. Die Eltern haben ihre Verdrängung ablegen können und sind sich auch nach außen hin bewusst, dass ihr Sohn eine psychische Erkrankung hat. Sie legen Katharina keine Steine mehr in den Weg, unterstützen die Söhne.

    Diese versucht Kati möglichst von Stress fernzuhalten. Die Angst, dass auch einer von ihnen die genetische Veranlagung zur bipolaren Störung in sich trägt, ist immer da. Aber wie kann man seine Kinder heute vor Stress, dem möglichen Auslöser, wirklich bewahren? Wer nimmt Rücksicht in dieser Ausbildungs- und Arbeitswelt?

    Der jüngere Sohn musste sich durch die ersten Schuljahre kämpfen mit Nachhilfe und Ergotherapie, bekam dann sehr gut die Kurve. Doch die anfänglichen Misserfolge in der Schule, aber vor allem die Vernachlässigung durch seinen Vater machten es schwer bis unmöglich, Selbstbewusstsein aufzubauen – ein Muster, das sich durch alle Geschichten in meinem Buch zieht und deshalb sehr viele Menschen verbindet. Er zeigt deutliche depressive Züge, wiegt mit 15 Jahren 40 kg bei 1,71 m Körpergröße, weshalb ein stationärer Klinikaufenthalt angeraten wird. Wenn es um seinen Vater geht, kommen ihm die Tränen. Er sucht weiterhin die Anerkennung seines Vaters – die dieser selbst bei seinem Vater seit Kindertagen suchte und wohl nicht zuletzt deshalb krank wurde. Die Kette setzt sich weiter fort.

    Erwachsene sind Kinder in großen Körpern.

    Was Vater und Sohn verbindet, trennt sie

    Für die Psyche beider Kinder – es ist schwer zu glauben, dass am großen Sohn alles abgeprallt sein soll – wäre es gut, wenn sie tief im Inneren akzeptieren könnten, dass ihr Vater durch seine Erkrankung und dessen eigene Kindheit die Anerkennung nicht leisten kann, auf die sie hoffen. Für ihre Psyche wäre es wichtig, zu verinnerlichen, dass es nicht an ihnen selbst liegt, dass ihr Vater seine Vaterrolle nicht ausfüllt. Sie könnten die klügsten, schönsten, tollsten, begabtesten Menschen der Welt sein – es würde nichts bringen. Selbst wenn sie berühmte Stars werden würden mit Millionen Fans und Milliarden auf dem Konto oder wenn sie eine riesige, erfolgreiche Firma aufbauen würden oder wenn sie jegliche Krankheit der Welt heilen könnten – es würde sich nichts verändern. Ihr Vater und seine Schwester hatten bei ihrem Vater ja ebenfalls keine Chance auf Anerkennung, so hart beide auch gearbeitet haben. Aber wie ich über die Jahre lernte, in denen ich die Geschichte von Kati und ihren Kinder verfolgte, können selbst 40- und 50-Jährige die Hoffnung auf Anerkennung von Vater und/oder Mutter nicht einfach mit Hilfe der Vernunft und Wissen über Erkrankungen aus ihrem Kopf löschen.

    Vater und Sohn könnten sich stundenlang darüber unterhalten, was es mit dir macht, wenn du vergeblich auf der Suche nach Anerkennung deines Vaters bist. Vater und Sohn verbindet die Kindheit – und dieses Verbindende sorgt dafür, dass es die beiden trennt. Und sollten die Söhne eines Tages Väter werden, wird alles von vorn beginnen, wenn wir nicht endlich anfangen, zuzuhören und uns mit der Entstehung psychischer Erkrankungen zu befassen.

    Ich habe keine Ahnung, wie lange es ohne mein zufälliges Stolpern über den Bipolaren in der Sandra-Maischberger-Sendung noch gedauert hätte, bis das Rätsel um das Verhalten von Katis Mann gelöst worden wäre. Wir alle waren völlig Ahnungslose und diese Ahnungslosigkeit hätte Katharina möglicherweise mit schweren gesundheitlichen Folgen bezahlen müssen. So hatte es die Psychologin ihr eindringlich erklärt, bei der sie nach unserer Diagnose war: „Sie müssen da raus, sonst werden Sie auch krank! Und die Kinder mit Ihnen.“

    Und plötzlich sind sie überall?!

    Manuela

    Dass die Warnung der Psychologin keine bloße Panikmache war, erfuhr ich 2015. Ich begegnete auf der Suche nach dem passenden Deckel Manuela, Anfang 30, die eine Krebserkrankung inklusive Verlust eines Organs hinter sich hatte – und eine dreijährige Beziehung mit einem Bipolaren. Während die manischen und depressiven Phasen bei Katharinas Ex im Abstand mehrerer Monate wechselten, erlebte Manuela bei ihrem Freund beide Phasen täglich: Für einige Stunden war er im tiefsten Loch, bezeichnete seine Freundin als einzigen Halt in seinem Leben, suchte ihre Nähe. Und noch am gleichen Tag wollte er mit der Nachbarin vögeln, stieß seiner Partnerin in jeder erdenklichen Weise vor den Kopf, strotzte vor Energie und war der Größte. Tag für Tag, drei Jahre lang Leben mit zwei extrem unterschiedlichen Persönlichkeiten. Für den Kopf ein unglaublicher Stress.

    Wir kommen immer erst dann aus dem Arsch, wenn wir in selbigem sind.

    „Warum ist sie nicht einfach gegangen, bevor sie Krebs bekam?!“, ist die logische Frage. Diese kann man Männern und Frauen in zehntausenden Beziehungen stellen, dazu braucht es keine bipolare Störung. Und man kann die Frage auch Alleinstehenden oder Menschen in glücklichen Beziehungen stellen, die längst zum Arzt hätten gehen müssen, weil sie durch Stress auf Arbeit am Stock gehen oder irgendwo etwas wuchert, was da nicht hingehört. Menschen handeln oft erst dann, wenn der Leidensdruck im tiefroten Bereich ist, da schließe ich mich problemlos mit ein.

    Bei Beziehungen mit psychisch Erkrankten spricht man immer wieder von Co-Abhängigkeit, wobei der Begriff umstritten ist, weil er den Partnern der Erkrankten unterschwellig eine Mitschuld geben könnte. Auch Kati war gesagt worden, dass eine Co-Abhängigkeit drohe, wenn sie bleiben würde. Co-Abhängige sagen nicht: „Jetzt reichts, ich schleif dich zum Arzt, egal, wer davon etwas mitbekommt!“, sondern sie verlängern die Krankheits- und damit die Leidensdauer, indem sie die Erkrankung vertuschen wollen, dem Erkrankten selbst laienhaft helfen möchten, „Alles ist gut“ sagen. Vielleicht kann man es so zusammenfassen: Co-Abhängige tun all das, worüber sie beim besten Kumpel oder der liebsten Freundin die Hände über den Kopf zusammenschlagen würden mit den Worten: „Mensch, das kannst du doch nicht machen!!!“

    Manuela hatte vor dem bipolaren Freund nur eine Beziehung. Ihr Selbstbewusstsein hatte sich unter ihren extrem dominanten Eltern nie entwickeln können, früh kämpfte sie mit Depressionen und starkem Übergewicht. Diskutieren braucht man mit ihr nicht. Sie weiß, wie der Hase läuft und lässt sich davon nicht abbringen, oft weicht sie vom eigentlichen Thema ab, fühlt sich schnell angegriffen. Damit ist sie in einer sehr großen Gemeinschaft von Menschen, die ähnlich ticken. Und auch dass Menschen mit geringem Selbstbewusstsein in Beziehungen landen, die überhaupt nicht das sind, was sie eigentlich suchen, traf auf sie zu. Wenn man von den Eltern gemobbt wurde, greift man nach jedem Strohhalm, der Zuneigung und Anerkennung verspricht. Hauptsache nicht mehr allein sein.

    Veronika und der Angriff der Roboter

    2016 fand sich die Tochter einer Verwandten in einer Realität wieder, die filmreif war. Nadine, 22, absolvierte ihre Ausbildung zur Altenpflegerin und hatte sich mit Veronika, 21, angefreundet. Deren Mutter hatte Veronika ein Jahr zuvor aus der elterlichen Wohnung geworfen, was unglaublich hart und nicht nachvollziehbar klang.
    Beide Frauen waren gerade in der Prüfungszeit im Praktikum. Nadine wollte von ihrer Freundin per Telefon wissen, wie es gelaufen war, doch sie erreichte Veronika nicht. Diese reagierte weder auf Anrufe noch Nachrichten, auch die Wohnung machte sie nicht auf.

    Als es doch zum Telefongespräch kam, redete Veronika „einen Haufen Mist“. Zum vereinbarten Treffen ein paar Tage später erschien sie nicht. Am späten Abend tauchte sie in Nadines Wohnung auf und erzählte, dass alle einen Chip unter der Haut haben und verfolgt werden. Sie hielt ihr das Handy vor die Nase und sagte immer wieder: „Das Video musst du dir angucken! Du musst genau hingucken!“ Wenig später sprach Veronika davon, dass Roboter angreifen würden und sie wolle noch auf eine Party.

    In einer Zigarettenpause, in welcher Veronika auf den Balkon verschwand, machte die sehr schüchterne Nadine etwas, was sie ein, zwei Jahre zuvor nie gemacht hätte: Sie rief die 112. Doch Hilfe bekam sie keine: Erst, wenn diese Frau zur Bedrohung für sich oder andere werde, könne man etwas unternehmen. Veronika kam zurück, wollte bei Nadine bleiben, aß ihr den Kühlschrank leer, ging gegen 1 Uhr. Nadine war hundemüde, aber auch völlig durch den Wind.

    Am nächsten Tag rief sie den Bruder von Veronika an, die Nummer hatte sie in der Nacht heimlich dem Handy ihrer Freundin entnommen. Wenig später meldete sich auch Veronikas Mutter, also jene Frau, die ihre Tochter ein Jahr zuvor vor die Tür gesetzt hatte. Sie erzählte, dass die bipolare Störung in der Familie liegt und bat Nadine, Veronika so zu lenken, dass sie in die Klinik geht. Sie sei die einzige, auf die ihre Tochter hört. Für eine 22-Jährige ist das nicht gerade wenig Last und das alles geschah in der Prüfungszeit.

    Drei Tage später meldete sich Veronika bei Nadine: „Ich bin gerade an einer Haltestelle, aber verrate nicht an welcher.“ Sie erzählte auch etwas von einem Flüchtlingsheim. Nadine rief wieder den Bruder an, der eine Ahnung hatte, wo sich seine Schwester befand. Also fuhr Nadine durch die Stadt, zeigte am Eingang des Heims ein Foto ihrer Freundin und fragte, ob man sie hier gesehen habe. „Ja, die ist oben. Wir hätten sie sowieso gleich rausgeschmissen, die belegt die Kinder.“

    Nadine ging hinein und rief wieder die 112 an. Dieses Mal hatte sie eine Frau mit mehr Verständnis für die Situation an der Leitung, sie schickte einen Krankenwagen vorbei. Veronika ließ sich überraschenderweise mitnehmen, zeigte sich sogar fast dankbar gegenüber ihrer Freundin.

    Diese informierte die Mutter umgehend, die auf dem Heimweg aus dem Urlaub war. Auch sie dankte, traf sich mit Nadine und erzählte, warum sie ihre Tochter aus der Wohnung geworfen hatte: Veronika war gegenüber dem neuen Freund der Mutter immer wieder giftig geworden und hatte heftige Wutausbrüche. Zusammen holten sie zwei Wellensittiche aus Veronikas Wohnung, die recht eklig aussah, denn zwei Kaninchen liefen frei herum. In der Klinik redete die Mutter mit Engelszungen auf die Ärzte ein, sie mögen ihre Tochter wenigstens 3, 4 Tage behalten, denn die Entlassung lag bereits in der Luft.

    Die Lage wurde ruhiger, als diese manische Phase abklang. In der anschließenden Depression wurde Veronika klar, dass sie durch die verpasste Prüfung die Ausbildung geschrotet hatte. Für eine Fortsetzung fehlte ihr durch die Depression die Kraft.

    Nadine blieb der Halt für Veronika, auch in den nächsten Manien und sie brauchte dazu viel Energie. 2017 bekam sie im Urlaub einen Anruf von Veronika und verstand nichts: „Da da du die da du …“ Nach der Rückkehr besuchte sie ihre Freundin in der Psychiatrie und war kurz vor dem Ausrasten: Veronika sah bescheiden aus, aß kaum etwas und schlief genauso wenig, weil sie in der Zeit vor der Einweisung in die Klinik ihre Tabletten nicht mehr genommen hatte, dadurch tief in die Manie gerauscht war und – Manie typisch – lieber Party machte. Der Verfolgungswahn war zurück, an den Wänden hingen sehr seltsame Bilder.

    Das alles setzte sich bis heute fort.

    Weitere Begegnungen

    Ebenfalls 2017 begegnete ich einer Frau um die 30, die sich selbst als bipolar bezeichnete. Eine offizielle Diagnose gab es nie, von Psychologen hielt sie Null. Wir lernten uns wohl in einem Phasenwechsel kennen, sie verhielt sich am Anfang ausgeglichen. Ich erlebte mit ihr eine wunderbare Zeit mit Momenten, die man aus Liebesromanen kennt und bei denen man nicht glaubt, dass es so etwas in der Realität geben könnte. Eine Tante von ihr hatte die Diagnose bipolare Störung, sie starb nach einem Beziehungsdrama, welches in Regionalzeitungen erwähnt wurde.

    Der Sohn dieser Tante, mit dem ich für ein paar Stunden ins Gespräch gekommen war, sah in der bipolaren Störung keine Erkrankung. Wenn jemand das Gras als rot bezeichnet, dann sei das doch einfach das Recht jedes Menschen, die Welt so zu sehen, wie er sie wahrnimmt. Sich selbst bezeichnete der 35-Jährige als Priester, der als solcher immer wieder wiedergeboren werde. Dies hatte eine Sitzung bei einer Hellseherin ergeben. Schicksalsschlägen könne man mit einer positiven inneren Einstellung begegnen, so seine Sichtweise. Opfer werden auch zu Opfern, weil sie es zulassen, Opfer zu werden.

    In dem Moment, als er das sagte, fiel mir eine Freundin ein, die mit 10 missbraucht worden war und ich kochte, nachdem ich bereits am bisherigen Gesprächsverlauf verzweifelt war. Immerhin schob er nach, dass diese Aussage sehr verkürzt ist. Beruflich macht er etwas sehr Bodenständiges, Kreatives, ist damit erfolgreich selbstständig, hat sich einen Namen erarbeitet. Beim Abschied sagte er lächelnd zu mir: „Ist nicht einfach, mit einem Narzissten zu reden, was?“

    Als Narzissten bezeichnete die vorübergehende Frau an meiner Seite auch sich selbst und ihren Ex vor mir. Dessen Vater war ebenfalls bipolar und in Behandlung. Durch eine Manie und der damit verbundenen völligen Veränderung ihres Wesens endete unsere Beziehung.

    Was mir auf ihren Fotos auffiel, die sie in der Zeit nach der Trennung postete: Sie zeigte sich stark geschminkt. Während unserer Beziehung legte sie darauf kaum Wert, nur etwas Mascara und das wars. Ich schaute mir ältere Bilder an und auch hier zeigte sie sich sehr unterschiedlich stark geschminkt. Ihr Gesicht wirkte auf den Fotos nach der Trennung wie eine Maske.

    Zwei Jahre später hatte ich ein Déjà-vu: Mit einer Bekannten kam ich auf das Thema bipolare Störung zu sprechen, denn auch ihre Tante schwankt seit über 20 Jahren zwischen Höhen und Tiefen. Die Diagnose bekam die Tante damals per Zufall. Seitdem geht sie immer in die Klinik, wenn sich die manischen Zeichen zeigen. Die Manien kündigen sich bei ihr immer mit einer tiefen Depression an und folgen immer auf Phasen mit purem Stress. Vor Beginn der Manie bei meiner Ex hatte sie auf Arbeit eine deutliche Stressphase.

    Als ich mit der Bekannten dieses Gespräch führte, war ihre Tante gerade wieder in der Klinik. Auslöser war eine Wohnungskündigung wegen Eigenbedarfs. Auch hatte sie das Antidepressiva zu lange genommen. Der „Stimmungsaufheller“, der einem aus der Depression helfen soll, wirkte als Zug, der direkt in die Manie rauschte.

    Seit 7 Jahren lebte sie in einer Beziehung, was aus meiner Sicht wirklich nur funktionieren kann, wenn der Erkrankte auch in den Manien zum Arzt geht. In der Klinik schimpfte sie über ihren Freund, weil er all ihre Bestellungen storniert hatte. Dabei hatte sie bereits in dieser manischen Phase ihr komplettes Erspartes, rund 4000 Euro, ausgegeben. Dass er ihr mit den Stornierungen einen Gefallen tat, sah sie erst nach dem Ende der Manie so. Zunächst war sie sauer auf ihn. Schließlich hätten sie getrennte Kassen und er bevormunde sie beim Thema Geld, auch in den Manie-freien Zeiten. Immer wieder schaue er darauf, was sie mit ihrem Geld macht.

    Der Freund kannte sich mit der bipolaren Störung aus, denn auch sein Vater war davon betroffen und starb recht früh. Dennoch schien er die Krankheit nicht zu verstehen, was bei einer Therapiesitzung klarer wurde: „Ich verstehe nicht, wieso sie weiter Geld ausgibt, obwohl ich doch STOPP sage?!“
    Darauf erwiderte die Therapeutin: „Wenn es so einfach wäre, dann wäre diese Station leer.“
    Wieder sind wir beim: „Du musst nur …“ Damit lässt sich weder ein Maniker aus der Manie noch ein Depressiver aus der Depression bringen. Hormonstörungen kommen mit Worten und Zusammenreißen nicht wieder ins Lot.

    Nun aber zum Déjà-vu, ich möchte Dich nicht weiter auf die Folter spannen: Auch diese Frau in der Klinik legte in den manischen Phasen viel mehr Schminke auf Lippen, Wangen und Augen als in den Übergangsphasen und den Depressionen. Für mich war dies ein weiteres Indiz dafür, dass meine Beziehung durch eine Manie zu Ende gegangen war, wodurch ich endgültig Frieden damit schließen konnte. Die Sätze, die zum Ende führten, hätte meine Freundin ohne Manie nie so gesagt, dazu hatte sie sich zuvor viel zu wohlgefühlt. Ich brauchte ihr nicht vergeben oder ihr verzeihen, denn sie hatte nichts falsch gemacht – außer vielleicht, dass sie längst etwas gegen ihre Erkrankung hätte tun können. Doch wie gesagt: In den Manien gibt es kein Krankheitsgefühl. Leider gibt sie inzwischen den Staffelstab an die nächste Generation weiter, obwohl sie keine Kinder wollte – aus Opfern werden Täter.

    Ebenfalls 2017 ging es um den Verkauf eines kleinen Stücks Ackerlandes, an dem eine inzwischen 15-köpfige Erbengemeinschaft hing, einschließlich meiner Mum. Da alle Erben ausfindig gemacht werden mussten einschließlich der Erblinien, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichten, lernten wir kurzzeitig Verwandte kennen, von denen wir überhaupt keine Ahnung hatten, auch im eigenen Ort. Mit am Tisch saß eine Frau Mitte 60, die sich vor Jahren von ihrem Mann getrennt hatte. Auch dieser hatte es in regionale Zeitungen geschafft, als er seinen Vater als Geisel genommen und sich mehrere Stunden im Haus verschanzt hatte. Sich selbst bezeichnete er in den Verhandlungen mit der Polizei als Reichsbürger. Die offizielle Diagnose: bipolare Störung.

