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Schrödingers Sophie
Sophie lebt – und ist tot. Was besser ist für sie? Ich weiß es nicht.
Crowdfunding für das Buch „Verrückt – ein Aufschrei“
Veronika warnt vor dem Angriff der Roboter und frisst nebenbei ihrer Freundin den Kühlschrank leer. Katis Mann baut den Keller zur Wohnung um, weil die Chinesen kommen. Elon Musk kauft Twitter für unglaublich viel Geld und treibt es innerhalb von Tagen Richtung Pleite. Kanye West lässt mit rassistischen Sätzen einen fetten Deal mit einer Sportartikelfirma platzen. Und der eine Schauspieler aus „Braveheart“ hat doch mal Juden beleidigt, oder?! Wer nächster Bundeskanzler wird, ist für einen Ü70er, den keiner kennt, glasklar: er selbst.
Wenn Du das unverständliche Verhalten von Elon Musk, Kanye West, Mel Gibson und anderen im Rampenlicht Stehenden verstehen möchtest, brauchst Du den Alltagsblick in die Geschichten anderer Menschen mit der gleichen Erkrankung: bipolare Störung. Und diese Geschichten machen eines klar: Wer diese Welt noch irgendwie retten will, muss Kindern das Aufwachsen mit gesundem Selbstbewusstsein ermöglichen.
Lesedauer: ca. 10 Minuten
2009 erzählte mir beim Klassentreffen eine ehemalige Schulfreundin, Katharina, von ihrem Mann. Sie, damals Mitte 30, lebte mit ihm und ihren beiden Söhnen in einem großen Haus, an dem ihr Mann in jeder freien Minute weiter baute. Von „fertig“ waren viele Räume weit entfernt. Im Erdgeschoss hatten sie gemeinsam einen Laden eingerichtet, in welchem Katharina verkaufte. Ihr Mann hatte sich eine eigene Firma aufgebaut und gestaltete mit drei Angestellten Gärten und Höfe mit wirklich beeindruckenden Ergebnissen. Die Ideen gingen ihm nie aus, er arbeitete sehr sauber und hielt Fristen ein. Entsprechend gut lief die Firma.
Weniger gut lief das Miteinander zwischen ihm und Katharina seit ca. zwei Jahren. Seine Trinkerei ließ ihn Dinge machen, die auf keine Kuhhaut gingen – zumindest nahmen alle an, dass es mit seinem Alkoholkonsum zu tun hatte. Diesen reduzierte er auch nicht nach einem lebensbedrohlichen Treppensturz. Da gab es kein Umdenken wie: „Oh Gott, jetzt hätte ich fast meine Kinder zu Halbwaisen gemacht! Ich hab ein Problem!“ Nein, es ging einfach weiter.
Auf seinem Schreibtisch hatte Katharina einen Zettel gefunden: „Zukunft Laden?“ Dieser machte gute Gewinne, es konnte also nicht darum gehen, ihn wegen Verlusten aufzulösen. War der Zettel eine Reaktion auf Katharinas Verhalten? Eine Woche zuvor war eine Ex-Freundin ihres Mannes aufgetaucht. Dieser bat Kati, ihm Bilder aus der gemeinsamen Vergangenheit zu bringen – also aus seiner Zeit mit der Ex. Für Kati war es eine Kränkung, sie machte auf bockig, erwartete ein: „Tut mir leid.“ Doch er drehte den Spieß um: Er ging nach einem Dorffest nicht mit ihr nach Hause, blieb am zweiten Tag bis morgens und schlief stockbesoffen im Keller, saß an den folgenden Tagen bis in die Nacht im Büro.
Letztlich entschuldigte sich Katharina für ihr Verhalten, um den Frieden wiederherzustellen. Außerdem hatte sie Angst, er würde ihr den Laden wirklich kündigen. Und es fiel ihr schwer, sich einzugestehen, dass sie für diesen Mann trotz allem noch etwas empfand. Dabei verzweifelte sie immer wieder daran, dass er niemals Fehlverhalten bei sich sah.
Aber es gab auch Phasen, in denen er absolut ihre Nähe suchte, an ihrem Rockzipfel hing, kuscheln und schmusen wollte. Und einige Zeit später war sie wieder nur die Haushaltshilfe und das Kindermädchen. Um die beiden Söhne kümmerte er sich dann kaum.