    Mums Mitbringsel

    2019 lernte meine Mum in der Psychiatrie einen Mann Ü70 kennen. Er saß meist still und einsam da und war genau wie Mum in einer depressiven Phase. Allerdings hieß es, dass er die bipolare Störung hat. Nach der Zeit in der Klinik blieb Mum mit ihm in Kontakt, sie besuchte ihn fast jede Woche, telefonierte oft mit ihm. Die Gespräche waren meist einseitig und kurz, da er kaum sprach. Ein Pflegedienst kümmerte sich um diverse Belange wie Bankgeschäfte und nahm ihm viel ab, wozu er nicht die Energie zu haben schien. „Ein Häufchen Elend“ beschrieb ihn am besten. Zunehmend machte er sich Sorgen um sein Herz, glaubte immer wieder, dass da etwas nicht stimmt, konnte aber nichts Genaueres beschreiben. Seine Gedanken schienen sich nur um Erkrankungen zu drehen, es wirkte teils hypochondrisch.

    Mit der Zeit zweifelten wir daran, dass die Diagnose Bipolare Störung stimmte, denn inzwischen war er über 2 Jahre in der „Häufchen Elend“-Verfassung und überhaupt nichts deutete darauf hin, dass er in eine Manie kippen könnte. Regelmäßig ging er zum Psychiater, der ihm seine Pillen verschrieb, aber scheinbar nichts dafür tat, dass der Mann mal wieder so etwas wie Lebensfreude finden konnte. Man schien ihn in der Depression halten zu wollen nach dem Motto „Solange er nicht in die Manie kommt, baut er keinen Mist“, was schwer anzusehen war im Angesicht des Häufchens Elend.

    Anfang 2022 wurden die Telefongespräche zwischen Mum und ihrem „Mitbringsel“ deutlich länger. Sie musste ihm nicht mehr jedes Wort aus der Nase ziehen, sondern konnte sich mehr und mehr aufs Zuhören verlagern. Nur was sie zu hören bekam, wurde mit der Zeit immer schräger. Er selbst sagte: „Ich bin aus dem „Koma“ erwacht!“ Dass er sich in diesem befunden hatte, sei die Schuld der Ärzte gewesen. Den Pflegedienst, der sich jahrelang um ihn gekümmert hatte, verklagte er wegen Unterschlagung von Geldern.

    Mitte 2022 plante er, Bundeskanzler werden zu wollen. Nach dem Wahlsieg mit einer Partei, die er noch gründen müsse, wollte er mit Russlands Präsidenten Putin über ein Ende des Ukraine-Krieges verhandeln. Er war erbost, dass man ihn in der depressiven Phase gegen Corona hatte geimpft, das sei doch alles Schwindel.

    Er kaufte sich ein Auto, ein teures Produkt aus der Wunderheiler-Abteilung und diverse andere Sachen. Mum kannte seine Rente und konnte sich nicht vorstellen, dass diese für all das reicht. Und sie wusste, dass er Schulden hatte.

    Um sein Einkommen aufzubessern, wollte er Menschen mit dem Wunderheiler-Ding behandeln. Bei Ärzten wollte er Werbung dafür auslegen. Entsetzt war er immer wieder, dass die Ärzte über das Wunderheiler-Ding nur müde lächelten: „Die wollen ja nur selbst Kohle verdienen!“ Er wollte Weihnachtsmann spielen, musste aber vorher eine neue Hüfte eingesetzt bekommen, lief zuvor wochenlang ohne linker Hüfte rum, weil es immer wieder Komplikationen gab – doch der Plan mit dem Weihnachtsmann hielt sich eisern.

    In der Klinik spielte er seine mitgenommenen Musikinstrumente, bis es den Schwestern zu viel wurde. Dann fiel sein Interesse auf eine Villa gegenüber, die zum Kauf angeboten wurde. Gleichzeitig bat er meine Mum, ob sie seinem Handy 5 Euro aufladen könne, weil er gerade nichts flüssig habe. Im gleichen Telefongespräch wollte er, dass Mum bei den Ebay-Kleinanzeigen nach mehreren Musikinstrumenten schaut, die er kaufen wollte. Sie las ihm nur Angebote vor, die über 1000 Euro kosteten in der Hoffnung, der Preis würde ihn abschrecken.

    Er rief einen alten Freund an, dem er vor 25 Jahren ein paar Hundert Euro geborgt hätte. Auch von seiner ehemaligen Schwiegermutter wollte er Geld zurück, das er ihr vor vielen Jahren geliehen hätte. Seiner Krankenkasse machte er einen Einlauf, weil er auch von dort Zahlungen erwartete. Er schwärmte von einem Laden, in dem man Kalaschnikow-Gewehre „einfach so“ kaufen könnte, mit so einer Waffe könne man ja sein Geld eintreiben.

    Sein Ton hatte sich deutlich verändert. Vom Häufchen Elend war rein gar nichts mehr zu merken. Meine Mum fuhr er am Telefon immer wieder heftig an: „Was fragst du denn dauernd?! … Das hab ich dir doch gerade erzählt, begreifst du es nicht?! Oder hörst du schlecht?!“ Seine Stimme war laut, Mum versuchte, ihn immer wieder zu bremsen. Besuchen brauchte sie ihn nicht mehr, sein Interesse galt nun Frauen unter 40. Daraus machte er ihr gegenüber überhaupt keinen Hehl. In einer Kneipe hatte er angeblich seine Jugendfreundin zufällig getroffen und Mum sollte ihre Telefonnummer per Internet rausfinden. Eine Frau, die kurzzeitig bei ihm putzte, blieb bald wieder fern: „Die erzählt überall, ich hätte sie begrabscht!“

    Mir bereitete dieser schroffe Umgang des Mannes mit meiner Mum leichte Bauchschmerzen. Erst war sie die einzige, die sich abseits von Pflegedienst und Ärzten um ihn kümmerte. Seine beiden Söhne hatten den Kontakt zum Vater schon lange abgebrochen. Und nun, wo er eigentlich raus aus dem Tal war und seine Dankbarkeit hätte zeigen können, behandelte er sie wie ein wertloses, notwendiges Übel, das gerade gut genug war für das Raussuchen von Telefonnummern und das „Auslegen“ von Geld.

    Ohne die vorherigen Erfahrungen, beginnend mit Katis Ex, wäre das alles nicht zu fassen gewesen: Ein Mensch, der sich so extrem wandeln kann?! Von zu Tode betrübt zu Himmel hoch jauchzend?! Wie kann ein Mensch plötzlich so undankbar sein? Wie kann er so verletzend sein? Woher kommen diese völlig abwegigen Gedanken mit der Bundeskanzler-Kandidatur? Warum will der Mann eine Villa kaufen, wenn er nicht mal 5 Euro übrig hat?

    Am Tag vor dem 2. Advent rief er Mum an: Sie brauche ihn morgen nicht anrufen und ihm einen schönen Advent wünschen, sondern solle sich erst wieder melden, wenn sie zur Vernunft gekommen sei. Er war zutiefst verletzt, dass sie ihre Augenerkrankung nicht mit seinem Wunderheilerdingens behandeln wollte, nicht mal testweise. Wieder war eines der Symptome der Manien deutlich: Alle anderen sind krank, nur der Maniker selbst ist vernünftig.

    Mum kannte die Geschichten um Katis Ex und auch die der weiteren Begegnungen. Diese Erfahrungen halfen und helfen ihr, das alles zu begreifen und es nicht zu persönlich zu nehmen – aber klar bekommt man nie den absoluten Abstand zu Beleidigungen hin, gerade wenn man einem Menschen zuvor viel geholfen hat. Die Frage, ob die Diagnose Biopolare Störung wirklich so stimmte, stellte sich nicht mehr. Viele Symptome der manischen Phasen waren auch bei diesem Mann ab Anfang 2022 dabei: übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn, Sprühen vor Ideen, Drang zum Reden, Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten, sinnlose geschäftliche Investitionen.

    Überraschend war eigentlich nur, dass es so lange gedauert hatte, bis sich eine neue manische Phase zeigt. Wie der Phasenwechsel von der Depression zur Manie ausgelöst wurde, ist für uns völlig unklar, eigentlich hatte sich nichts verändert, es gab keine Phase mit erhöhtem Stress. Scheinbar kippte der Hormonhaushalt einfach so. Gespannt waren wir, wie lange es dauern würde, bis das Häufchen Elend wieder hervortreten und sich sein Charakter einmal mehr komplett verändern würde.

    Psychische Erkrankungen betreffen nicht zwei, drei Leute aus bildungsfernen Schichten exklusiv, sondern 18 Millionen in Plattenbau, Reihenhaus und Villa.

    Zahlen?

    Hat man für ein Thema eine Antenne entwickelt wie ich durch den Ex von Katharina für die bipolare Störung, fällt es einem natürlich viel mehr auf. Dennoch registrierte ich diese Häufung mit zunehmendem Kopfschütteln: War es Zufall oder gibt es wirklich so viele Menschen, die mit dieser Erkrankung leben?

    Wirklich verlässliche Zahlen findet man nicht, so wie bei allen psychischen Erkrankungen. Das „Weißbuch bipolar“ geht von bis zu 2% Betroffenen aus. Manche Studien kommen zum Ergebnis, dass bis zu 5% der Gesamtbevölkerung von den Erkrankungen des gesamten bipolaren Spektrums betroffen sein könnten. So oder so käme man auf mindestens 1,2 Millionen Menschen in Deutschland mit bipolarer Störung, wobei die Heftigkeit der Verläufe unterschiedlich ist. Nicht jeder Bipolare rauscht mit 4 Promille durch den Wald oder fühlt sich verfolgt. Energie raubend und verstörend ist das Auf und Ab für jeden im Umfeld dieser über 1,2 Millionen Menschen – und natürlich auch für die Erkrankten selbst. Über 1,2 Millionen einzelne Geschichten wie die von Katis Ex, Veronika, Manuela, Mums Mitbringsel und all den anderen. Und noch viel mehr Geschichten von Partnern, Kindern, Eltern, Angestellten, Kollegen. Dieses Thema hält Millionen Menschen jeden Tag in Atem – und man muss per Zufall darauf stoßen, um das Verhalten eines anderen Menschen enträtseln zu können, wenn es noch keine Diagnose gab.

    Prominent dank Störung?

    Wer glaubt, keinen Menschen mit bipolarer Störung zu kennen, liegt falsch. Kannst Du Dir vorstellen, dass ein Mensch wie Katharinas Ex oder Mums Mitbringsel einen Weltkonzern leitet? Ein Mensch, der Geld zum Fenster rauswirft, wildfremde Menschen anquatscht, auf Tischen tanzt, sexuell keine Limits kennt, nachts nur 2 Stunden schläft, sich nicht überzeugen lässt, dass der Himmel blau und nicht grün ist, der wirre Sachen sagt und macht, sich für ein Genie hält, dem keiner das Wasser reichen kann und der vor genialen Einfällen sprüht?

    Elon Musk

    Er gründete PayPal, Tesla und SpaceX. Mit 27 war er Millionär, inzwischen sind seine Firmen milliardenschwer. Sein Arbeitseifer, sein Sprühen vor Ideen machten ihn zu einem der einflussreichsten Menschen dieser Zeit – aber beides verdankt er den Manien. Die Frage, ob er bipolar sein könnte, beantwortete Musk mit einem „Yeah.“ Allerdings sei er nicht im medizinischen Sinne manisch-depressiv.

    Sein Verhalten passt gut zu den bekannten Symptomen. Wer ihn um seinen Reichtum und all die damit verbundenen Möglichkeiten für ein finanziell sorgenfreies Leben beneidet, sollte sich immer wieder die Geschichten von Katis Ex und anderen Bipolaren durchlesen. Musk sagte einst selbst, man solle ihn nicht um sein Leben beneiden.

    Die Vorgeschichte seiner Erkrankung ist die Übliche: Seine Kindheit war alles andere als angenehm. Als Schüler wurde er gemobbt und krankenhausreif geschlagen. Zumindest von Seiten des Vaters konnte er kein gesundes Selbstbewusstsein bekommen, auf ihn ist Musk gelinde gesagt „nicht gut zu sprechen“. (Mehr dazu in den Quellen unten)

    Sein Hin und Her beim Kauf von Twitter – erst Ja, dann Nein, dann wieder Ja – ist für mich ein Indiz, dass er von Manie zu Normal/Depression und zurück zur Manie gewandelt sein könnte während des Kaufprozesses. Wenn ich über 40 Mrd. Dollar ausgebe und dafür Kredite aufnehme, dann weiß ich eigentlich, wofür und zeige mich nicht so unentschlossen. Seine Sätze, die die Übernahme begleiteten, könnten aus den Mündern der anderen in diesem Text genannten Bipolaren stammen.

    Bisher zeugte Musk neun Kinder. Die Benennung seines sechsten Kindes machte Schlagzeilen: X Æ A-Xii. Mir tun die Kinder leid, denn ihre Chancen, psychisch gesunde Erwachsene zu werden, erscheinen mir nach all den Erfahrungen sehr gering. Auch dieser Vater kann aufgrund seiner Erkrankung seinem Nachwuchs kein stabiles Selbstbewusstsein geben, so wie es Katis Ex bei seinen Jungs nicht kann. Auch hier vererbt eine Generation der nächsten mehr oder weniger heftige psychische Probleme. Wer das für eine unhaltbare Behauptung hält, möge mir die Gegenbeispiele benennen.

    Und mir macht es Angst, wenn ein solches Unternehmen in den Händen eines Mannes ist, der nur selten Kontrolle über sich haben kann durch seine Erkrankung. Seine Geschichte zeigt aus meiner Sicht: Wir brauchen psychologische Eignungstests für Firmenchefs, genauso wie für Politiker. Nur so kann verhindert werden, dass ein Mensch Firmen und Menschen zerstört.

    Und nur so kann verhindert werden, dass ein Mensch mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung im Amt eines Präsidenten zur Stürmung des US-Parlamentssitzes animieren kann, so dass Menschen mit psychischen Erkrankungen dem Ruf folgen.

    Der Büffelmann

    Wenn Journalisten über den Sturm auf das Kapitol in Washington vom Januar 2021 berichten, wird häufig ein Bild des „Büffelmannes“ verwendet. Er wurde durch sein markantes Äußeres zu einer Symbolfigur des Sturms und des ganzen Wahnsinns. In den Artikeln geht es immer wieder in hochtrabenden Worten um die Gefährdung der Demokratie durch Rechtsextremisten, angeleitet vom „Trumpismus“, eine Wortschöpfung, die es eigentlich nicht bräuchte, weil „Narzissmus“ als Beschreibung des Ex-Präsidenten völlig ausreichend ist. Aber sowohl bei Trump als auch beim „Büffelmann“ wird bei Erklärungen für ihr Verhalten um das Thema psychische Erkrankungen/Persönlichkeitstörungen der übliche, endlos große Bogen gemacht.

    Laut Untersuchung des FBI hat der „Büffelmann“ mehrere psychische Erkrankungen, darunter vorübergehende Schizophrenie, bipolare Störung, Depressionen und eine Angststörung. Auch hier gilt: Je seltsamer das Handeln eines Menschen, desto wahrscheinlicher sind psychische Erkrankungen. Und diese entstehen nicht aus dem Nichts, sondern sind praktisch immer Folge einer mehr oder weniger furchtbaren Kindheit. Den Sturm auf das Kapitol hätte es nie gegeben, wenn man in den Kinderzimmern der Beteiligten für eine kindgerechte Atmosphäre gesorgt hätte und wenn man Politiker mit Persönlichkeitsstörung durch psychologische Eignungstests von Ämtern fernhalten würde. Nur müsste dazu das Thema überhaupt erst einmal wahrgenommen werden.

    Darf man alle anderen, die sich an der Erstürmung beteiligten, als psychisch erkrankt einstufen? Natürlich nicht. Darf man davon ausgehen, dass alle anderen psychisch gesund waren und nur der eine nicht? Angesichts dessen, was in dieser Welt passiert und wie weit verbreitet psychische Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen sind, lautet meine Antwort: Nein, davon sollte man nicht ausgehen. Ereignisse wie der Sturms aufs Kapitol sollten Arschtritte sein, um sich endlich mit den Auswirkungen der Erkrankungen und Störungen zu befassen.

    Und nein, es geht nicht darum, psychisch Erkrankte als das große Übel abzustempeln, sondern um das Lernen aus den Geschichten der Erkrankten und um den damit verbundenen Erkenntnisgewinn: Kinder müssen mit gesundem Selbstbewusstsein aufwachsen können. Nur so kann es psychisch gesunde Erwachsene geben.

    Wie sieht es im Showgeschäft mit der bipolaren Störung aus?

    Kanye West

    Rapper Kanye West, einst Partner von Kim Kardashian, wuchs gutbürgerlich auf, was aber nicht heißen muss, dass seine Kindheit kindgerecht verlief. Seine Mutter arbeitete als Professorin für Anglistik und hatte sich von Wests Vater getrennt. Über seine frühen Jahre sagte er: „Während andere auf der Straße abhingen, war ich in der Mall shoppen.“ Psychische Erkrankungen entstehen nicht nur aus Vernachlässigung, auch der „Goldene Käfig“ kann Gift sein für die psychische Gesundheit.

    2009 legte West einen verstörend-legendären Auftritt bei der Preisverleihung des Musiksenders MTV hin. Als Taylor Swift sich für den Preis für das beste Video bedankte, stürmte West auf die Bühne, schnappte sich das Mikro und erklärte, Beyonce hätte eines der besten Videos aller Zeiten abgeliefert. Swift wusste nicht, was ihr geschah und den Zuschauern ging es nicht anders.

    Weitere verstörende Auftritte folgten, von sich selbst zeigt er sich immer wieder unglaublich überzeugt. Er will sich in einer Reihe sehen mit Jimi Hendrix, den Rolling Stones und den Beatles. West gilt als einer der reichsten Musiker und Unternehmer der Welt, stand zwischendurch am finanziellen Abgrund. 2016 schrieb er über Twitter, dass er 53 Mio. Dollar Schulden hat. Und er bekam 2017 die Diagnose Bipolare Störung. In den Manien leidet er unter Verfolgungswahn, genauso wie Veronika, was nicht selten ist in dieser Phase.

    2020 kündigte er an, US-Präsident werden zu wollen. Seine Frau entschuldigte sich im Sommer für seltsame Nachrichten von West bei Twitter und verwies auf seine Diagnose.

    2022 kündigte Adidas die Zusammenarbeit mit West auf, nachdem von rassistischen Aussagen die Rede war.

    Ist Kanye West ein Rassist? Ein Geldverschwender? Ein Größenwahnsinniger? Ein Genie? Kommt drauf an, ob er in der Manie oder Depression ist.

    Mariah Carey

    Über Mariah Carey, eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt, wurde viel geschmunzelt, wenn sie einmal mehr mit ihren Starallüren Schlagzeilen machte: „Das gehört halt zu einem Weltstar dazu.“ Sie wurde zum Inbegriff der Diva – die Menschen, die unter den Allüren litten, lachten sicher weniger darüber. 2018 verriet sie, was sie schon 2001 diagnostiziert bekam: Bipolar II. Bei dieser Form der Störung folgt einer mindestens 14-tägigen Depression mindestens eine leichte Manie.

    Demi Lovato

    Lovato, eher den jüngeren Generationen bekannt, kann sieben Songs in einer Nacht schreiben und bis 5:30 Uhr wach bleiben, sagte sie dem Magazin „People“. Die Diagnose Bipolare Störung bekam sie während eines Klinikaufenthaltes aufgrund von Anorexie, Bulimie, Selbstverletzung und Drogenmissbrauch.

    Mel Gibson

    Schauspieler Mel Gibson, bekannt u.a. aus „Mad Max“, „Lethal Weapon“, „Braveheart“ und „Was Frauen wollen“, erklärte 2002, dass bei ihm die bipolare Störung festgestellt wurde. Neben seinen Filmen machte er Schlagzeilen mit verstörenden Auftritten und Aussagen gegen Schwule und Juden. Mehrfach wurde seine Alkoholsucht behandelt. Sein Vater war Anhänger von Verschwörungsmythen.