Katharina glaubte, der Stress mit dem Hausbau sei der Grund für das viele Trinken und damit für sein ganzes Verhalten. Doch auch als 2010 die Arbeit weniger wurde, änderte sich nichts. Nach dem Klassentreffen blieben wir in Kontakt und ich erfuhr jede neue Episode. Ohne Absprache hatte er sich ein verdammt teures Quad gekauft, düste damit durch Wald und Flur. In einer Nacht rief er Kati halb 3 an: Sie solle ihn bitte abholen, er sei im Wald steckengeblieben. Danach brach die Verbindung ab. Nach langem Überlegen und innerlichem Zittern – die Nerven lagen blank – ließ sie ihre Söhne (damals 6 und 8) allein, fuhr durch die Gegend, planlos, denn er hatte keinerlei Angabe gemacht, wo genau er im Wald gestrandet war. Nach einer Stunde fuhr sie wieder nach Hause, ohne Spur von ihrem Mann. Den befreite ein Kumpel am frühen Morgen aus dem Matsch.
Für Katharina ging das alles immer mehr an die Substanz, die Nächte blieben unruhig. Teils hatte sie Todesangst, über die sie mit mir aber erst mit viel zeitlichem Abstand sprach. Noch immer hoffte sie darauf, er würde sich ändern, auch wenn er nach wie vor keinen kleinsten Selbstzweifel zeigte in seinen energiegeladenen Phasen. Ich hatte ihren Mann inzwischen „Käpt’n Crazy“ getauft, weil es einfach so unerklärlich war, was er da machte und es schwerfiel, ohne schwarzen Humor mit dieser ewig anhaltenden Situation umzugehen. Ich verglich ihn auch mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde, weil diese völlig gegensätzlichen Seiten blieben: Mal verletzte er Kati zutiefst, dann war sie sein großer, einziger Halt im Leben.
Neue Episoden folgten. So packte ihr Mann eines Nachts seine Tasche, fuhr aus seinem Ort im Umkreis von Leipzig Richtung Hannover, dann gen Schweiz zu einem Cousin, bis ihm einfiel, dass er in Hamburg eine Rassekatze bestellt hatte, wovon Kati nichts wusste.
An anderen Tagen kam er nachts lautstark nach Hause oder stand ebenso rücksichtslos gegenüber Frau und Kindern auf. Zwei Stunden Schlaf reichten ihm, denn: „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.“ Er schmiss mitten in der Nacht Bauschutt per Schaufel aus einem Fenster in einen Container.
Dann folgte wieder eine Phase, in der er ganz anders war. Wieder suchte er Katis Nähe, wurde ruhig, bereute all die Sachen, die er angestellt hatte, konnte nicht glauben, was er in den Monaten zuvor alles angestellt hatte und erinnerte sich an kaum etwas. Sein teures Quad konnte er nicht angucken, wollte es am liebsten loswerden.
Wenige Wochen später raste er wieder fröhlich durch die Gegend, rammte Ortseingangsschilder und kleine Bäume, fuhr mehrfach in einer Nacht los. Kati musste sich jedes Wort überlegen, denn ihr Mann ging beim kleinsten Hauch von Kritik an die Decke. So schaltete sie auf „polnisches Fernsehen“: nur Bild, kein Ton. Dennoch konnte die Lage jederzeit explodieren – in einfachsten Situationen. Katharina schrieb ihm eine Liste in Druckschrift und Großbuchstaben, welche Getränke er mitbringen sollte. Er brachte die falschen. Kleinlaut und zerknirscht murmelte Kati, sie werde die Flaschen halt am nächsten Tag umtauschen fahren gegen die, die sie wollte. Wer war in den Augen ihres Mannes schuld? Natürlich seine Frau.
Er vernachlässigte sein Geschäft, eine Angestellte suchte das Weite, der Alkohol floss wieder reichlich, betrunken setzte er sich immer wieder ans Steuer. Für das Dorffest richtete er den Hof vor dem Haus her, als käme die Königin von England, schnitt die Buchsbäume im perfekten Durchmesser. Noch immer hielten alle das Trinken für den Grund seines Verhaltens. Aber das Thema Entzug brauchte Kati gar nicht erst erwähnen.
Ihre Hausärztin schickte Kati zur Psychologin, machte ihr klar, dass Kinder und Kunden sie doch brauchen würden in einem stabilen Zustand. Ihr Mann habe wohl eine Sinnkrise, dazu der viele Alkohol. Eine wirkliche Diagnose konnte sie nicht geben, denn er ging zu keinem Arzt, ihm ging es doch bestens.
Wochen später, inzwischen 2011, brach er wieder zusammen, heulte. Kati und die Jungs nahmen ihn in die Arme, beteuerten, dass alles gut sei – im Nachhinein war Kati klar, dass dies wieder die falsche Reaktion war. Aber im Beisein der Kinder fühlte sie, so handeln zu müssen. Er redete einmal mehr wirres Zeug, sein Quad blieb wieder in der Garage, er schlief viel – bis zum nächsten Wechsel. Dann reichten die 2 Stunden Schlaf pro Nacht, das Quad war wieder interessant, im Keller sollten Vorräte angelegt werden, weil die Chinesen kommen. Er quatschte im Urlaub alle Menschen an, hatte absurde Theorien über das Weltgeschehen, kaufte sich eine verdammt teure Uhr, obwohl das Geschäft inzwischen bergab ging, wollte eine Fabrik bauen und diverse Dinge zum Patent anmelden, tanzte auf Tischen, kannte keinerlei Hemmungen, glaubte, bestimmte Lieder im Radio seien nur für ihn geschrieben worden.
Kati und ich konnten uns teils nur noch in Galgenhumor flüchten, denn das alles machte überhaupt keinen Sinn. Dieses sich immer wieder abwechselnde, grundverschiedene Verhalten war für uns unerklärlich: von Himmel hoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Alles andere als lustig war ihre Mail, in der sie schrieb: „Das, was mein Mann heute mit mir gemacht hat, könnte man als Vergewaltigung sehen.“
Ende 2011 schaute ich eher zufällig eine Sendung von Sandra Maischberger. Ein Mann erzählte, dass er sich teure Hotelzimmer genommen hatte, für die ihm eigentlich das Geld fehlte, auch sonst schmiss er mit der Kohle um sich – wie Katis Mann. Er fuhr im Bademantel durch Berlin und wollte den Regierenden Bürgermeister sprechen – völlig enthemmt wie Katis Mann. Er machte Dinge, die auf keine Kuhhaut passten – und irgendwann fiel er in ein riesiges Loch, um bald darauf wieder der Größte zu sein, der vor genialen Ideen sprühte – wie Katis Mann.
Am nächsten Morgen las ich bei Wikipedia den Artikel über die Diagnose des Mannes: bipolare Störung. Und alles passte! Katis Mann war ein lehrbuchhaftes Beispiel für diese Erkrankung. In den manischen Phasen: übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn, Sprühen vor Ideen, verringertes Schlafbedürfnis, Drang zum Reden, Ideenflucht, Zerstreutheit, Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten, sinnlose geschäftliche Investitionen, Vernachlässigung von eigentlich wichtigen Dingen wie Familie.
In den depressiven Phasen: deutlich vermindertes Interesse oder Freude, Traurigkeit und Leere, Erschöpfung, Gefühl der Wertlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Entscheidungsunfähigkeit.
Ich lernte auch: In den manischen Phasen gibt es keinerlei Gefühl, man sei krank. Krank sind alle anderen, die einen für krank halten. In den depressiven Phasen ist das anders. In diesen ging Katis Mann zum Arzt. Begleiterscheinungen der bipolaren Störung sind Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch sowie Panik- und Persönlichkeitsstörungen. Bei starken manischen Phasen kann auch Realitätsverlust und Wahn hinzukommen – siehe die anrückenden Chinesen und die nur für ihn geschriebenen Lieder.
Ich schickte Kati umgehend den Link, sie las selbst und leitete den Artikel weiter an die Eltern ihres Mannes, die seit Jahren genauso wenig die Welt verstanden. Für niemanden gab es nach dem Lesen einen Zweifel: Dieser Mann hatte die bipolare Störung. Der Ausdruck „Käpt’n Crazy“ war Geschichte, das „Kind“ hatte nun den korrekten Namen.