    In einem Artikel bei web.de Anfang 2021 wurden unter der Überschrift „Zum 65. Geburtstag von Mel Gibson: Superstar und Hollywood-Rüpel“ dessen filmische Erfolge und Skandale aufgezeigt, versehen mit den Sätzen: „Immer wieder muss Gibson dementieren und sich entschuldigen, er verweist auf eine diagnostizierte Bipolare Störung und seinen Alkoholismus, um seine wiederholten Ausfälle zu entschuldigen. Auch wenn es aufgrund der Vielzahl der Vorfälle immer schwerer wurde, ihm aufrichtige Reue abzunehmen, gelang Gibson das Comeback in Hollywood.“i

    Schon das Wort „Rüpel“ in der Überschrift zeigt, wie viel Aufklärungsarbeit bei Journalisten nötig ist, damit sie in der Realität ankommen. Wieder klingt es nach „Der will sich ja nur rausreden.“ Wer sich den Film „Der Biber“ mit Gibson anschaut und seine bipolare Störung im Hinterkopf hat und Menschen mit dieser Erkrankung selbst erlebt hat, der weiß, warum er dort verdammt überzeugend wirkt.

    Carrie Fisher

    Carrie Fisher machte sich mit ihrer Rolle als Prinzessin Leia in den Star-Wars-Filmen auch über ihren Tod 2016 hinaus unsterblich. Ihr Privatleben hatte weniger Glanz: Drogen, Alkohol – und bipolare Störung. Über die Manien sagte sie: „Manie beginnt als einziger Spaß, tagelang kein Schlaf, nur du und dein Gehirn, das zu einem außergewöhnlichen Computer wird, der dir 24 TV-Kanäle nur über dich präsentiert. Nach einer Weile geht das jedoch gravierend schief.“

    Catherine Zeta Jones, Ben Stiller, Richard Dreyfuss

    Schauspielerin Catherine Zeta Jones, die u.a. mitspielte in „Ocean´s 12“ und im Musicalfilm „Chicago“, machte ihre Erkrankung 2011 bekannt.
    Ihr Kollege Ben Stiller („Nachts im Museum“) glaubt, er sei bipolar und führt darauf u.a. Ausbrüche am Set von „Zoolander“ zurück.
    Richard Dreyfuss spielte in „Der weiße Hai“, „Mr. Hollands Opus“, „R.E.D. – Älter, Härter, Besser“ und bekam 1978 den Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle in „Der Untermieter“. Seit seiner Kindheit hat er mit der bipolaren Störung zu kämpfen und erlebte die typische Achterbahn, bis er sich in Behandlung begab und man die richtigen Medikamente fand für einen stabilen Zustand.

    Die Aufzählung ist sicher weit weg von „vollständig“. Wer z.B. das Verhalten von Charlie Sheen, bekannt aus „Hot Shots“ und „Two and a half Man“, verstehen will, könnte ebenfalls bei dieser Störung fündig werden. Sind diese Menschen so berühmt, reich und einflussreich geworden und nebenbei bipolar? Oder verhalfen ihnen erst die Dopamin-Schübe in den Manien zu ihrer Kreativität? Können sie so scheinbar selbstbewusst vorgehen und Risiken eingehen, weil die Manie sie im Griff hat, wo andere sich aus Selbstzweifeln nicht aus dem Hemd trauen? Gäbe es Paypal, Tesla und SpaceX ohne die manischen Phasen von Elon Musk? Gäbe es diese Firmen, wenn er in seiner Kindheit nicht gemobbt worden wäre? Musste er nach so viel Macht und Einfluss und Geld streben, damit sein Selbstwert gefüttert werden konnte und weil die Manien ihn trieben? Er könnte mit seinem Einfallsreichtum ein einfacheres, ruhigeres und dennoch finanziell abgesichertes Leben führen. Wie viele manisch-verrückte Ideen fängt sein Umfeld in den Firmen ab, weil diese Geniestreiche in den Ruin führen würden? Wie ist das Umfeld psychisch aufgestellt? Wie viel Einfluss darf ein manischer Mensch bekommen? Wie kann man verhindern, dass die Erkrankung ausbricht? Hätte es schon ausgereicht, ihn als Kind zu beschützen?

    Wer keine Täter will, muss dafür sorgen, dass es keine neuen Opfer gibt.

    Umwege zum Glück

    Wer auch immer über Musk, West, Gibson und andere Menschen berichten will, die sich sehr auffällig verhalten, sollte immer bedenken: Kein Mensch ist einfach nur größenwahnsinnig, Extremist, Rassist, ausgeflippt, überdreht. Hinter all dem steckt eine Geschichte, die in der Kindheit beginnt. Aus Opfern werden Täter. Wer keine Täter will, muss dafür sorgen, dass es keine Opfer gibt.

    Die Rolle der Medien ist für mich schwer zu ertragen. Spätestens 2022 gäbe es genug Möglichkeiten, um über die bipolare Störung und andere psychische Erkrankungen sowie Persönlichkeitsstörungen aufzuklären und ihre Auswirkungen auf die angebliche Spaltung der Gesellschaft zu zeigen. Doch Journalisten bedienen in ihren Artikel immer wieder nur Klischees. Und solange wir Menschen durch Klischees erklären, wird immer der Gedanke da sein: „Ach, wenn der mit mir zusammen ist, wird er sich schon ändern.“ Anstatt von Rassismus und anderen Formen von Hass zu sprechen und ständig neue Kampagnen zu starten, müssen wir uns um die psychische Gesundheit kümmern.

    Die Leidtragenden der Ignoranz sind die Kinder. SIE müssen das ausbaden, was WIR verzapft haben. Auf ihren Schultern lastet das, was wir nicht wegräumen konnten oder wollten. Und eines Tages sind diese Kinder das WIR, so wie WIR einst genau diese Kinder waren. Aus Opfern werden Täter und Täter hinterlassen neue Opfer.

    Wenn Kinder aufwachsen ohne die Anerkennung durch BEIDE Elternteile, dann sind die Umwege zum Glück vorbestimmt – und sie sind immer Wege ins Unglück.

    Statistische Zahlen zur bipolaren Störung: https://dgbs.de/bipolare-stoerung/bedeutung/

    Elon Musk auf die Frage, ob er bipolar ist: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tesla-gruender-die-dunkle-seite-des-elon-musk-1.4095269

    Musk als Mobbingopfer: https://www.gq-magazin.de/leben-als-mann/karriere/elon-musk-steht-unter-druck-170807

    Musks Vater: https://www.focus.de/panorama/schattenseiten-des-tesla-clans-die-unglaubliche-musk-familie-ehen-milliarden-und-ein-vater-der-3-menschen-erschoss_id_24455244.html

    Musks Namen für sein sechstes Kind: https://www.gmx.net/magazine/unterhaltung/stars/sohn-tesla-chef-elon-musk-heisst-bisschen-34730830

    Diagnosen des „Büffelmanns“: https://www.n-tv.de/politik/Was-wurde-eigentlich-aus-dem-Bueffelmann–article23038034.htm

    Kanye Wests Auftritt bei den MTV-VMAs 2009: https://www.youtube.com/watch?v=k_wP8OLRpKM

    Wests Twitter-Post zu seinen Schulden: https://web.archive.org/web/20160216002317/https://twitter.com/kanyewest/status/698699904303132672

    West über seine Diagnose Bipolare Störung: https://www.tz.de/stars/kanye-west-ueber-psychische-erkrankung-er-dachte-man-will-ihn-toeten-zr-12363636.html

    Kim Kardashian zu Wests Krankheit: https://www.gmx.net/magazine/unterhaltung/stars/kims-bitte-mitgefuehl-kanye-brillant-kompliziert-34913434

    Mariah Careys Diagnose Bipolare Störung: https://www.rollingstone.de/mariah-carey-spricht-erstmals-ueber-ihre-bipolare-stoerung-1483621/

    Diagnose von Demi Lovato, Carrie Fisher, Catherine Zeta Jones, Ben Stiller, Richard Dreyfuss: https://www.fame10.com/deu/unterhaltung/promis/11-prominente-mit-bipolarer-storung/

    Mel Gibsons Diagnose: https://www.smh.com.au/entertainment/mel-opens-up-but-ever-so-fleetingly-20080515-gdsdnm.html

    Gibsons Vater glaubte an Verschwörungsmythen: https://www.telegraph.co.uk/comment/personal-view/3603167/Cross-purposes.html

    Artikel zum Gibsons 65. Geburtstag: https://web.de/magazine/unterhaltung/stars/65-geburtstag-mel-gibson-superstar-hollywood-ruepel-35400676


    Den Blick hinter die Gardinen mit 80 weiteren Biografiesplittern gibt es in meinem Buch:

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

    Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

    Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

    Noch viel mehr Lesestoff zum Buch „Verrückt – ein Aufschrei“ findest Du hier:

    Mach, was Meggie macht.

    Mach, was Meggie macht.

    „Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    „Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.

    Herr Doktor tötet seine Kinder

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    Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

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    Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.

    Woher kommt Hass?

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    Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.

    Wie entsteht Sucht?

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    Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.

    Verrückt – Das Interview

    Verrückt – Das Interview

    Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

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  • Was Vater & Sohn verbindet, trennt sie

    Was Vater & Sohn verbindet, trennt sie

    Warum hat er mich nicht lieb? Weil ich ein Nichts bin?

    Katis jüngerem Sohn kommen die Tränen, wenn er über seinen Vater spricht. In seinen 16 Jahren hat er viel mitmachen müssen, die Spuren sind deutlich zu merken. Und eigentlich hat er drei Väter.

    Was stimmt nicht mit ihm?!

    2009 erzählte mir beim Klassentreffen eine ehemalige Schulfreundin, Katharina, von ihrem Mann. Sie, damals Mitte 30, lebte mit ihm und ihren beiden Söhnen in einem großen Haus, an dem ihr Mann in jeder freien Minute weiter baute. Von „fertig“ waren viele Räume weit entfernt. Im Erdgeschoss hatten sie gemeinsam einen Laden eingerichtet, in welchem Katharina verkaufte. Ihr Mann hatte sich eine eigene Firma aufgebaut und gestaltete mit drei Angestellten Gärten und Höfe mit wirklich beeindruckenden Ergebnissen. Die Ideen gingen ihm nie aus, er arbeitete sehr sauber und hielt Fristen ein. Entsprechend gut lief die Firma.

    Weniger gut lief das Miteinander zwischen ihm und Katharina seit ca. zwei Jahren. Seine Trinkerei ließ ihn Dinge machen, die auf keine Kuhhaut gingen – zumindest nahmen alle an, dass es mit seinem Alkoholkonsum zu tun hatte. Diesen reduzierte er auch nicht nach einem lebensbedrohlichen Treppensturz. Da gab es kein Umdenken wie: „Oh Gott, jetzt hätte ich fast meine Kinder zu Halbwaisen gemacht! Ich hab ein Problem!“ Nein, es ging einfach weiter.

    Auf seinem Schreibtisch hatte Katharina einen Zettel gefunden: „Zukunft Laden?“ Dieser machte gute Gewinne, es konnte also nicht darum gehen, ihn wegen Verlusten aufzulösen. War der Zettel eine Reaktion auf Katharinas Verhalten? Eine Woche zuvor war eine Ex-Freundin ihres Mannes aufgetaucht. Dieser bat Kati, ihm Bilder aus der gemeinsamen Vergangenheit zu bringen – also aus seiner Zeit mit der Ex. Für Kati war es eine Kränkung, sie machte auf bockig, erwartete ein: „Tut mir leid.“ Doch er drehte den Spieß um: Er ging nach einem Dorffest nicht mit ihr nach Hause, blieb am zweiten Tag bis morgens und schlief stockbesoffen im Keller, saß an den folgenden Tagen bis in die Nacht im Büro.
    Letztlich entschuldigte sich Katharina für ihr Verhalten, um den Frieden wiederherzustellen. Außerdem hatte sie Angst, er würde ihr den Laden wirklich kündigen. Und es fiel ihr schwer, sich einzugestehen, dass sie für diesen Mann trotz allem noch etwas empfand. Dabei verzweifelte sie immer wieder daran, dass er niemals Fehlverhalten bei sich sah.

    Aber es gab auch Phasen, in denen er absolut ihre Nähe suchte, an ihrem Rockzipfel hing, kuscheln und schmusen wollte. Und einige Zeit später war sie wieder nur die Haushaltshilfe und das Kindermädchen. Um die beiden Söhne kümmerte er sich dann kaum.

    Katharina glaubte, der Stress mit dem Hausbau sei der Grund für das viele Trinken und damit für sein ganzes Verhalten. Doch auch als 2010 die Arbeit weniger wurde, änderte sich nichts. Nach dem Klassentreffen blieben wir in Kontakt und ich erfuhr jede neue Episode. Ohne Absprache hatte er sich ein verdammt teures Quad gekauft, düste damit durch Wald und Flur. In einer Nacht rief er Kati halb 3 an: Sie solle ihn bitte abholen, er sei im Wald steckengeblieben. Danach brach die Verbindung ab. Nach langem Überlegen und innerlichem Zittern – die Nerven lagen blank – ließ sie ihre Söhne (damals 6 und 8) allein, fuhr durch die Gegend, planlos, denn er hatte keinerlei Angabe gemacht, wo genau er im Wald gestrandet war. Nach einer Stunde fuhr sie wieder nach Hause, ohne Spur von ihrem Mann. Den befreite ein Kumpel am frühen Morgen aus dem Matsch.

    Mit den Nerven am Ende

    Für Katharina ging das alles immer mehr an die Substanz, die Nächte blieben unruhig. Teils hatte sie Todesangst, über die sie mit mir aber erst mit viel zeitlichem Abstand sprach. Noch immer hoffte sie darauf, er würde sich ändern, auch wenn er nach wie vor keinen kleinsten Selbstzweifel zeigte in seinen energiegeladenen Phasen.
    Ich empfahl Kati einen Intensivkurs „Bodybuilding“. Damit sollte sie Testosteron in rauen Mengen produzieren, womit die männliche rationale Seite gegen die weibliche emotionale siegen könnte. Ja, eine verzweifelte, verrückte Idee, aber ich wusste nicht, wie ich sie aus dieser Nummer herausbringen konnte. Sie selbst war ständig hin- und hergerissen zwischen „Ich muss mit meinen Kindern hier endlich raus“ und „Er hat ja sonst niemanden, er braucht mich und die Kids.“ Die Einrichtung ihres Ladens hatte sie selbst bezahlt, ein Umzug wäre also kein kompletter Neuanfang geworden – aber weitere Energie raubend.

    Für ihre Gesundheit und für ihre Kinder schien es nur einen guten Weg zu geben: Sie musste weg von der Hoffnung, es würde keine neue Phase seines verrückten Verhaltens mehr geben. Dazu gab es inzwischen zu viele Stimmungswechsel. Ich hatte ihren Mann inzwischen „Käpt’n Crazy“ getauft, weil es einfach so unerklärlich war, was er da machte und es schwerfiel, ohne schwarzen Humor mit dieser ewig anhaltenden Situation umzugehen. Ich verglich ihn auch mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde, weil diese völlig gegensätzlichen Seiten blieben: Mal verletzte er Kati zutiefst, dann war sie sein großer, einziger Halt im Leben.

    Was du als Kind durchmachst, erfahren deine Eltern nicht

    Für die Kinder konnte das alles genauso wenig gut sein wie für Katharina. Sie erlebten praktisch drei Väter: Der eine scherte sich kaum um sie, der andere konnte ohne seine Familie nicht leben, der dritte war „normal“. Wie soll ein Kind das verstehen, wenn man als Erwachsener komplett ratlos und überfordert ist?

    Für mich war klar, dass sie allein zum Wohle ihrer Söhne dort weg musste. Ja, dieser Mann war der Vater und oft hört man den Satz: „Wir bleiben wegen der Kinder zusammen.“ Aber keinem Kind ist geholfen, wenn es in einer vergifteten Atmosphäre aufwächst. Kinder sind nicht doof, sie bekommen alles mit.

    Dafür bekommen Eltern nicht alles mit, was in ihrem Nachwuchs vor sich geht. Ich beschrieb ihr meine eigene Kindheit unter einem Vater, der nur eine Seite hatte: die lieblose. Und auch er trank. Freitag- und Samstagabend ging er immer erst ins Bett, wenn er ein Körbchen mit 6 oder 10 Flaschen Bier leergemacht hatte. Dieses musste ich oft abends aus dem Keller holen. Vor diesem hatte ich riesige Angst, immer wieder waren Lampen defekt und dann half nur eine Taschenlampe. Hinter jeder Ecke vermutete ich jemanden. Per Handschlag verabschiedete ich mich von meinem Vater ins Bett – die einzige körperliche Nähe neben Kopfnüssen. Diese bekam ich, wenn ich etwas falsch gemacht hatte.

    An den Samstagen lag ich immer solange wach, bis mein Vater ins Bett ging oder mein Bruder von der Disko nach Hause kam. Ich hoffte immer, dass mein Vater sein Körbchen leer hatte, bevor mein Bruder eintraf. Denn wenn sich beide betrunken begegneten, war die Gefahr groß, dass es laut und handgreiflich wurde.

    Dass ich jedes Mal so lange wach lag mit Angst, bekam natürlich niemand mit. Als Kind musst du diesen Kampf selbst austragen und überstehen. Dann wirst du entweder zum Einzelkämpfer, weil keiner da ist, der diese für dich beschissene Situation beendet oder du wirst aggressiv. So oder so macht es sehr viel mit dir. Dann bleibt nur die Hoffnung, dass es noch genug positive Einflüsse während der weiteren Kindheit gibt, um die negativen auszugleichen. Aber was wie auf ein Kind wirkt, weißt du vorher nicht. Eigentlich bleibt nur, die negativen Einflüsse so weit wie möglich zu verringern, um eine positive Entwicklung nicht zu gefährden. Meine Entwicklung hätte vielleicht eine andere sein können, wenn sich meine Mum viel eher von Vater hätte getrennt. Ich hätte ihr niemals diesen Schritt verübelt. Noch besser wäre es auch für sie selbst gewesen, sie hätte sich niemals mit ihm eingelassen.

    Zwischen Schuldgefühle und Mordgedanken

    Nachdem ich Kati dies in einer langen Mail geschrieben hatte, musste sie mit den Tränen kämpfen. Und sie antwortete, dass sie dauernd das Gefühl habe, sie sei schuld an der Situation. Sie könne eben so furchtbar zickig sein, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht und bestehe darauf, dass sie Recht hat. Aber anders kapiere ihr Mann ja nicht, was sie stört. Am liebsten hätte sie ihm meine Mail auf den Schreibtisch geknallt, denn sie bekomme es seit Ewigkeiten nicht hin, ihm genau das zu sagen. Wenn es zu Diskussionen kommt, erkläre ihr Mann, was er alles für seine Familie getan hat. In den Momenten komme sie sich so klein vor und denke, wie gering ihr Beitrag für die Familie sei.

    Kati blieb. Neue Episoden folgten. So packte ihr Mann eines Nachts seine Tasche, fuhr aus seinem Ort im Umkreis von Leipzig Richtung Hannover, dann gen Schweiz zu einem Cousin, bis ihm einfiel, dass er in Hamburg eine Rassekatze bestellt hatte, wovon Kati nichts wusste.
    An anderen Tagen kam er nachts lautstark nach Hause oder stand ebenso rücksichtslos gegenüber Frau und Kindern auf. Zwei Stunden Schlaf reichten ihm, denn: „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.“ Er schmiss mitten in der Nacht Bauschutt per Schaufel aus einem Fenster in einen Container.

    Dann folgte wieder eine Phase, in der er ganz anders war. Wieder suchte er Katis Nähe, wurde ruhig, bereute all die Sachen, die er angestellt hatte, konnte nicht glauben, was er in den Monaten zuvor alles angestellt hatte und erinnerte sich an kaum etwas. Sein teures Quad konnte er nicht angucken, wollte es am liebsten loswerden.

    Wenige Wochen später raste er wieder fröhlich durch die Gegend, rammte Ortseingangsschilder und kleine Bäume, fuhr mehrfach in einer Nacht los. Kati musste sich jedes Wort überlegen, denn ihr Mann ging beim kleinsten Hauch von Kritik an die Decke. So schaltete sie auf „polnisches Fernsehen“: nur Bild, kein Ton. Dennoch konnte die Lage jederzeit explodieren – in einfachsten Situationen. Katharina schrieb ihm eine Liste in Druckschrift und Großbuchstaben, welche Getränke er mitbringen sollte. Er brachte die falschen. Kleinlaut und zerknirscht murmelte Kati, sie werde die Flaschen halt am nächsten Tag umtauschen fahren gegen die, die sie wollte. Wer war in den Augen ihres Mannes schuld? Natürlich seine Frau.
    Er vernachlässigte sein Geschäft, eine Angestellte suchte das Weite, der Alkohol floss wieder reichlich, betrunken setzte er sich immer wieder ans Steuer. Für das Dorffest richtete er den Hof vor dem Haus her, als käme die Königin von England, schnitt die Buchsbäume im perfekten Durchmesser. Noch immer hielten alle das Trinken für den Grund seines Verhaltens. Aber das Thema Entzug brauchte Kati gar nicht erst erwähnen.

    Ihre Hausärztin schickte Kati zur Psychologin, machte ihr klar, dass Kinder und Kunden sie doch brauchen würden in einem stabilen Zustand. Ihr Mann habe wohl eine Sinnkrise, dazu der viele Alkohol. Eine wirkliche Diagnose konnte sie nicht geben, denn er ging zu keinem Arzt, ihm ging es doch bestens.

    Wochen später, inzwischen 2011, brach er wieder zusammen, heulte. Kati und die Jungs nahmen ihn in die Arme, beteuerten, dass alles gut sei – im Nachhinein war Kati klar, dass dies wieder die falsche Reaktion war. Aber im Beisein der Kinder fühlte sie, so handeln zu müssen. Er redete einmal mehr wirres Zeug, sein Quad blieb wieder in der Garage, er schlief viel – bis zum nächsten Wechsel. Dann reichten die 2 Stunden pro Nacht, das Quad war wieder interessant, im Keller sollten Vorräte angelegt werden, weil die Chinesen kommen, er quatschte im Urlaub alle Menschen an, hatte absurde Theorien über das Weltgeschehen, kaufte sich eine verdammt teure Uhr, obwohl das Geschäft inzwischen bergab ging, wollte eine Fabrik bauen und diverse Dinge zum Patent anmelden, tanzte auf Tischen, kannte keinerlei Hemmungen, glaubte, bestimmte Lieder im Radio seien nur für ihn geschrieben worden.

    Kati und ich konnten uns teils nur noch in Galgenhumor flüchten, denn das alles machte überhaupt keinen Sinn. Dieses sich immer wieder abwechselnde, grundverschiedene Verhalten war für uns unerklärlich: von Himmel hoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Alles andere als lustig war ihre Mail, in der sie schrieb: „Das, was mein Mann heute mit mir gemacht hat, könnte man als Vergewaltigung sehen.“

    Endlich lichtet sich der Nebel

    Ende 2011 schaute ich eher zufällig eine Sendung von Sandra Maischberger. Ein Mann erzählte, dass er sich teure Hotelzimmer genommen hatte, für die ihm eigentlich das Geld fehlte, auch sonst schmiss er mit der Kohle um sich – wie Katis Mann. Er fuhr im Bademantel durch Berlin und wollte den Regierenden Bürgermeister sprechen – völlig enthemmt wie Katis Mann. Er machte Dinge, die auf keine Kuhhaut passten – und irgendwann fiel er in ein riesiges Loch, um bald darauf wieder der Größte zu sein, der vor genialen Ideen sprühte – wie Katis Mann.

    Am nächsten Morgen las ich bei Wikipedia den Artikel über die Diagnose des Mannes: bipolare Störung. Und alles passte! Katis Mann war ein lehrbuchhaftes Beispiel für diese Erkrankung. In den manischen Phasen: übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn, Sprühen vor Ideen, verringertes Schlafbedürfnis, Drang zum Reden, Ideenflucht, Zerstreutheit, Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten, sinnlose geschäftliche Investitionen, Vernachlässigung von eigentlich wichtigen Dingen wie Familie.

    In den depressiven Phasen: deutlich vermindertes Interesse oder Freude, Traurigkeit und Leere, Erschöpfung, Gefühl der Wertlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Entscheidungsunfähigkeit.

    Ich lernte auch: In den manischen Phasen gibt es keinerlei Gefühl, man sei krank. Krank sind alle anderen, die einen für krank halten. In den depressiven Phasen ist das anders. In diesen ging Katis Mann zum Arzt. Begleiterscheinungen der bipolaren Störung sind Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch sowie Panik- und Persönlichkeitsstörungen. Bei starken manischen Phasen kann auch Realitätsverlust und Wahn hinzukommen – siehe die anrückenden Chinesen und die nur für ihn geschriebenen Lieder.

    Ich schickte Kati umgehend den Link, sie las selbst und leitete den Artikel weiter an die Eltern ihres Mannes, die seit Jahren genauso wenig die Welt verstanden. Für niemanden gab es nach dem Lesen einen Zweifel: Dieser Mann hatte die bipolare Störung. Der Ausdruck „Käpt’n Crazy“ war Geschichte, das „Kind“ hatte nun den korrekten Namen.

    Bei der bipolaren Störung wechseln sich Manien – Himmel hoch jauchzend – und Depressionen – zu Tode betrübt – immer wieder ab. Dies kann innerhalb eines Tages passieren oder in Abständen von Monaten wie bei Katis Mann. Da es in den Manien kaum Krankheitseinsicht gibt, ist eine Behandlung schwierig. Mit Medikamenten muss in den Depressionen die Stimmung aufgehellt und in den Manien gedämpft werden – ein Balanceakt. Die bipolare Störung verschwindet auch nicht einfach wieder. Die Suizidrate Erkrankter ist hoch, wird mit 15-30% angegeben.

    Abschied von Käptn Crazy

    Durch das Lesen des Artikels und das weitere Befassen mit dem Thema kam Mitleid in mir auf für diesen Mann, der sich phasenweise wie das größte Arschloch verhielt: Er konnte nicht anders. So wenig, wie man sich aus einer Depression oder einer Sucht mit guten Worten schaufeln kann, so wenig kann man sich aus der Manie auf den Boden zurückholen. Bei dieser Erkrankung ist die Signalübertragung mehrerer Neurotransmitter gestört, darunter Glutamat, Serotonin und Dopamin. Medikamente sollen dies korrigieren. Bei Depressionen will man erreichen, dass Serotonin nicht zu schnell abgebaut wird. Bei Manien schießt Dopamin in schwindelerregende Höhen.

    Katis Schwiegervater druckte den Wikipedia-Artikel über die bipolare Störung aus, ging damit zu seinem Sohn, knallte ihm das Papier auf den Schreibtisch: „Siehst du, jetzt weißt du, was mit dir los ist!“

    Aus und vorbei

    Katharina beschloss nach unserer Diagnose, vorübergehend auszuziehen mit ihren Kindern bis zum Ende der aktuellen Manie. Dies war im Januar 2012. Ein Auszug für immer kam für sie nicht in Frage, es wäre viel zu aufwändig, z.B. der Ausbau der von ihr bezahlten Einbauküche. Außerdem wollte sie immer eine Familie und war bereit, einiges auf sich zu nehmen, wo andere den Kopf schütteln. Sie kam im Haus einer Freundin unter.

    Drei Tage nach dem Auszug fuhr sie morgens wieder in ihren Laden. Auf dem Hof standen die Angestellten ihres Mannes und wussten nicht, was sie machen sollten. Als Kati fragte, was los sei, sagten sie, dass der Chef mit einer Unbekannten oben in der Wohnung ist und ihnen keine Aufgaben erteilt hatte. Als ihr Mann am späteren Nachmittag die Unbekannte heimlich in sein Auto brachte und mit ihr wegfuhr, ging Kati hoch in die Wohnung. Das gemeinsame Bett bot eine Ansammlung von Körperflüssigkeiten. Nach dem ersten Schock und mit heftig aufsteigender Wut steuerte sie einige Chilischoten bei, die Teil eines Buffets waren, welches ihr Mann aufgebaut hatte. Außerdem trat sie gegen einen alten Globus, der in viele Einzelteile zerbrach. Was sie sich drei Tage zuvor nicht vorstellen konnte, war mit diesem Anblick nun kein Problem mehr: Der unumkehrbare Auszug war beschlossen.

    Nur ist mit einem Maniker nicht zu spaßen. Er ging zur Polizei und zeigte Kati wegen Sachbeschädigung, Vorenthaltung seines älteren Sohnes – der andere war ihm egal – und Hausfriedensbruch an.
    Für ihre Aussage kam Kati zur gleichen Polizistin, welche die Anzeige aufgenommen hatte. Diese sagte, der Mann habe einen ziemlich „komischen“ Eindruck gemacht, wollte ihr seine Lebensgeschichte erzählen.

    Den Auszug versuchte er zu verzögern, nagelte an den Treppenaufgang ein Brett, tauschte das Schloss aus. Kati war mit den Nerven inzwischen restlos am Boden. Ich erkundigte mich für sie bei einer Anwältin, was Katharina nun noch durfte und was nicht. Die Anwältin sagte: Solange sie polizeilich in dem Haus gemeldet ist, kann sie in die Wohnung, beide haben Hausrecht. Verwehrt er den Zugang, könnte sie den Schlüsseldienst rufen. Das Brett am Aufgang solle sie fotografieren, um Entfernung bitten. Würde er der Bitte nicht folgen, müsste sie die Polizei rufen. Umzugshelfer müssten an der Grundstückseinfahrt warten. Die Einbauküche könne sie nur bekommen, wenn er einverstanden ist. Will er sie behalten, muss er den Verkehrswert zahlen. In dem Fall solle sie sich erst polizeilich ummelden, wenn sie das Geld bekommen hat. Und sie solle alles exakt im Übergabeprotokoll festhalten.

    Kati ließ sich den Wert auszahlen, auch wenn sie sehr an den Möbeln hing. Zum Ausräumen wollte sie mehrere Bekannte nehmen, ihr Mann wollte aber, dass nur sie beide ausräumen. Am Ende ließ er doch andere rein.

    Abstand ja, Ruhe nein

    Als der Auszug überstanden war, fing der Kampf um die Kinder an, bzw. von seiner Seite aus nur um den älteren Sohn. Anwälte, Schreiben, die er nicht verstand, usw. folgten. Außerdem zog eine Neue bei ihm ein, die sich als Osteuropäerin herausstellte. Nach 14 Tagen scheiterte ein erster Versuch, sie wieder nach Warschau zu bringen. Letztendlich brauchte er vier Anläufe, damit sie wieder in ihre Heimat zurückkehren konnte. Informationen bekam Kati von seiner Sekretärin, die sich aber zunächst für einige Tage krankschreiben ließ und zum Ende des Februars kündigte. Sie war immer wieder niedergemacht worden und hielt den Psychostress nicht mehr aus.

    Seine Firma vernachlässigte er, baute sich dafür einen Waffenschrank ein. Als Jäger durfte er Waffen besitzen. Auch wenn ich bis dahin von Katharina schon viel Haarsträubendes gehört hatte, aber diese Nachricht haute mich noch einmal ordentlich um: Waffen in den Händen dieses Mannes?! Immerhin griff hier sein Vater nach einiger Zeit ein und durch, nahm die Waffen an sich, auch er ist Jäger.

    Ansonsten spielten seine Eltern eine schwierige Rolle. Am Anfang schienen sie zu akzeptieren, dass ihr Sohn krank ist. Doch dies kippte nach einigen Wochen. Für sie war plötzlich ER gesund, nur Kati mache das Treiben wild. Dass er beim Fasching mehrere Leute angemacht hatte, dass er bei einer Feier Leuten aufs Maul hauen wollte, spielte keine Rolle. Gipfel war ein Gespräch zwischen seiner Mutter und Kati, bei dem die Mutter ihren armen Sohn bedauerte, der an einem Sonntag wieder wegen eines Notfalls arbeiten müsse. Da platzte Kati der Kragen: „Der musste nicht zur Reparatur, der hat seine Nutte nach Warschau schaffen müssen!“ Daraufhin wurde die Mutter still.

    Wochen später kehrte endlich wieder etwas Ruhe ein – für Kati höchste Zeit. Der Magen rebellierte, das Gewicht ging nach unten, immer wieder spürte sie kurze Herzrhythmusstörungen. Ihr Mann zog wieder seine blauen Arbeitsklamotten an und trug nicht mehr schwarz, das Quad blieb als rotes Tuch stehen, wegen der Kinder machte er keine Probleme. Langsam ging es aus dieser kurzen Phase der Normalität hinein in die Depression. Jetzt konnte sein Kopf realisieren, was in den Wochen zuvor alles kaputtgegangen war, was er seinen Kindern, Kati und sich selbst angetan hatte. Durch die Depression verstärkten sich die Schuldgefühle, er suchte die Nähe zu seinen Eltern, tat alles, um Kati milde zu stimmen, kam ihr in allem entgegen, was die Trennung und Kinder anging.

    Kein Happy End

    Als Kati in der Zeit zwischen unserer Erkenntnis, ihr Mann sei bipolar, und ihrem endgültigen Auszug bei einer Psychologin alles geschildert hatte, sagte diese klipp und klar: „Sie müssen mit Ihren Kindern da raus, sonst werden Sie auch krank.“ Neben dem Anblick des befleckten Ehebettes war diese Aussage für Kati der Türöffner nach draußen. Ansonsten wäre sie wohl geblieben, sagt sie noch heute.

    Katharina bekam von den Angestellten ihres Mannes hin und wieder die neuesten Geschichten erzählt. Einer nach dem anderen kündigte über die Jahre, teils mit Bauchschmerzen aus Angst davor, nichts Neues zu finden. Aber die Atmosphäre in der Firma, die Sprüche des Chefs wie „ICH mach hier eh alles, ihr macht nichts!“, die immer seltener werdenden Aufträge – am Ende war der Weggang ohne Alternative.

    Die Berichte drehten sich immer wieder um Frauen, immer aus Osteuropa. Manchmal präsentierte er eine bei Familienfesten, wobei die Eltern bemüht waren, sie als neue Freundin vorzustellen. Die Angst vor einem Gesichtsverlust der ganzen Familie im kleinen Ort war noch immer groß. 4 Jahre lang arbeiteten die Eltern gegen Kati, verteidigten immer wieder das Verhalten ihres Sohnes. Dem würde einfach nur der Kontakt zu seinen Kindern fehlen.

    Kati wollte nicht um das alleinige Sorgerecht kämpfen, auch wenn die Empfehlungen eindeutig waren. Auch am Umgang wollte sie nichts ändern. Die Söhne gingen nach wie vor aller 14 Tage über das Wochenende zu ihrem Vater, zeitweise unter Betreuung, aber nur bis zum Ende einer manischen Phase. Ich war kein Fan dieses Umgangs: Katharina war froh, wenn sie so schnell wie möglich nach der Übergabe der Kinder verschwinden konnte von ihrem Mann – und den Kindern mutete sie knappe zwei Tage mit ihm zu. Sie wurde kreidebleich und war dem Zusammenbruch nah, als ihr älterer Sohn mit 11 vom Vater eine Luftdruckpistole geschenkt bekam – und beließ alles so.

    Nur weiß ich selbst, dass man von außen immer viel leichter reden kann. Positiv war, dass der Vater sich an den Wochenenden kaum für die Jungs interessierte und diese vor allem bei seinen Eltern blieben. Gerade seine Fahrten unter Alkohol machten Sorge: Würde er auch mit seinen Söhnen betrunken fahren?

    Katharina ließ sich scheiden – noch einmal ein Nervenkrieg. 2015 verunglückte der Vater ihrer Kinder mit seinem Quad mitten in der Nacht bei einer weiteren Fahrt durch den Wald. In seinem Blut stellte man 4 Promille Alkohol fest. Er überlebte, schrammte aber um zwei Millimeter an einer Querschnittslähmung vorbei. Für die Ärzte war klar, dass er operiert werden musste. Doch nach drei Tagen Klinik entließ er sich mit einer Halskrause selbst, ließ sich nach Hause fahren und musste erst einmal ein Bier mit dem letzten verbliebenen Angestellten trinken. Ja, er war wieder in der Manie.

    Die Operation folgte beim Abklingen der Phase und als ihm Angst wurde, er den Kopf immer weniger schmerzfrei bewegen konnte und die Halskrause stank. In dieser Phase erwachte bei Kati das Helfersyndrom. Sie hatte noch immer Reste von Gedanken, sie selbst habe ihren Ex durch ihr Verhalten oder Druck mit dem Hausbau krank gemacht. So unterstützte sie ihn bei der Rückkehr in die Klinik, die OP lief gut. Nach dem Treppensturz hatte er zum zweiten Mal das berühmte Glück der Betrunkenen.

    Die Frau, die eben noch vom Helfersyndrom gepackt worden war, bedauerte in der nächsten Manie ihres Ex-Mannes, dass er überlebt hatte. Das mag hart und kalt klingen, aber ich hatte kein Problem, diesen Gedanken nach all dem zu verstehen. Auch wenn sie inzwischen räumlichen Abstand zu ihm hatte, war er immer wieder durch die Kinder, Anrufe und Nachrichten präsent. Letztere wurden oft unter Alkohol geschrieben, anders konnte sich Kati Form und Inhalt nicht erklären: „Geld bekommst du später, Finanzamd macht mir Probleme. Würde gern auch meine Kinder zu Gesicht begrüßen würden. Läge mir sehr am Hertzen! Sind sicher auch meine Kinder wo der Vater wohl felt. Gebe mir die Kinder. Oder nur eins und ich gebe ihnen was für die Zukunft. Nein, so wollte ich das nicht sagen. Ich will sie nur ab und zu sehen. Gerantwortlich bist du ja. Es sind hoffe meine leiblichen Kinder.“

    Er wollte endlos und immer wieder wirr diskutieren. Und wenn ein Maniker sagt, dass das Gras rot ist, dann ist es rot und man kann sich jedes Wort sparen, man wird ihn nicht umstimmen können.

    Was macht das alles mit den Kindern?

    Ja, mit dem Tod hätten die Kinder ihren Vater verloren – bzw. ihre drei Väter: den manischen, den depressiven und den in den Phasenübergängen ausgeglichenen. Wie schwer muss das für Kinder zu verstehen sein, was Erwachsene kaum ertragen können? Gerade der Manische zeigte sich immer wieder als schwer zu verdauen. Als sein älterer Sohn 16 wurde, rief der Vater ihn an und sagte, dass er wohl noch einen weiteren Sohn zeugen müsse, der eines Tages das Erbe antritt, denn seine bisherigen Kinder würden sich ja nicht um ihren Vater kümmern. Nach dem Gespräch heulte der Sohn. So sehr er über die Jahre gelernt hatte, mit der Krankheit seines Vaters irgendwie klarzukommen, so sehr verletzten ihn diese Worte.

    Und auch als Erwachsener willst du in diesem Moment dem Typen an den Kragen, ihn wachrütteln, ihn ohrfeigen, damit er endlich aufwacht – obwohl du dir immer wieder gesagt hast: Er verhält sich nur so durch die Manie und diese lässt sich nicht mit Vernunft steuern, genauso wenig wie die Depression.

    Und wenn sich das Adrenalin gelegt hat und das rationalere Denken wieder eine Chance hat, dann sagst du dir einmal mehr: Diese Krankheit willst du nicht geschenkt haben. In einer einzigen manischen Phase, gegen die du nichts machen kannst, wenn du nicht mit Tabletten eingreifst, kannst du dir so viel kaputt machen. Katis Ex hatte sich seine Firma, seinen guten Ruf über Jahre aufgebaut – und inzwischen gibt es sie nicht mehr. Seine Mutter brach in einer manischen Phase ihres Sohnes psychisch ein und verbrachte mehrere Wochen in der Psychiatrie. Jedes Auf und Ab ist gerade für die Mutter belastend. Die Eltern haben ihre Verdrängung ablegen können und sind sich auch nach außen hin bewusst, dass ihr Sohn eine psychische Erkrankung hat. Sie legen Katharina keine Steine mehr in den Weg, unterstützen die Söhne.

    Wie konnte es so weit kommen?

    Wann warum bei wem eine bipolare Störung auftreten kann, ist offen. Viele Betroffene erlebten vor der ersten spürbaren Episode intensiven Stress. Andere überstehen ähnlichen Stress aber ohne diese Erkrankung. Gene spielen eine Rolle. Der Vater von Katis Ex zeigte ebenfalls Züge, die an Manien und Depressionen erinnerten.

    Und der Vater scheint auch abseits der Gene ein Schlüssel zum Ausbruch der Störung zu sein. Auf ihn ist Katis Ex nie gut zu sprechen gewesen – und man kann es verstehen. Immer wieder vermisste der Sohn die Anerkennung seines Vaters. Er konnte noch so erfolgreich sein Geschäft von Null aufgebaut haben und mit dem Haus vorankommen – vom Vater kam nichts Aufbauendes.

    Seiner Schwester ging und geht es nicht anders. Sie übernahm nach und nach das Geschäft des Vaters – und er spricht immer wieder davon, wie schön ein männlicher Nachfolger aus der eigenen Familie wäre, auch im Beisein seiner Tochter. Frauen scheinen in seinen Augen so wenig wert zu sein wie der zweitgeborene Sohn für Katis Ex. Seine Enkelsöhne animiert er immer wieder, beruflich eines Tages in seine Fußstapfen zu treten.

    Kati versucht, ihre Söhne möglichst von Stress fernzuhalten. Die Angst, dass auch einer von ihnen die genetische Veranlagung zur bipolaren Störung in sich trägt, ist immer da. Aber wie kann man seine Kinder heute vor Stress, dem möglichen Auslöser, wirklich bewahren? Der jüngere Sohn musste sich durch die ersten Schuljahre kämpfen mit Nachhilfe und Ergotherapie, bekam dann sehr gut die Kurve. Doch die anfänglichen Misserfolge in der Schule, aber vor allem die Vernachlässigung durch seinen Vater machten es schwer bis unmöglich, Selbstbewusstsein aufzubauen. Er zeigt depressive Züge, wiegt mit 15 Jahren 40 kg bei 1,71 m Körpergröße, weshalb ein stationärer Klinikaufenthalt angeraten wird.

    Was Vater und Sohn verbindet, trennt sie

    Wenn es um seinen Vater geht, kommen dem jüngeren Sohn die Tränen. Dabei könnten sich beide an einen Tisch setzen und stundenlang auf Augenhöhe darüber sprechen, was es mit dir macht, wenn du die Anerkennung eines Elternteils vergeblich suchst. Beide suchten und suchen seit Kindertagen nach dieser Anerkennung und wohl nicht zuletzt deshalb erkrankten sie psychisch. Die Erkrankung des Vaters macht ihn aber in den Manien zum unmöglichen Gesprächspartner. Vater und Sohn verbindet die Kindheit – und dieses Verbindende sorgt dafür, dass es die beiden trennt. Die Kette der weitergegebenden psychischen Erkrankungen setzt sich fort. Und sollten die Söhne eines Tages Väter werden, wird alles von vorn beginnen, wenn wir nicht endlich anfangen, zuzuhören und uns mit der Entstehung psychischer Erkrankungen zu befassen.

    Für die Psyche beider Kinder – es ist schwer zu glauben, dass am großen Sohn alles abgeprallt sein soll – wäre es gut, wenn sie tief im Inneren akzeptieren könnten, dass ihr Vater durch seine Erkrankung und dessen eigene Kindheit die Anerkennung nicht leisten kann, auf die sie hoffen. Für ihre Psyche wäre es wichtig, zu verinnerlichen, dass es nicht an ihnen selbst liegt, dass ihr Vater seine Vaterrolle nicht ausfüllt. Sie könnten die klügsten, schönsten, tollsten, begabtesten Menschen der Welt sein – es würde nichts bringen. Selbst wenn sie berühmte Stars werden würden mit Millionen Fans und Milliarden auf dem Konto oder wenn sie eine riesige, erfolgreiche Firma aufbauen würden oder wenn sie jegliche Krankheit der Welt heilen könnten – es würde sich nichts verändern. Ihr Vater und seine Schwester hatten bei ihrem Vater ja ebenfalls keine Chance auf Anerkennung, so hart beide auch gearbeitet haben.

    Bedingungslose Kapitulation

    Aber wie ich über die Jahre lernte, in denen ich die Geschichte von Kati und ihren Kinder verfolgte, können selbst 40- und 50-Jährige die Hoffnung auf Anerkennung von Vater und/oder Mutter nicht einfach mit Hilfe der Vernunft und Wissen über Erkrankungen aus ihrem Kopf löschen. 2020 nahm sich mein einstiger Mitschüler Ulrich das Leben. Seine Schwester, 40, erzählte mir von ihrem Vater, der seine Frau und Ulrich während dessen Kindheit und Jugend geschlagen und der Ulrichs Leben lebenslänglich bestimmt hatte. Die Schwester hatte sich inzwischen sehr viel mit Narzissmus befasst und sah sowohl ihren Vater als auch ihre Mutter deutlich in dieser Persönlichkeitsstörung wieder.

    Ich fragte sie, ob sie trotz allem, was sie nun darüber weiß und was sie 40 Jahre lang an Ablehnung und Zerstörung bei bzw. durch ihre Eltern erlebt hatte, noch immer auf ein Zeichen der Zuneigung von ihnen hofft. Aus Erfahrung ahnte ich die Richtung der Antwort und sie lautete: „Nein, auch dessen musste ich mir bewusst werden, das werde ich nie bekommen. Das nennt sich bedingungslose Kapitulation. Anzuerkennen, was nie sein wird. Es ist klar. Tut es weh? Ja, immer wieder mal, je nach Situation. Darf es weh tun? Ja, darf es und ich darf es fühlen und annehmen, damit es mich nicht mehr überrennt und niedergemacht. Ich bin jetzt groß, ich darf mir das Ich bin gut so wie ich bin selber geben. Ist es schon gefestigt? Nein. Braucht Übung, aber ich komm ganz gut klar damit.“

    Wenn es Menschen mit 40, 50, 60 so schwerfällt, den Gedanken an dieses immer erhoffte Zeichen von Zuneigung und Anerkennung mit „Das werde ich niemals bekommen und ich verstehe, weshalb“ zu beantworten, wie soll man dann einem Menschen an der Schwelle zum Erwachsenenleben diese Utopie nehmen, ohne dass dabei neue Narben entstehen? Ist man schonungslos offen und erzählt alles, was gewesen ist, könnte es klingen wie: „Die wollen mir nur meinen Vater schlechtmachen, damit es mir besser geht.“ Oder das dann neue Bild des Vaters schafft einen breiteren Graben, doch der Wunsch nach Anerkennung bleibt.

    Bedingungslose Ehrlichkeit?

    Und wie ehrlich können und wollen die anderen sein, welche Verantwortung tragen? In der Geschichte von Kati, ihren Kindern und dem Ex kann man nicht allein die Schuld bei der Erkrankung des Vaters suchen. Kati selbst war in der Anfangsphase der Beziehung von mehreren Seiten vor ihrem Partner gewarnt worden, doch sie wollte unbedingt Kinder und nahm ihn praktisch dafür in Kauf. Kann man das, was nach Egoismus klingt, einfach ausklammern? Oder müsste es der Ehrlichkeit halber mit auf den Tisch, um den Kindern klipp und klar zu machen: „IHR habt nicht das Geringste falsch gemacht, sondern WIR!“?

    Welchen Anteil tragen Medien und das, was wir Gesellschaft nennen? Wie lange hatte es gedauert, bis wir endlich wussten, warum Katis Mann sich so völlig unterschiedlich verhielt? Ja, letztlich half eine Sendung im TV. Aber hätte ich nicht zufällig eingeschaltet, dann wären wir noch sehr lange ratlos gewesen, weil das Thema psychische Erkrankungen kaum eine Rolle spielt. Solange wir Menschen durch Klischees erklären, wird immer der Gedanke da sein: „Ach, wenn der mit mir zusammen ist, wird er sich schon ändern.“ Die Leidtragenden sind die Kids. SIE müssen das ausbaden, was WIR verzapft haben – und gleichzeitig ignorieren wir die Erkrankten. Auf ihren Schultern lastet das, was wir nicht wegräumen konnten oder wollten.


    Den Blick hinter die Gardinen mit 80 weiteren Biografiesplittern gibt es in meinem Buch:

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

    Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

    Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

    Noch viel mehr Lesestoff zum Buch „Verrückt – ein Aufschrei“ findest Du hier:

    Mach, was Meggie macht.

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    „Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

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    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

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    Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.

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    Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.

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    Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.

    Verrückt – Das Interview

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    Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

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    Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)

  • Brief an Dich

    Brief an Dich

    Hallo.

    Unsere Beziehung hat viele Höhen und Tiefen erlebt, wobei die Täler deutlich tiefer waren als die Gipfel hoch. Wir haben uns durchgeschlagen – oder besser gesagt: durchschlagen müssen. Gern würde ich einen Satz hier hinsetzen, den man in jedem Kitschroman liest: „Das hat unsere Beziehung stärker gemacht und wir sind daran gewachsen.“ Aber wir beide wissen, es wäre gelogen. An jedem von uns hat die Vergangenheit Spuren hinterlassen, nicht nur oberflächliche Lackschäden.

    Vor allem in den letzten Jahren habe ich versucht, dich zu beschützen, so gut es unter all den Umständen ging. Du weißt, dass ich deine Signale nicht ignoriert habe, die sagten: „Vorsicht, das kann mächtig ins Auge gehen.“ Ich habe Brücken zu anderen hochgeklappt, um unsere Beziehung zu schützen, uns beide irgendwie durch die stürmischen Zeiten zu bringen. Aber wir hätten uns in die einsame Hütte im Wald am See verkriechen müssen, um all den Treffern ausweichen zu können und mit heiler Haut durchzukommen. Und nur so hätten wir Erwartungshaltungen anderer an uns fernhalten können, laut denen wir jeglichen Wahnsinn einfach abzuhaken haben.

    Nun müssen wir schauen, was die Zukunft bringt und das „Produkt“ unserer Vergangenheit gemeinsam austragen. Irgendwann wird unser Kind einen Namen haben. Ob es das ist, was sich beim Ultraschall zeigte, werden wir sehen. Vielleicht ist es auch mal wieder die völlig falsche Fährte. Nur eines ist sicher: Nichts und niemand wird uns trennen – nur der Tod. Dann wirst du zu Asche und ich zu unsichtbarem Staub. Bis dahin gehen wir Hand in Hand weiter unseren Weg – oder besser gesagt: Du trägst mich weiter auf deinen Schultern.

    Grüße ans Herz und all die anderen Organe, mein lieber Körper.

    Dein Kopf.

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

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    Weitere Tagebuchseiten, in die Du gern reinschauen darfst:

    Ein Witz

    Ein Witz

    In mitten des Ozeans sinkt nach heftigen Stürmen ein Boot ganz langsam. Der Mann darin ist erschöpft, er bekommt den Kahn einfach nicht mehr leer, so sehr er sich bemüht.Ein zweites Boot nähert sich, der Mann schöpft Hoffnung – Rettung in Sicht nach langer Zeit.Der andere Mann kommt immer näher, grüßt kurz, schaut: „Ich bin […]

    Der Stein vor mir.

    Der Stein vor mir.

    Vor mir liegt ein Stein. Kein kleiner Kiesel. Er lässt mich nicht vorwärts kommen – oder schützt er mich?

    Mein liebes Leben

    Mein liebes Leben

    Wir hatten es selten leicht miteinander, du und ich. Von Liebesbeziehung konnte kaum die Rede sein, mein liebes Leben.

    Hör auf mit dem Scheiß

    Hör auf mit dem Scheiß

    Wenn dein Ego nie wachsen konnte, ist es dir eben egal, wie ehrlich ein „Ich liebe dich“ ist. Hauptsache, du bekommst es zu hören.

    Von Worten und Narben

    Von Worten und Narben

    „Die langen Ärmel ihrer Bluse rutschten nach unten, als sie in ihrer Freude die Hände noch oben riss.
    Er sah ihre Narben am Handgelenk …“ – Wie geht es wohl weiter?

    Mein Beileid (für die Angehörigen)

    Mein Beileid (für die Angehörigen)

    „Wie konnte sie nur? Ja, ihr ging es dreckig, aber was sollten wir denn machen? Mein tiefempfundenes Beileid. Sag´ Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Jetzt muss ich erstmal los.“

    Lady in Red

    Lady in Red

    Im dunklen Wasser des kleinen Sees versinken Nachtgedanken, heißt es. Doch aus ihm können auch zauberhafte Wesen steigen.

    Ich bin tot.

    Ich bin tot.

    Ich hab´s geschafft: Ich bin tot. Endlich kann ich machen, was mir Freude am Leben gibt.

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)

  • Herr Doktor tötet seine Kinder

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Ulrich

    Meinen einstigen Mitschüler Ulrich sah ich 2018 durchs örtliche Freibad laufen – und ich beneidete ihn. Wir waren zusammen zwei Jahre in der POS (heute Realschule), anschließend zwei Jahre in der EOS (heute Gymnasium), hatten beide studiert. Nur hatte er daraus eine berufliche Karriere machen können und ich hatte abgebrochen. Er brauchte sich als Chirurg keinen Kopf zu machen, wie er den Monat finanziell überstehen würde. Er hatte Familie und so wie er über das Gelände lief, war für mich klar: Ulrich steht komplett auf der Sonnenseite des Lebens. Dazu trug auch sein Körper bei: Muskeln ohne Ende. Ich hätte mich nicht neben ihn stellen wollen und zu anderen sagen müssen: „Ja, wir sind der gleiche Jahrgang.“ Sein Body war fast schon eine Anklage, die da lautete: Mit Mitte 40 kann Mann durchaus noch so aussehen!

    Als Ulrich mit der 8. Klasse zu uns kam, empfand ich seine Ausstrahlung als kühl bis arrogant. Klar: Das war ja auch der Sohn vom großen Doktor. Diese Familie lebte in ganz anderen sozialen Sphären als meine.

    Der Eindruck von Arroganz bestätigte sich nie, wir kamen nach meiner Erinnerung ganz problemlos klar. Trotzdem mied ich den Kontakt im Freibad. Was sollte ich schon im Smalltalk erzählen, wenn dieser optische Fels in der Brandung von Job, Urlaub, Auto, Familie und seinem Fitnesszustand hätte gesprochen?! An ihm zeigte sich eben, wie vorteilhaft es ist, aus einer Familie von Lehrern und Ärzten zu kommen.

    Zwei Jahre später habe ich die Blumen von Ulrichs Grab geräumt, die ich im Namen seiner einstigen Klassenkameraden hingestellt hatte. Suizid.

    Warum?!

    Als mich die Nachricht von seinem Tod über den Dorffunk erreicht hatte, verstand ich die Welt nicht mehr. Er war der Letzte meiner einstigen Mitschüler, von dem ich dies erwartet hätte. Er hatte doch alles?!

    Aus Erfahrung ging ich davon aus, dass dieser Suizid keine kurzfristige Entscheidung war, sondern eine lange Vorgeschichte haben musste – nur welche?! War er bipolar? Depressiv? Aber wenn ja: Warum?! Wenn psychische Erkrankungen immer im Kinderzimmer ihren Lauf nehmen, hätte bei ihm ja auch etwas heftig schiefgelaufen sein müssen?! Sein Vater hatte das Image eines Schürzenjägers, aber dies klang immer so, als gehöre das halt irgendwie zu einem großen Chirurgen dazu. Von Ulrichs Mum war Alkoholkonsum bekannt. Lag es an ihr, so wie bei Anja, die sich lieber umbringen wollte, anstatt die Wahrheit über den Alkoholismus ihres Vaters erzählen zu dürfen?

    Fürs Erste wurde mir nur eines wieder klar: Auf das, was man von einem Menschen sieht, darf man nichts geben. Was sich in ihm abspielt, weiß meist nur er selbst, vielleicht noch ein, zwei Menschen im Umfeld.

    Ich fragte mich nun auch, wieso er so durchtrainiert war. Menschen tun nichts, was grundlos Energie verschwendet. Und um einen solchen Body zu bekommen wie er und diesen mit zunehmendem Alter zu erhalten, musste er viel Eisen gestemmt haben. Was war der Grund? Unser Antrieb für eine gutaussehende Fassade ist immer wieder unser Ego, ob Make up, Schönheits-OP oder Fitnesstraining. Also hatte der Sohn des Arztes, der so kühl bis arrogant wirkte, offenbar aus seinem Elternhaus kein stabiles Selbstbewusstsein mitbekommen. Soweit meine Theorie.

    Im Kapitel „Was du siehst und was nicht“, in welches Ulrich ebenfalls passen würde, schrieb ich: „Und aus seltsamen Verhalten … wirst du immer nur Vermutungen anstellen können. Die wahre Geschichte wird dich aber umhauen, mit ihr hättest du nie und nimmer gerechnet.“

    Dieser Satz, der Wochen bis Monate vor Ulrichs Tod seinen Platz im Manuskript gefunden hatte, sollte sich nun einmal mehr bewahrheiten.

    Seine Schwester

    Ein Beitrag bei Facebook, mit dem ich ein paar inzwischen über Deutschland verteilten Mitschülern vom Suizid erzählte, fand dank des Dorffunks seinen Weg zu Ulrichs Schwester. Dass er eine Schwester hatte, war mir nicht klar – für sie nichts Neues. Wir kamen ins Gespräch und sie schrieb, meist sei sie froh, dass praktisch keiner von ihrer Existenz weiß, aber teils sei es auch nicht gerade angenehm, wenn einen die halbe Welt so ignoriert. Der Familienruf eile immer voraus, der berühmte Schatten, der immer da ist: „Ekelhaft, widerlich.“

    Und eigentlich hatte ich Ulrich um genau diesen Ruf beneidet, der von der hohen sozialen Herkunft kam und Türen öffnen kann. Doch für die Kinder bedeutete er laut seiner Schwester: „Erstmal Distanz wahren und checken, wie die Leute einem begegnen.“ Beide Kinder hatten dadurch den Stempel, kühl bis arrogant zu wirken. Doch Ulrich sei sehr feinfühlig gewesen, tiefgründig, einfühlsam: „Das können sich die wenigsten vorstellen.“

    Ich konnte es mir vorstellen. Ulrich hatte ich nicht laut in Erinnerung, auch nicht extrovertiert. Gut, als wir mit der 12. Klasse unterwegs waren, zog er sich als Einziger bis auf die Badehose aus und stieg ins Wasser eines Stausees. Aber abseits davon taute er nur etwas auf, wenn Alkohol im Spiel war. Das sagte auch seine Schwester, ohne dass ich ihr eine Vorlage geboten hätte: „Wenn mein Bruder auf Feiern durch Alkohol lockerer wurde, dann konnte er sich aus seinem Panzer etwas lösen und war … ganz anders.“

    Sie hatte zunächst gezögert, ob sie mir mehr über das Familienleben schreiben solle – zu viele negative Erfahrungen mit dem Dorfklatsch hatten sie sehr vorsichtig gemacht. Andererseits hätte sie längst ein Buch schreiben wollen über ihre Familie, nur fand sich nie die Zeit.

    Sein Vater

    Der erste Satz, den sie mir über ihren Vater schrieb, lautete: „Mein Vater ist ein Narzisst.“ Ich hatte dieses Wort bis dahin ihr gegenüber nicht verwendet, ich hatte sie also nicht auf diesen Weg geführt, damit ich meine Narzissten-Liste erweitern hätte können.

    Sie schrieb von jahrelangem Selbststudium – damit hatten wir etwas gemeinsam. Sie schrieb von der Selbstverherrlichung des Vaters, welche die Familie gefangen hielt. Sie erzählte, dass sie als Tochter auf Karten aus dem Urlaub nicht nur den Vor- und Nachnamen ihres Vaters als Empfänger angeben musste, sondern auch den Doktor-Titel. Sie schrieb von einer harten Erziehung, die durch Konkurrenzkampf geprägt war, von dem sie als weibliches Wesen aber ausgenommen blieb: „Ich hatte das Glück, als Mädchen auf die Welt gekommen zu sein. Habe aber auch mein Päckchen zu tragen. Meinem Bruder wurde keine andere Wahl gelassen. In meinen Augen wurde seine Kinderseele schon sehr früh zerrissen. Mama und Papa sind ja deine Bezugspersonen und die, von denen die Kinderseele ganz viel Unterstützung braucht. Wenn es im Leben aber nur scheiße läuft und das schon als Kind, dann fragt man sich schon mal, wie denn der Tod so ist. Denn das, was wir erlebt haben, konnte nicht der Sinn des Lebens sein. Und mein Bruder fragte sich das Zeit seines Lebens. Für mich sehr verständlich. Für Außenstehende natürlich nicht. Jetzt kann er endlich frei sein.“

    Wie vermutet war es also keine kurzfristige Entscheidung. Die Geschichte seines Suizids nahm auch bei Ulrich ihren Beginn in dessen Kinderzimmer. Er wollte niemals beruflich in die Fußstapfen seines Vaters treten, wollte eigentlich zum Bau – aber dies hatte er nicht zu entscheiden.

    Seine Schwester schrieb von Psychoterror, von Gewalt, hauptsächlich ihrer Mutter gegenüber. Aber auch ihr Bruder hatte einiges abbekommen – und begann deshalb früh mit dem Fitnesstraining.

    „Die wahre Geschichte wird dich aber umhauen, mit ihr hättest du nie und nimmer gerechnet.“ Nein, hinter Ulrichs Leidenschaft für das Bodybuilding hätte ich nie und nimmer diesen Grund vermutet. Aber es hat eben alles einen tieferen Grund.

    Sätze, die mir Ulrichs Schwester schrieb, kannte ich aus meinem eigenen Denken: „Als Kind bist du in diesem Prozess gefangen. Keiner redet mit dir darüber, also weißt du es nicht besser. Es ist für das Kind normal.“

    So irrsinnig die Verhältnisse in der eigenen Familie sind und so wenig man davon ausgeht, es würde überall so zugehen: Diese irrsinnigen Verhältnisse sind für das Kind normal. Auch dem Schauspieler Johnny Depp wurde erst dann bewusst, wie es in einer Familie auch zugehen kann, als er am Tisch einer anderen saß.

    Sein Tod – und seine Freiheit

    Die Gedanken der Schwester zum Suizid ihres Bruders lesen sich so: „Ulrich, du bist jetzt frei. Keiner mehr, der dir sagt, was du tun und lassen sollst, was richtig ist und was falsch, keiner mehr, der dir Entscheidungen aufdiktiert. Diese, deine letzte Entscheidung hast du das einzige Mal in deinem Leben ganz allein getroffen. Und für dich war es gut so. Ich hoffe, dort, wo du jetzt bist, kannst du inneren Frieden empfinden. Eine große, große Last ist jetzt von dir abgefallen. Ich gehe meinen Weg jetzt auch für dich weiter.“

    Mich nahm der Tod von Ulrich nicht mit – jedenfalls nicht so, wie ich es erwartet hätte bzw. wie ich es für angemessen gehalten hatte. Da nimmt sich einer das Leben, es ist einmal mehr der Beweis dafür, dass psychische Erkrankungen und Suizide im Kinderzimmer ihren Anfang nehmen – und alles geht einfach so weiter. Die Zeit steht nicht still, es gibt keinen Aufschrei, kein wachrüttelndes Beben. Nein, das Leben geht halt weiter – zumindest für jene, die es sich noch nicht genommen haben – und wir lernen Null aus einer solchen Geschichte.

    Nach dem Einblick in das Familienleben von Ulrich und seiner Schwester konnte ich den Suizid problemlos nachvollziehen und ich gönnte ihm die Freiheit.

    Seine Kinder

    Aber ich konnte diese auch nicht bedenkenlos feiern, denn er hinterließ drei Kinder, darunter ein zwei Monate altes Baby. Im Dorffunk war von einer Affäre mit einer Kollegin die Rede. Ulrichs Schwester klärte mich auch in diesem Punkt auf und einmal mehr zeigte sich, dass Geschichten oft deutlich vielschichtiger sind als es die Überschrift verheißt:
    „Das 3. Kind ist nicht in einer Affäre entstanden, sondern von schlichtweg 2x Sex. Wir konnten aus SMS-Nachrichten nachvollziehen, dass diese Frau meinen Bruder massiv unter Druck gesetzt hat, sprich: ihren Säugling als Mittel benutzt hat. Ihre Verführungsversuche, die letztlich erfolgreich gewesen sind, waren Mittel zum Zweck, schwanger zu werden. Um nichts anderes ging es ihr. Sie ist, soweit wir über sie Bescheid wissen, eine Einzelgängerin, oder anders gesagt: Bei ihr bleibt keiner. Das, was ich über sie weiß und aufgrund ihres Verhaltens rückschließe, ist: Sie ist ebenfalls Narzisstin. Eiskalt. Denn jetzt geht bei ihr der Kampf ums Erbe los. Das heißt, auch für meine Familie keine Ruhe. An dem Tag, als mein Bruder sich erhängt hat, hat er vom Jugendamt einen Brief erhalten. Dieser hat seine Schlinge zugezogen, die er im Kopf schon lange um den Hals trug.

    Ich möchte meinen Bruder in der Sache nicht in Schutz nehmen, aber auch diese Geschichte ist von mehreren Seiten zu beleuchten. Menschen machen es sich – gerade wenn sie selbst keine Erfahrungen mit Narzissmus gemacht haben – einfach. Stempel drauf und gut. Mein Bruder hat meiner Mutter oft erzählt, schon Jahre vorher, wie penetrant Arztkolleginnen und Krankenschwestern sein können: Die werfen sich dir an den Hals, die ziehen sich vor dir aus, ob du das willst oder nicht, das sind Schlangen. Und wenn du denen klar einen Korb gibst, musst du damit rechnen, dass sie Möglichkeiten haben, die Zusammenarbeit mit dir zu boykottieren. Krankenhäuser sind Hurenhäuser.

    Ich bin auch nicht für die MeToo-Bewegung in ganzer Breite. Es gibt viele wirkliche Opfer, keine Frage, aber Frauen können Mistkrücken sein, die ganz genau wissen, was sie einsetzen müssen, um ans Ziel zu gelangen. Sichtbar wird es nur an wenigen Stellen wie zum Beispiel in Krankenhäusern oder, um bei MeToo zu bleiben, in der Filmbranche. Der viel größere Teil läuft subtil ab, aber genauso wirksam.“

    Ein kurzer Einschub dazu, weil hier eine gefühlte Tonne Dynamit liegt für das Auslösen eines Shitstorms: Für mich war der „Krankenhäuser sind Hurenhäuser“-Teil der Nachricht völliges Neuland und ich konnte damit nicht wirklich etwas anfangen. Ich schrieb Hanna diesen Satz und erntete ein: „Das wusste ich schon 1997.“

    Mein Erstaunen wurde nicht geringer und es legte sich auch nicht beim Lesen ihrer folgenden Zeilen: „Eine damalige Freundin von mir, damals Krankenschwester in einer Klinik in Heidelberg, sagte: Nirgendwo wird wohl so kreuz und quer gefickt wie unter Klinikpersonal. Ist ganz schlimm.
    Antje sagte mir damals, Sex im Dienstzimmer sei normal. Und sie sagte mir damals, die Weiber seien untereinander wie Hyänen. Wehe, eine käme mit einem Arzt gut aus, dann wäre nicht nur Eifersucht angesagt, sondern auch unsäglicher Neid und Unterstellungen. Auch nackt unter dem weißen Kittel zu sein, sei keine Seltenheit. Intrigen ohne Ende. Jede habe die Einstellung, sich den besten Arzt angeln zu müssen. Und sie sagte mir, wie extrem sich deshalb die meisten eben aufbrezeln und morgens zu Hause ewig vor dem Spiegel stehen würden, sich parfümieren, als würden sie im Puff arbeiten. Konkurrenz müsse ausgestochen werden. Aber es gäbe halt auch genug Ärzte, denen das durchaus gefallen würde und die sich eine nach der anderen nehmen würden. Was den Hass untereinander dann noch mehr schüre.“

    Zurück zu Ulrich und seinen Kindern. Die Mutter seines ersten Kindes ging in meine Parallelklasse und soweit ich mich erinnere, war seine Beziehung mit ihr die erste in meiner Klassenstufe, die den Titel verdient hatte und lange halten sollte.

    Ulrichs Schwester schrieb dazu: „Sie waren 17 Jahre zusammen. Mein Bruder war nach dem, was ich weiß, von Anfang an ehrlich und hat gesagt, dass er keine Kinder möchte. Hintergrund ist wieder unser Vater: Mein Bruder konnte sich nie vorstellen, ein guter Vater zu sein. Er hatte Angst davor, so zu werden wie seiner. Deshalb wollte er keine Kinder. Wie gefangen er in dem Narzissmusnetz war … Schrecklich. Und am Ende war er wie er.

    Seine damalige Freundin bekam nach 17 Jahren Torschlusspanik. Das Thema Kind wurde zwischen ihnen immer mehr zum Druck- und Stressfaktor. Ich weiß, dass sie ohne Ulrichs Einverständnis die Pille abgesetzt hat. Vielleicht auch ohne sein Wissen. Ja, ich kann da wieder nur #MeToo sagen: Wir „armen“ Frauen. Wir haben es in der Hand, denken – und das ist das Fatale für unsere eigenen Kinder – aber nicht über den Tellerrand hinaus. Mein Bruder hatte diesen Weitblick – und fühlte sich verraten. Dann hatte er eine Affäre. Und er wollte bei seiner schwangeren Freundin bleiben. War hin- und hergerissen, wie so oft in seinem Leben. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, die schwangere Freundin machte Schluss und er wurde wieder mal zum Buhmann erklärt. So habe ich es erlebt und mitbekommen. Aus der Affäre wurde dann seine Frau, mit der er sein zweites Kind hatte. Auch ich war damals enttäuscht von ihm, weil ich aber da auch Verschiedenes nicht wusste. Leider hat er in mir, so fühlt es sich an, die kleine Schwester gesehen und nicht die ebenfalls erwachsen Gewordene, mit der man auf Augenhöhe reden kann.“

    Ulrich war sich also des Dominoeffekts aus Opfer und Täter bewusst. Er wollte das machen, was ich viel mehr Opfern ans Herz legen möchte: keine Kinder bekommen, auch wenn das hieße, dass in 6 Jahren die Kitas leer sind und in 16 Jahren die Schulen. Er war nicht so blauäugig zu glauben, er würde es ganz gewiss besser machen, aus den Fehlern der vorigen Generation lernen. Seine Lehre aus der Geschichte war, ob bewusst oder unterbewusst: Die Gleise aus der Kindheit liegen einbetoniert.

    Nun sind da drei Kinder, denen der leibliche Vater abhanden kam. Und leibliche Väter sind nach all meinen Erfahrungen nicht zu ersetzen, ihr Versagen oder ihr Fehlen hinterlässt tiefe Spuren, genau wie bei Müttern. Wieder beginnen steinige Wege im Kinderzimmer, deren weitere Verläufe man erahnen kann. Ein einzelner Narzisst hinterlässt kaum behebbare Schäden an Kindern und Enkeln – und nicht nur an denen. Aber der Vater war sicher auch wieder nicht das erste Glied in der Kette.

    Wir hätten reden sollen

    Nach Ulrichs Tod kramte ich Fotos aus Schulzeiten aus dem Karton mit alten Bildern und sah sie mir an. Beim Schulabschluss standen wir nebeneinander und mir wurde klar: Mich hatte damals mit dem Jungen, den ich anfangs als arrogant und kühl wahrgenommen hatte, viel mehr verbunden, als ich es je ahnen hätte können. Sein „Familien“-leben in Kinder- und Jugendtagen war deutlich härter als das meine, gerade weil ich meist nur Zuschauer war und mein Bruder das meiste abbekommen hatte. Wir hätten damals darüber reden können. Und wir hätten 30 Jahre später im Freibad darüber reden können, was ein kaputtes Elternhaus aus einem macht, wie schwer es die Gleise legt, anstatt Smalltalk über Job, Familie und Fitness zu betreiben.

    Als ich das erste Mal zu seinem Grab ging, kam mir in den Sinn, dass das auch mein Grab sein könnte. Umso ernüchternder empfand ich die gefühlte Ignoranz gegenüber seiner Geschichte. Da ist halt einer gestorben, hatte wohl paar Probleme, bestimmt wegen dieser Affäre – passiert.

    Aber ich selbst nahm dies ebenfalls viel zu wenig emotional nach meinem Empfinden. Offenbar hatten mich all die vorherigen Geschichten von Felix und anderen so abstumpfen lassen. An Ulrichs letzter Ruhestätte selbst war mein Kopf eher leer. Der Muskelprotz lag nun irgendwo unter Steinen in einer kleinen Dose, so wie Felix. Und wir lernen nichts daraus.

    Nach Ulrichs Tod kam ich mit Menschen ins Gespräch, die über seinen Vater etwas erzählen konnten. Einmal hörte ich: „Der ist doch aber immer so nett und freundlich?!“ Die Worte klangen nach: „Na wer weiß, was dir da Ulrichs Schwester erzählt hat …“

    Und ich hatte diesen Satz ja auch mehrmals über meinen Vater zu hören bekommen. Auch ich hatte das Gefühl, den so denkenden Menschen sehr schwer das bisher von meinem Vater gewonnene Bild geraderücken zu können. Auch hier saß ich mit Ulrich und dessen Schwester in einem Boot.

    Von einer Verkäuferin hieß es, sie habe große Angst, wenn Ulrichs Vater den Laden betritt und sie war nah dran, zu kündigen. Er hatte sich geweigert, während der Corona-Pandemie den Mund-Nase-Schutz zu tragen: „Ich bin schließlich vom Fach! Ich weiß, was da läuft! Das ist alles ein Schwindel! Ich brauche nichts vor dem Gesicht!“ Worte und Auftreten eines gebildeten Mannes aus der Mitte der Gesellschaft. Und wir fragen uns, warum auch diese Mitte so durchgeknallt sein kann. Weil eben Persönlichkeitsstörungen nichts mit Intelligenz zu tun haben, genauso wie psychische Erkrankungen.

    Eine ehemalige Krankenschwester war vertraut damit, dass man diesen Arzt mit „Herr Doktor“ anzureden hat. Sie hatte einst einen heftigen Einlauf bekommen, als sie ihn nur mit dem Nachnamen angesprochen hatte. Dieser Narzisst zeigte sein wahres Wesen also nicht nur im engsten Familienkreis, sondern ließ auch andere darunter leiden. Sein Nummernschild besteht aus dem ersten Buchstaben seines Nachnamens und dahinter einer 1. Donald Trump könnte es nicht besser.

    Ohne den Narzissten als Vater wäre Ulrich noch am Leben. Deshalb kann ich es nur noch einmal sagen: Narzissten töten. Sie machen krank, psychisch und/oder körperlich. Menschen, die andere wie Scheiße behandeln, dürfen nicht als heil- oder wandelbar mit einfachen Mitteln dargestellt werden. Dieser Mann ist über 70 und hat sich nie zum Positiven verändert. Er macht nach wie vor seiner Familie das Leben zur Hölle auf Erden.

    Der Brief

    Seine Tochter schrieb ihm zwei Tage vor der Beisetzung einen Brief – normalerweise meidet sie den Kontakt zu ihrem Vater so gut es geht. Nach meinen gesammelten Erfahrungen würde ich niemandem empfehlen, einem Narzissten die Augen öffnen zu wollen. Man verschwendet nur Energie und ist am Ende frustriert, wenn das Gespräch wie üblich ins Nichts verlaufen ist. Aber wer ewig schluckt, stirbt von innen. Mit dem Brief konnte Ulrichs Schwester ihre Gedanken bezüglich der Schuld ihres Vaters am Tod ihres Bruders sortieren, so dass diese Gedanken nicht mehr ständig im Kopf kreisen mussten. Auch mir geht es immer besser, wenn ich länger kreisende Gedanken auf Papier bringen kann. Der Druck lässt nach und das Gedachte ist jederzeit wieder greifbar.

    Und natürlich reagierte ihr Vater, wie man es von einem Narzissten erwarten kann. Da gab es kein: „Oh Gott, was habe ich nur angerichtet?! Was habe ich meinen Kindern und meiner Ex-Frau ihr Leben lang angetan?! Mein eigen Fleisch und Blut habe ich in den Tod getrieben …“ Nein, die Reaktion war: Er ignorierte sein anderes Kind komplett bei der Beisetzung seines Sohnes nach dessen Suizid.

    Seine Danksagung in der Zeitung nach der Beisetzung wirkte so steril wie es seine einstigen Patienten bei den OPs waren. Natürlich musste er auch hier vor seinen Namen das „Dr.“ setzen lassen. DAS war wichtig.

    Warum der Vater die narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickelt hatte, weiß ich nicht. Auch bei ihm wird es einen Grund geben und auch er wird einst Opfer als Kind gewesen sein, alles andere würde mich überraschen. Sein Narzissmus wirkte sich massiv auf seine Frau und seine Kinder aus und nun auch auf seine Enkel. Und diese werden nicht das letzte Glied in der Kette sein, solange wir nicht endlich anfangen, darüber zu reden.

    Ein Jahr danach

    Ein Jahr nach Ulrichs Suizid fragte ich seine Schwester, ob inzwischen Ruhe eingekehrt ist – und sei es durch gegenseitige Ignoranz. Ich war davon ausgegangen, dass sie den Tod ihres Bruder gut weggesteckt hatte, schließlich hatte sie ihm den Frieden gegönnt.

    Warum ich dies annahm, kann ich nicht sagen. Die Erfahrung hätte mir täglich ins Ohr schreien müssen: „Das steckt sie nicht einfach so weg!!!“ Ich wusste doch längst, welche Einschläge in die Psychiatrie führen. Es war ihr Bruder, mit dem sie Extremes durchgemacht und den sie nicht durch einen tragischen Unglücksfall verloren hatte. Selbst ich als Unbeteiligter hätte am liebsten ein dickes, rotes M für „Mörder“ an die Front des Hauses ihres Vaters sprühen wollen, wann immer ich daran vorbeikam, damit die Leute wach werden, was sich hinter dieser hübschen Fassade verbirgt.

    Ulrichs Schwester war inzwischen die fünfte Woche in einer psychosomatischen Tagesklinik, seit 5 Monaten krankgeschrieben nach einem Zusammenbruch. Ihr Vater ignorierte sie tatsächlich komplett seit dem Brief, den sie ihm nach dem Tod ihres Bruders gegeben hatte. Mit keinem einzigen Wort hatte er reagiert. Nur gegenüber Ulrichs Witwe äußerte er sich, im Sinne von: „Meine Tochter hat eine Meise und mein Sohn war bescheuert.“

    Und er hatte auch den Kontakt zu seinem Schwiegersohn und den Enkeln gekappt: „Erkläre mal einem Neunjährigen, warum er Opa nicht mehr sieht und wie ein Erwachsener so eingeschnappt sein kann – nicht nur für fünf Minuten, sondern für offenbar immer.“

    Sie hatte den Brief auch ihrer Mutter gezeigt – die den Inhalt mehrfach in Frage stellte. Und wieder funktionierte der gelernte Mechanismus: Bei Ulrichs Schwester kamen Gefühle hoch, etwas Falsches getan zu haben.

    Sie hatte also ihren Bruder verloren, ihren Vater genauso, auch wenn er noch lebte und die Mutter bot – wie gewohnt – ebenfalls keinen echten Halt, sondern schlug noch mit in die Wunde.

    Die Mutter

    Über diese sagte Ulrichs Schwester: „Sie ist sehr sehr anstrengend.“ Vor dem Zusammenbruch hatte die Mutter von Suizid gesprochen. Für ihre Tochter war das nicht neu. „Ich hänge mich auf“ kannte sie bereits aus Zeiten, als sie in die Grundschule ging. Allein wenn ein Kind solch einen Satz hört, darf man nicht erwarten, dass er an den Synapsen wie an Teflon abrutscht: „Ich habe sie ab und an mal voller Erwartungsangst im Keller oder auf dem Boden gesucht, wenn sie nicht da war, obwohl sie hätte da sein müssen.“ Und schon ist mit 7 Jahren das erste Trauma perfekt … Dann hörst du es gut 30 Jahre später wieder in einer Phase des psychischen Ausnahmezustandes, es triggert dich und du liegst am Boden.

    „Nach wie vor nutzt sie mich für ihre Psychohygiene, mein Bruder steht dafür ja nicht mehr zur Verfügung. In mir brachen die Prägungen meiner Kindheit, die jahrzehntelang unterdrückten Gefühle der Trauer, Angst, Wut, Hilflosigkeit auf. Alles zusammen, auch die nicht vorhandene ausreichende Zeit, um trauern zu können, die große Tragik, die mir mit Ulrichs Tod bewusst wird, bewirkten massive psychosomatische Symptome. Jeglicher Druck wirkt sich aktuell in Schwindel und Panikattacken aus.“

    Sie hatte sich in den Monaten der Krankschreibung mit ihrer Familie auseinandergesetzt, den Blickwinkel neu eingestellt, ähnlich wie Elisabeth. Und wie bei dieser führte der neue Blick auch bei Ulrichs Schwester zu mehr gefühlter Realitätsnähe: „Inzwischen sehe ich meine Mutter auch als Narzisstin. Es gibt ja verschiedene Arten und sie ist sicher eine andere als mein Vater. Meine Mutter musste sich gegenüber meinem Vater fügen, sonst gab es blaue Flecken. War er nicht da, spielte sie zwei Rollen: die Opferrolle, in der sie ihre Kinder für ihre Psychohygiene missbrauchte und gleichzeitig die Täterrolle, in der sie uns unterdrücken konnte, um ihre Egozentrik auszuleben.

    Sie philosophiert noch heute über ihr geringes Selbstwertgefühl. Ich habe sie kürzlich damit konfrontiert, denn bei ziemlich jeder Veranstaltung (Festen), bei dem mehr als nur ich und mein Mann anwesend sind, wartet sie auf den richtigen Zeitpunkt, um sich auf übelste Art und Weise zu präsentieren. Und sei es im Handstand über die Tanzfläche laufen. Das ist nicht übertrieben, sondern passierte schon mehrmals so. Dazu Alkohol. Interessant für mich war, dass meine Mutter als Alkoholikerin gesehen wird. Ich gebe zu, dass sich über die letzten Monate auch ein anderes Bild von ihr in mir breit macht. Ich sehe einige Hinweise auf Bipolarität bei ihr. So oder so würde sie sich aber nie zu einem Psychologen oder Psychiater begeben. Dann lieber wie mein Bruder. Sie sagte mir kürzlich, dass sie dazu aber zu feige ist. Beruhigend … ?“

    Wer keine Täter will, muss dafür sorgen, dass es keine neuen Opfer gibt.

    Bist du auch zum Täter geworden?

    Wir schrieben auch wieder über Opfer und Täter und eine „alte“ Frage wachte in mir auf: Auf welche Weise war Ulrichs Schwester eigentlich zur Täterin geworden? Ja, diese Frage scheint böse, weil sie anklagend klingt, gerade wenn man sich noch nie selbst dieser Frage gestellt hat. Und einem ganz offensichtlichen Opfer diese Frage zu stellen, bricht mit allem, was wir gelernt haben: dort das Opfer, da der Täter, dazwischen meilenweit Wüste. Mir geht es aber bei dieser Frage niemals um Anklage. Ich würde sie auch umgekehrt einem Täter stellen wie dem Vater oder einem Kinderschänder: „Auf welche Weise warst du Opfer?“ Nur wenn wir diesen Zusammenhang begreifen, werden wir zukünftige Opfer schützen können: Wer keine Täter will, muss dafür sorgen, dass es keine neuen Opfer gibt.

    Ich hätte Ulrichs Schwester diese Frage nie geschrieben angesichts ihrer „extrem sensitiven Phase“. Mit den neuen Schilderungen war sie für mich noch ein „gutes“ Stück mehr zum Opfer ihrer Eltern geworden – also wäre es das logischste nach all den anderen Geschichten gewesen, wenn auch sie auf irgendeine Weise zur deutlichen Täterin geworden wäre. Die Frage war demnach überflüssig. Nur meine Neugier – das Wort mag in dem Zusammenhang seltsam klingen – kratzte an der Zurückhaltung.

    Doch ich brauchte nicht fragen, denn ihr war inzwischen selbst bewusst, dass aus Opfern Täter werden – sich eingeschlossen. Und sie hatte deshalb in den Monaten zuvor begonnen, die Weiche an jenem Gleis umzustellen, auf das sie in den Kindertagen gesetzt worden war und vom Verhalten ihrer Eltern einbetoniert wurde – eine alles andere als leichte Aufgabe, wie sie schrieb.

    Der neue Weg

    Ihr Ziel: ein eigenes Gleis. Und damit ein eigenes Leben, losgelöst von den alten Prägungen, so gut dies möglich ist: „Ich habe gemerkt, wie sehr mich diese Prägungen beeinflussen, ob im Beruf oder privat. Nun spüre ich die daraus resultierenden Glaubenssätze auf und transformiere sie. Das ist meine Chance. Ich habe gemerkt, wie meine Mutter in unserer Familie trotz allem, was passiert ist, die Vorzeigefamilie sehen will, wo alles in bester Ordnung scheint, um dann ihre Opfer-Täter-Rolle in uns weiter wirken zu lassen. Diese Erkenntnis hat mir meine Identität abhanden kommen lassen. Bzw. mir wurde bewusst, dass ich bisher wohl noch nie wirklich mein eigenes Leben leben konnte, denn die Prägungen und damit Erinnerungen mischen sich überall ein. Im Bruchteil einer Sekunde, du merkst es gar nicht. Mir haben verschiedene Bücher auf dem jetzigen Weg geholfen und helfen weiterhin.

    Und ja, auch ich habe erfahren und musste mir eingestehen, vom Opfer zum Täter in meiner eigenen Familie geworden zu sein. Es ist ein gewaltiger, langer Weg. Ich hoffe, dass mir die Stolpersteine der alten Prägungen und kontroversen Glaubenssätze meiner Eltern immer zügiger auffallen werden, ins Bewusstsein rücken, um dann gegensteuern zu können. Eine andere Chance sehe ich nicht.

    Und ich komme derzeit oft an meine Grenzen. Zum Beispiel bei meinen Kindern, die Grenzen und Konsequenzen kennenlernen müssen. Das diese nötig sind, sehe ich absolut. Geprägt durch meine Kindheit komme ich jedoch in enorme innere Konflikte bei Konsequenzen oder wenn ich mal laut werden müsste. Ich will ja nicht einen ähnlichen Schaden in ihren kleinen Seelen anrichten wie es meine Eltern bei uns getan haben. Ich musste mir erst mal selbst bewusst werden, dass ich meinen Kindern ein ganz anderes Zuhause in einer Atmosphäre der Geborgenheit, Sicherheit und Anerkennung gebe. Etwas, was ich nicht hatte. In einer überwiegend friedlichen, häuslichen Atmosphäre wirkt ein böses Wort anders als in einer permanent vergifteten. Zumal ich, zumindest mit meinem großen Kind, Unstimmigkeiten auch bespreche und nicht etwas diktiere, ohne dass er zu Wort kommen darf. Aber das musste mir erst mal klar werden.“

    Für mich war dies ein Lichtblick: Endlich gab es da einen Menschen, der aus seiner Geschichte und den Geschichten anderer zu lernen schien, dem bewusst geworden ist, wie die Dominokette aus Opfern und Tätern funktioniert, wie enorm das eigene Verhalten die nächste Generation prägen wird, welche Verantwortung man trägt. Auch ihrem Bruder war dies offenbar klar, doch er traf auf Menschen, die weit weg von dieser Erkenntnis waren und den Versuch blockierten, die Weiche umzustellen. Und nein, er war nicht allein Opfer, auch ihn muss man als Täter sehen.

    Die schwer zu besiegende Hoffnung

    Neben der Frage „An welcher Stelle bist du Täter?“ liegt mir bei Geschichten wie der von Ulrich und seiner Schwester durch das Zuhören bei anderen Geschichten eine zweite Frage auf der Zunge: „Hoffst du trotz allem immer noch auf ein Zeichen von Anerkennung, Zuneigung, Liebe deiner Eltern?“

    Im Kapitel „Mama Mia! – Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe“ in Teil 1 beschrieb ich Saskia, die mit über 40 noch immer auf ein solches Zeichen hoffte, auch wenn für Außenstehende sehr klar ist: Diese Mutter wird sich niemals verändern.

    Genauso bei Robert im Kapitel „Fünf Stunden duschen machen nicht sensibel“ in Teil 2. Seine Eltern schlugen ihn als Kind, weil er nicht gehorchte. Als sich herausstellte, dass er durch eine Masernerkrankung schwerhörig geworden war und gar nicht gehorchen konnte, schoben ihn die Eltern zur Tante ab. Wenn er in sein Elternhaus zurückkehrte, fragte ihn die Mutter: „Was willst du hier?!“ Mit 8 entwickelte sich sein Waschzwang. 40 Jahre und viele Klinikaufenthalte später hielt ihm seine Mutter vor: „Was das die Krankenkasse kostet mit deiner Psychoscheiße … Guck dir Til Schweiger und Brad Pitt an! Die sind DEIN Jahrgang und haben was geleistet in ihrem Leben!“

    Und was machte das alles mit Robert? Hasst er diese Frau, die ihm das Leben versaut hat, welches sie ihm niemals schenken wollte? Nein. Er habe keine großen Wünsche, nur einen: Dass seine Mutter ihn ein einziges Mal in die Arme nimmt, drückt und sagt, dass sie ihn lieb hat.

    Die Frage an Ulrichs Schwester, ob sie nach wie vor auf ein Zeichen der Zuneigung hofft, war also keine, deren Antwort man vorher schon kennt. Ich ahnte aus der Erfahrung eben mit den Roberts und Saskias dieser Welt, in welche Richtung sie geht. Sie lautete: „Mit der Frage habe ich mich schon befasst, auch Dank der Bücher von Mirriam Prieß. Nein, auch dessen musste ich mir bewusst werden, das werde ich nie bekommen. Das nennt sich bedingungslose Kapitulation. Anzuerkennen, was nie sein wird. Es ist klar. Tut es weh? Ja, immer wieder mal, je nach Situation. Darf es weh tun? Ja, darf es und ich darf es fühlen und annehmen, damit es mich nicht mehr überrennt und niedergemacht. Ich bin jetzt groß ich darf mir das Ich bin gut so wie ich bin selber geben. Ist es schon gefestigt? Nein. Braucht Übung, aber ich komm ganz gut klar damit.“

    Ich konnte ihr nur wünschen, dass ihr immer genug Energie bleiben würde, um an der Weiche zu rütteln und die neuen Gleise zu verlegen. Und ich wünschte ihr Therapeuten, die ihr Wissen nicht nur aus dem Studium gewonnen hatten, sondern auch aus eigenem Erleben. Therapeuten, die nicht glauben, dass sie nur den Skills-Koffer öffnen bräuchten und wenn nichts davon hilft, ist der Patient halt Schuld. Neue Schuldgefühle brauchte Ulrichs Schwester am wenigsten.

    Vor dem ersten Jahrestag des Todes ihres Bruders hatte sie Respekt: Was würde der Tag mit ihr machen? Von Hanna und aus Geschichten anderer wusste ich, wie herausfordernd diese Jubiläen sein können. Ohne zwei mutmaßliche Narzissten als Eltern hätte sie sich einfach einen schönen oder stinknormalen Tag gemacht, genauso wie ihr Bruder. Doch Narzissten töten. Und sie machen krank. Wer sie in Büchern als von Mauerblümchen heilbare Bad Boys verklärt, richtet ebenfalls Schaden an.

    April 2022: Seit neun Monaten habe ich nichts mehr von Ullis Schwester gehört.

    Noch viel mehr Lesestoff zum Buch „Verrückt – ein Aufschrei“ findest Du hier:

    Mach, was Meggie macht.

    Mach, was Meggie macht.

    „Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    „Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.

    Woher kommt Hass?

    Woher kommt Hass?

    Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.

    Wie entsteht Sucht?

    Wie entsteht Sucht?

    Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.

    Verrückt – Das Interview

    Verrückt – Das Interview

    Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

    Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

    Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

  • Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Saskia und ihre Mutter

    Saskia ist 43. Als ihre Mum 70 wird, hilft Saskia bei den Vorbereitungen, kocht und backt wie verrückt, so wie sie immer wieder mit viel Energie versucht, ihrer Mutter ein dankbares, anerkennendes Wort zu entlocken. Und wie reagiert die Mutter? „Zieh dir aber zur Feier bitte etwas Ordentliches an, wo du nicht ganz so dick aussiehst.“

    In ihrer Ehe ist Saskia schon länger nicht glücklich – und ihr Mann offenbar genauso wenig. Als sie von seiner Affäre hört und dies ihrer Mutter erzählt, reagiert diese mit: „Du bist fett, hässlich, umsorgst deinen Mann nicht genug – deshalb die Affäre.“

    Während der Suche nach einer eigenen männlichen Ablenkung bekommt Saskia von ihrer Mum zu hören: „So wie du aussiehst, nimmt dich kein Mann. Du musst abnehmen.“

    Als Saskia 20 kg weniger wiegt, sagt ihre Mutter: „Du solltest aufhören, du siehst langsam faltig aus.“

    Wie beim Hasen und dem Igel jagt Saskia erfolglos einem Satz ihrer Mutter hinterher, welcher ihr sagt: „Du bist mir nicht egal.“ Also überwindet sie sich auch an jedem Muttertag, das Haus dieser Frau zu betreten. Die fehlende Anerkennung zeitlebens hat bei ihr die üblichen Folgen: fehlendes Selbstbewusstsein, Depressionen, händeringende Suche nach jemandem, der ihr Ego streichelt, Beziehungsprobleme, Affäre, Flucht vor Problemen, in ihrem Fall in Esoterik, neuerdings verstärkte Panikattacken, die sich über Tage erstrecken können.

    Während sie ihre Mutter als sehr grimmig und böse bezeichnet, sieht sie in ihrem Vater den lebenslustigen, fröhlichen Menschentyp, der auch sie selbst im Grunde ist. Vor Saskias Geburt hatte er allerdings eine Affäre – mit einer Saskia. Es fällt schwer zu glauben, dass seine später geborene Tochter per Zufall den gleichen Namen bekam. Jahre nach der Geburt erfuhr die Mutter von der Affäre ihres Mannes und auch vom Namen der einstigen Kontrahentin. Saskias Aktien stiegen ab dem Moment sicher nicht. Nur wird dies nicht der einzige Grund für das eisige Verhalten der Mutter gegenüber ihrer Tochter sein.

    Und so gibt auch in dieser Familie eine Generation der anderen ihre Probleme weiter. Saskias Mutter ist sicher nicht grundlos so frei von Einfühlungsvermögen und auch Saskias Kinder werden mit einem schweren Rucksack das immer wieder von Streit und menschlichem Chaos erfüllte Elternhaus verlassen.

    Keine Gewalt!

    Wenn man nach dem Bild geht, das über Medien und z.B. Opferschutzverbände veröffentlicht wird, dann steht fest: Gewalt ist weitgehend männlich. Ja, da gibt es die ein oder andere Frau, die auch mal in den Schlagzeilen auftaucht, weil sie ihr Kind misshandelt hat. Aber ansonsten sind wir darauf geeicht, dass Frauen und Kinder vor Männern geschützt werden müssen.

    Saskias Mutter wird in keiner Statistik auftauchen zum Thema Gewalt. Doch was sie über all die Jahrzehnte angerichtet hat bei ihrer Tochter, unterscheidet sich in den Auswirkungen nicht wirklich von Schlägen. Ob ich ein Kind regelmäßig ins Gesicht schlage oder ob ich ihm „einfach nur“ die Anerkennung für sein Dasein abspreche – das Ergebnis ist in beiden Fällen gleich: Das Selbstbewusstsein kann nie gesund wachsen und aus dem Opfer wird selbst ein Täter – Täter an anderen und/oder Täter an sich selbst.

    Bettina

    Bettina, heute 49, zog mit 18 aus, weil sie von den Eltern kontrolliert wurde. Vom alkoholkranken Vater wurde sie geschlagen. Um dem zu entkommen, wollte sie sich irgendeinen Mann suchen und ein Kind bekommen – „… und ich Dumme hab es so gemacht.“ Mit 20 wurde sie Mutter, mit 22 folgte das zweite Kind. Inzwischen lebt sie seit 30 Jahren mit dem Mann, ist verheiratet. Sie liebt ihn nicht, hat keinerlei Gefühle gegenüber ihm, sieht es als Zweckgemeinschaft. Er ist Alkoholiker und schlägt sie immer wieder, mindestens eine Platzwunde war die sichtbarste Folge. Bettina lebt also seit 30 Jahren in genau der Atmosphäre, der sie mit 18 entkommen wollte dank irgendeines Mannes.

    Als sie sich trennen wollte, waren ihre Eltern dagegen. Sie sagten, sie würden auf seiner Seite stehen, sollte die Trennung kommen. Sie hätte dann auch kein Recht mehr, die Kinder zu sehen, dafür würden sie sorgen, denn in ihrer Familie gäbe es keine Scheidung, so etwas macht man nicht. Als sie zu ihrer Mutter sagte: „Aber der schlägt mich!“, kam von der Mutter: „Na dein Vater hat mich auch geschlagen und ich habe das überlebt.“ Die Mutter ist inzwischen 85 und hat ihre Tochter nach wie vor voll im Griff. Arzttermine hat Bettina abzusagen, wenn sie die Mutter besuchen soll. Und die 49-Jährige folgt brav. Als Kind gab es immer wieder Liebesentzug, auch wenn sich Bettina völlig normal verhielt. Es konnte passieren, dass sie für eine komplette Woche ignoriert wurde. Was sie in ihrem Leben alles durchgemacht hat, sieht man ihr heute überhaupt nicht an. Sie könnte dir auf der Straße begegnen und du würdest nichts ahnen – so wie bei den meisten.

    Nein, das sind keine Einzelfälle!

    Bevor ich ab 2011 unfreiwillig anfing, solche Geschichten zu sammeln, hatte ich das gleiche Bild wie so viele: Frauen sind von Natur aus gute Mütter. Meine eigenen Eltern waren das beste Beispiel für die klare Rollenverteilung: Mein Vater bestimmte, was in der Familie passiert und hielt meine Mum und seine Kinder klein.

    Je mehr Geschichten ich sammelte, desto weiter weg rückte das Bild von der selbstverständlichen Mutterliebe. Nein, da ist kein Gen in Frauen, die sie davon abhalten, genauso zum Gift für ihre Kinder werden zu können wie Männer. Männliche Gewalt mag sichtbarer sein, weibliche Gewalt spielt sich oft subtil ab, siehe die Geschichten von Saskia und Bettina.

    Kinder kriegen – der Anfang vom Ende

    „Meine Mum hatte einfach die Pille abgesetzt und meinen Vater vor vollendete Tatsachen gestellt – kein schönes Gefühl, auf diese Weise gezeugt worden zu sein.“ Das sagte mir eine Frau Anfang 30 mit hängendem Kopf, die alles daran setzt, doch noch die Anerkennung ihrer Mutter zu bekommen – wie so viele. Wenn die Mutter krank ist, schneidet ihre Tochter ihr das Obst. Wenn die Tochter krank ist, juckt das ihre Mutter nicht wirklich.

    Eigene Kinder wollte die Tochter nicht, sie konnte schon das Geschrei ihres Bruders als Baby nicht ertragen. Ein Kind würde sie nehmen zwischen 5 Jahren und dem Beginn der Pubertät, da seien sie niedlich und pflegeleicht. Aber die Gesellschaft – und die Familie – würden halt von einer Frau erwarten, dass sie Kinder bekommt.

    Inzwischen hat sie ein Kind. Über den Vater sagte sie zwei Jahre zuvor, er sei dumm und habe keinen Ehrgeiz. Als Kumpel sei er okay, aber als Partner?! Niemals!

    Eine Frau, die damit hadert, auf wenig liebevolle Weise gezeugt worden zu sein, zeugt ein Kind auf wenig liebevolle Weise. Das Kind wächst nun bei einer Mutter auf, die sich selbst als bipolar und narzisstisch bezeichnet.

    Es ist beileibe nicht die einzige Geschichte in meiner Sammlung und in meinem Buch, in welcher ein Kind in die Welt gesetzt wurde aus purem Egoismus. Keine der Geschichten hat ein Happy End für das so gezeugte Kind. Eine Generation gibt seine „Special Effects“ an die nächste weiter und niemand lernt aus der eigenen Geschichte. Und wenn einer daraus lernt so wie mein Ex-Mitschüler Ulli, dann wird auch das von weiblichem Egoismus, Narzissmus oder anderweitigen Persönlichkeitsstörungen sabotiert, siehe der Artikel „Gendern & Co. – Teil 2: Von #MeToo und Krankenhäuser sind Hurenhäuser“.

    Können wir es uns leisten, darüber zu sprechen? Können wir Mütter von den Sockeln holen mit dem Ziel, dass Söhne UND Töchter in Zukunft mehr Chancen haben, psychisch gesund aufzuwachsen? Oder baden wir uns weiter im politisch vermeintlich Korrektsein und jagen dadurch unaufhörlich unsere Kinder aus dem Elternhaus in die Psychiatrie, wo niemand verhindern kann, dass sie zum Gift eigener Kinder werden?

    Das Ende für Mutter- und Vatertag

    Wir sind großartig darin, Zeichen zu setzen – wenig Aufwand, viel Aufmerksamkeit, geringer Nutzen. Lasst uns Mutter- und Vatertag abschaffen, also das pauschale Abfeiern von Müttern und Vätern. Wenn mindestens knapp 30% unserer Kinder psychisch krank das Elternhaus verlassen, dann verbietet sich diese pauschale Huldigung, denn jede psychische Erkrankung hat ihre Wiege im Kinderzimmer. Wer hinter die Gardinen schaut, wird sehen, dass in den anderen 70% nichts pauschal heil ist. Weder Saskia noch Bettina taucht in irgendeiner Statistik auf – aber ihre Geschichten sind Realität.

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

    Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

    Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

    Noch viel mehr Lesestoff zum Buch „Verrückt – ein Aufschrei“ findest Du hier:

    Mach, was Meggie macht.

    Mach, was Meggie macht.

    „Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    „Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.

    Woher kommt Hass?

    Woher kommt Hass?

    Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.

    Wie entsteht Sucht?

    Wie entsteht Sucht?

    Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.

    Verrückt – Das Interview

    Verrückt – Das Interview

    Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

  • Woher kommt Hass?

    Woher kommt Hass?

    Du A…! Du J…! Du N…! Du S…! Du Z…!

    Du B, C, D, E, F … X, Y, Z! Mobbing, Antisemitismus, Rassismus, Homophobie, Intoleranz, Ausländerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Beamten-/Schiedsrichterbeleidigung …

    Was machen wir? Bewegungen wie Blacklivesmatter oder MeToo ins Leben rufen, Kampagnen wie „Deine Stimme gegen Hass“ starten, Gesetze gegen Hass erlassen und verschärfen, soziale Netzwerke sollen sich selbst kontrollieren. Und: Appelle an die Vernunft.

    Was wir nicht machen? Zuhören. Aber: Wie reparierst du etwas, wenn du gar nicht weißt, was kaputt ist?

    Wie entsteht Hass?

    Ramona, Ü40, sagt: Die einst entführte Natascha Kampusch habe nie gelitten. Alles sei von der damals 10-Jährigen geplant gewesen. Die Geschichte von der Entführung sei von vorn bis hinten erfunden, da ist sich die Polizeibeamtin sicher.

    Unter einem Youtube-Video über Natascha Kampusch schrieb eine Frau, dass sie vor langer Zeit zu jenen gehörte, die das Entführungsopfer nicht leiden konnten.

    Wie wird man so? Woher kommt solcher Hass gegen jegliche Vernunft?

    Die Frau, die das Video kommentierte, schrieb, dass sie als Kind selbst psychisch misshandelt worden war. Und sie habe alle Frauen mit ähnlicher Geschichte gehasst, wenn diese scheinbar nicht an ihrem Trauma zerbrochen sind wie sie selbst. Inzwischen kommen keine negativen Gefühle mehr gegen andere Opfer auf.

    Die Mutter von Ramona wollte einen Jungen. Als man ihr nach der Geburt ein Mädchen in die Arme legen wollte, wehrte sie ab: „Gehört mir nicht, ich habe einen Jungen bekommen.“ In ihrem Ort bauten Ramonas Eltern am anderen Ende des Dorfes ein Haus. Ramonas Mutter ließ ihre Tochter stundenlang im Kinderwagen am bisherigen Wohnort stehen und schreien. Und Ramona wurde wie ein Junge erzogen. Bis heute hat die Mutter ihrer Tochter nicht vergeben, als Mädchen geboren worden zu sein.

    Heute ist Ramona stolz, die zweite Geliebte eines 25 Jahre älteren, verheirateten Mannes zu sein. Mit ihm hat sie großes Mitleid, genauso mit ihrem eigenen Vater. Beide würden unter ihren Ehefrauen leiden.

    Auch abseits davon sind in Ramonas Augen immer Frauen schuld, nie Männer. Also ist für sie auch ein von einem Mann entführtes Mädchen wie Natascha Kampusch niemals Opfer.

    Die Moral nicht nur dieser beiden Geschichten: Aus Opfern werden Täter.

    Wir sehen Hass. Wir sprechen von der Spaltung der Gesellschaft. Doch wir sehen nicht das Verbindende. Das Verbindende von Mobbing, Antisemitismus, Rassismus, Homophobie, Intoleranz, Ausländerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Beamten-/Schiedsrichterbeleidigung usw.:

    Ich werte MICH auf, indem ich andere abwerte.

    Einen pauschalen Anlass finde ich immer: Hautfarbe, Religion, Beruf, Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft, politische Orientierung, Fan von xy, … Und so werte ich sie ab: Ausländer, Deutsche, Juden, Muslime, Christen, Politiker, Journalisten, Impfärzte, Impfverweigerer, Schwule, Frauen, Gutmenschen, Schlechtmenschen, Millionäre, Hartz-IV-Empfänger, Schalke-Fans, Dortmund-Fans, Schwarze, Weiße, Flüchtlinge, Autofahrer, Fahrradfahrer, die Kids von Fridays for future, Kollegen, Ungläubige, Behinderte usw.

    Solange es einen riesigen Markt gibt, andere abzuwerten, um das eigene Ich aufzuwerten, wird sich nichts zum Besseren ändern können.

    Wer den Ort finden will, an welchem der Bedarf für das Abwerten anderer geboren wird, muss zwei Sätze verinnerlichen, die sich beim Zuhören realer Geschichten wie die der beiden Frauen ergeben: Aus Opfern werden Täter. Wer keine Täter will, muss dafür sorgen, dass es keine Opfer gibt.

    Kein Appell an die Vernunft, kein Aufschrei gegen Rassismus, kein Hashtag gegen Homophobie, keine Kampagne für Toleranz wird all das bekämpfen können, was wir als Hass sehen. So funktionieren wir nicht. Menschen haben nichts mit Vernunft zu tun.

    Der einzige Weg, diese Welt noch irgendwie zu retten: Kindern ermöglichen, ihr Elternhaus mit gesundem Selbstbewusstsein zu verlassen. Nur wer nicht Opfer seiner Eltern wird, kann auf das Abwerten anderer verzichten und wird nicht zum Täter an den eigenen Kindern.

    Was wir tun müssten: Zuhören. Denn so würden wir verstehen, dass alles, was uns zu Tätern an anderen oder an uns selbst macht, den gleichen Geburtsort hat. Keiner unserer Special Effects kommt aus heiterem Himmel, jeder ist der Donner nach dem Einschlag – und dieser findet im Kinderzimmer statt. Dort steht auch die Wiege von Hass. Nur wenn der riesige Markt für das Abwerten anderer auf Grund von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Glauben usw. trockengelegt wird, kann dieses Abwerten, was wir als Rassismus, Homophobie, Antisemitismus wahrnehmen, verschwinden.

    All die Gruppen, die einzeln gegen Rassismus, Intoleranz jeglicher Art, Hass usw. kämpfen, könnten sich zusammenschließen und EIN gemeinsames Ziel angehen. Doch dazu müssen wir aufhören, von der Spaltung zu reden und anfangen, das Verbindende zu sehen.

    Dieser Clip ist ein Auszug aus dem Video „Umwege zum Glück“:


    Den Blick hinter die Gardinen mit 80 weiteren Biografiesplittern gibt es in meinem Buch:

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

    Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

    Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

    Noch viel mehr Lesestoff zum Buch „Verrückt – ein Aufschrei“ findest Du hier:

    Mach, was Meggie macht.

    Mach, was Meggie macht.

    „Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    „Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.

    Woher kommt Hass?

    Woher kommt Hass?

    Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.

    Wie entsteht Sucht?

    Wie entsteht Sucht?

    Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.

    Verrückt – Das Interview

    Verrückt – Das Interview

    Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)

  • Wie entsteht Sucht?

    Wie entsteht Sucht?

    Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum seine Tochter nicht endlich genug isst: „Siehst du denn nicht, dass das nicht schön aussieht?!“

    Sie weiß nicht, was sie antworten soll.

    Ihr Vater verschwindet in seinem Arbeitszimmer, loggt sich in sein Onlinespiel ein und kauft für 12 Euro ein Outfit für seinen Helden.

    Ihre Mum sagt kein Wort mehr dazu, schnappt sich den Hund, geht raus und steckt sich erst einmal eine Zigarette an. Vorher zieht sie die Jacke um, die im Auto liegt. Der Geruch soll nicht zu merken sein, sonst gibt es wieder Diskussionen mit ihm.

    Sie könnten sich zu dritt an den Tisch setzen und in Ruhe darüber sprechen, was Sucht mit dir macht und wie sie entsteht:

    „Nicht alle Abhängigkeiten haben ihren Ursprung in Missbrauch oder Traumata, aber ich bin überzeugt, dass sie alle auf schmerzhafte Erfahrungen zurückgeführt werden können.“

    Gabor Maté

    Das sagt der kanadische Arzt Gabor Maté, der sich seit Jahrzehnten mit Sucht befasst und bezieht sich dabei auf die Kindheit.

    – Alkohol
    – Nikotin
    – Medikamente
    – andere Drogen
    – Esssucht
    – Magersucht
    – Sexsucht
    – Arbeitssucht
    – Spielsucht
    – Internetsucht
    – und viele andere stoffgebundene und nicht-stoffgebundene Süchte mehr.

    Annie, ihre Mum und ihr Vater könnten also am Tisch sitzen und auf Spurensuche gehen in die jeweilige Kindheit: Was waren die schmerzhaften Erfahrungen?

    In Annies Zimmer fehlt es an nichts. Gekauft wurde ihr alles. Nur eines vermisst sie: Anerkennung. Nicht für schulische Leistungen, sondern für ihr Dasein.

    Ihren Eltern ging es nicht anders. Ihre Mum sucht noch heute vergeblich diese Anerkennung bei ihrer eigenen Mutter. Annies Vater stürzt sich in Arbeit und Spiele.

    Wenn sie die schmerzhaften Erfahrungen finden würden, dann wären sie an der Stelle, an der ihr Selbstbewusstsein sein gesundes Wachsen eingestellt hat und sie begannen: die Umwege zum Glück.

    Doch genau das, was die drei verbindet, trennt und spaltet sie: Sucht.

    Verstehen des anderen? Fehlanzeige.

    Stattdessen: „Du musst nur mehr essen/aufhören zu rauchen/weniger zocken!“

    Allein in Deutschland könnten wir mehr als 10 Millionen Mal zuhören und lernen, dass die Wiege der Sucht in einem wenig angenehmen Kinderzimmer steht. Doch was machen wir? Nicht zuhören. Stattdessen: Kampagnen und Appelle an die Vernunft: „DU MUSST NUR!“

    Keine Macht den Drogen?

    Keine Macht haben Kampagnen!

    Dieser Clip ist ein Teil des Videos „Umwege zum Glück“:

    Quelle Zitat Gabor Maté zur Entstehung von Sucht: https://www.focus.de/familie/eltern/familie-heute/drogensucht-die-wahre-ursache-von-sucht-geht-auf-diese-6-erlebnisse-aus-der-kindheit-zurueck_id_9162061.html

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

    Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

    Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

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    Mach, was Meggie macht.

    Mach, was Meggie macht.

    „Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    Sei fleißig, dann stirbst du.

    „Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Herr Doktor tötet seine Kinder

    Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Das Märchen von der selbstverständlichen Mutterliebe

    Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.

    Woher kommt Hass?

    Woher kommt Hass?

    Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.

    Wie entsteht Sucht?

    Wie entsteht Sucht?

    Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.

    Verrückt – Das Interview

    Verrückt – Das Interview

    Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    #verrückt: Von Opfern und Tätern

    Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    Du brauchst ein offenes Ohr?

    Jeder Mensch hat zwei Ohren. Nur was wir damit anfangen, ist recht unterschiedlich. Umso erleichternder ist es in Krisenzeiten, wenn du jemanden findest, der zuhören kann. In den letzten Jahren lernte ich, dass dies wohl meine Superkraft ist. Diese biete ich Dir hier an.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

  • Ein Witz

    Ein Witz

    In mitten des Ozeans sinkt nach heftigen Stürmen ein Boot ganz langsam. Der Mann darin ist erschöpft, er bekommt den Kahn einfach nicht mehr leer, so sehr er sich bemüht.

    Ein zweites Boot nähert sich, der Mann schöpft Hoffnung – Rettung in Sicht nach langer Zeit.

    Der andere Mann kommt immer näher, grüßt kurz, schaut: „Ich bin Tischler. Das Holz sieht noch richtig gut aus.“

    Der Untergehende seufzt: „Und dennoch sinke ich.“

    Der Tischler schaut noch einmal: „Hmm. Also am Holz kann es nicht liegen.“ Dann greift er in seine Ruder und verschwindet langsam im Nebel.

    Drei Tage später taucht ein weiteres Boot auf. Wieder grüßt man sich freundlich: „Ich bin Händler. Du solltest dich nach einem größeren Kahn umsehen, so wie meiner, dann kann dir das nicht so schnell passieren. Dafür musst du allerdings hart arbeiten.“

    Der Untergehende seufzt wieder: „Im Moment sind meine Sorgen andere.“

    Der Händler zuckt mit den Schultern: „Jeder ist seines Glückes Schmied. Wer nicht will …“ Dann rudert er weiter.

    Wieder drei Tage später: ein drittes Boot. „Sei gegrüßt. Ich befasse mich mit dem Wetter. Du brauchst keine Angst haben vor neuen Unwettern, die nächsten Tage bleibt der Wind ruhig und die Sonne wird scheinen.“

    „Wenn ich dann noch lebe …“, raunt der im Kahn, dem das Wasser inzwischen bis zum Halse steht.

    „Ach, sag nicht so was. Aus schlimmen Zeiten lernen wir fürs Leben. Also: Lass den Kopf nicht hängen. Man sieht sich.“

    Vier Tage später begegnen sich Händler und Tischler an der gleichen Stelle und fischen Holzteile aus dem Meer: „Teilen wir uns den Gewinn?“, fragt der Händler.

    „Wie wäre es, ich würde alles Holz nehmen und du machst mir einen fairen Preis?“

    „Damit kann ich leben.“

    In 18 Stunden verstehst Du diese irre Welt.

    Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?

    Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!

    Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)

    Weitere Tagebuchseiten, in die Du gern reinschauen darfst:

    Ein Witz

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    In mitten des Ozeans sinkt nach heftigen Stürmen ein Boot ganz langsam. Der Mann darin ist erschöpft, er bekommt den Kahn einfach nicht mehr leer, so sehr er sich bemüht.Ein zweites Boot nähert sich, der Mann schöpft Hoffnung – Rettung in Sicht nach langer Zeit.Der andere Mann kommt immer näher, grüßt kurz, schaut: „Ich bin […]

    Der Stein vor mir.

    Der Stein vor mir.

    Vor mir liegt ein Stein. Kein kleiner Kiesel. Er lässt mich nicht vorwärts kommen – oder schützt er mich?

    Mein liebes Leben

    Mein liebes Leben

    Wir hatten es selten leicht miteinander, du und ich. Von Liebesbeziehung konnte kaum die Rede sein, mein liebes Leben.

    Hör auf mit dem Scheiß

    Hör auf mit dem Scheiß

    Wenn dein Ego nie wachsen konnte, ist es dir eben egal, wie ehrlich ein „Ich liebe dich“ ist. Hauptsache, du bekommst es zu hören.

    Von Worten und Narben

    Von Worten und Narben

    „Die langen Ärmel ihrer Bluse rutschten nach unten, als sie in ihrer Freude die Hände noch oben riss.
    Er sah ihre Narben am Handgelenk …“ – Wie geht es wohl weiter?

    Mein Beileid (für die Angehörigen)

    Mein Beileid (für die Angehörigen)

    „Wie konnte sie nur? Ja, ihr ging es dreckig, aber was sollten wir denn machen? Mein tiefempfundenes Beileid. Sag´ Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Jetzt muss ich erstmal los.“

    Lady in Red

    Lady in Red

    Im dunklen Wasser des kleinen Sees versinken Nachtgedanken, heißt es. Doch aus ihm können auch zauberhafte Wesen steigen.

    Ich bin tot.

    Ich bin tot.

    Ich hab´s geschafft: Ich bin tot. Endlich kann ich machen, was mir Freude am Leben gibt.

    #MeineStimmeGegenIgnoranz

    #MeineStimmegegenIgnoranz – leise Version
    MeineStimmegegenIgnoranz – laute Version

    1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.

    Die Familie – Erfahre mehr über uns.

    2020 (2) 2022 (2) 2024 (2) Aluthutträger (2) Aurelie Joie (10) Ballast (2) beileid (1) bipolare störung (3) bipolare Sörung (2) corona (3) Covidioten (2) Depression (4) einsamkeit (1) falsche Vorbilder (1) fightforlove (1) freiheit (2) geduld (1) gefühle (10) gendern (4) Hass (3) hilflosigkeit (3) Journalismus (5) Kindheit (5) liebe (2) macht der worte (1) manie (3) meinestimmegegenignoranz (19) missbrauch (2) mitgefühl (1) narzisst (5) Politiker (3) psychische Erkrankungen (11) selbstbewusstsein (1) selbstverletzung (2) selbstzweifel (2) suizidgedanken (1) tot (3) trauer (2) Vater & Sohn (2) verrückt (22) verschwörungsmythen (3) verständnis (4) vertrauen (1) wird nicht besser (3) zu spät (1)