Bei der bipolaren Störung wechseln sich Manien – Himmel hoch jauchzend – und Depressionen – zu Tode betrübt – immer wieder ab. Dies kann innerhalb eines Tages passieren oder in Abständen von Monaten wie bei Katis Mann. Da es in den Manien kaum Krankheitseinsicht gibt, ist eine Behandlung schwierig. Mit Medikamenten muss in den Depressionen die Stimmung aufgehellt und in den Manien gedämpft werden – ein Balanceakt. Die bipolare Störung verschwindet auch nicht einfach wieder. Die Suizidrate Erkrankter ist hoch, wird mit 15-30% angegeben.
Durch das Lesen des Artikels und das weitere Befassen mit dem Thema kam Mitleid in mir auf für diesen Mann, der sich phasenweise wie das größte Arschloch verhielt: Er konnte nicht anders. So wenig, wie man sich aus einer Depression mit guten Worten schaufeln kann, so wenig kann man sich aus der Manie auf den Boden zurückholen.
Bei dieser Erkrankung ist die Signalübertragung mehrerer Neurotransmitter gestört, darunter Glutamat, Serotonin und Dopamin. Medikamente sollen dies korrigieren. Bei Depressionen will man erreichen, dass Serotonin nicht zu schnell abgebaut wird. Bei Manien schießt Dopamin in schwindelerregende Höhen.
Wann warum bei wem eine bipolare Störung auftreten kann, ist offen. Viele Betroffene erlebten vor der ersten spürbaren Episode intensiven Stress. Andere überstehen ähnlichen Stress aber ohne diese Erkrankung. Gene spielen eine Rolle. Der Vater von Katis Mann zeigte ebenfalls Züge, die an Manien und Depressionen erinnerten.
Und der Vater scheint auch abseits der Gene ein Schlüssel zum Ausbruch der Störung zu sein. Auf ihn ist Katis Mann nie gut zu sprechen gewesen – und man kann es verstehen. Immer wieder vermisste er die Anerkennung seines Vaters. Er konnte noch so erfolgreich sein Geschäft von Null aufgebaut haben und mit dem Haus vorankommen – vom Vater kam nichts Aufbauendes.
Seiner Schwester ging und geht es nicht anders. Sie übernahm nach und nach das Geschäft des Vaters – und der spricht immer wieder davon, wie schön ein männlicher Nachfolger aus der eigenen Familie wäre, auch im Beisein seiner Tochter. Frauen scheinen in seinen Augen so wenig wert zu sein wie der zweitgeborene Sohn für Katis Ex. Seine Enkelsöhne animiert er immer wieder, beruflich eines Tages in seine Fußstapfen zu treten. Die Söhne mussten auch einen Vornamen bekommen, der mit dem gleichen Buchstaben anfängt wie der des Vaters und des Opas. Als ich dies das erste Mal hörte, fühlte ich mich an uralte Fürstenhäuser mit ihren Erbfolgern erinnert.
Wie ich über die Jahre seit 2010 lernte durch die Geschichten vieler Menschen: Psychische Erkrankungen haben immer etwas zu tun mit nie durch Eltern gesund entwickeltes Selbstbewusstsein. Ich erlebte keinen einzigen, der/die trotz angenehmer Kindheit psychisch erkrankte. Das Muster war immer das Gleiche.
Katharina beschloss nach unserer Diagnose, vorübergehend auszuziehen mit ihren Kindern bis zum Ende der aktuellen Manie. Dies war im Januar 2012. Ein Auszug für immer kam für sie nicht in Frage, es wäre viel zu aufwändig, z.B. der Ausbau der von ihr bezahlten Einbauküche. Außerdem wollte sie immer eine Familie und war bereit, einiges auf sich zu nehmen, wo andere den Kopf schütteln. Sie kam im Haus einer Freundin unter.
Drei Tage nach dem Auszug fuhr sie morgens wieder in ihren Laden. Auf dem Hof standen die Angestellten ihres Mannes und wussten nicht, was sie machen sollten. Als Kati fragte, was los sei, sagten sie, dass der Chef mit einer Unbekannten oben in der Wohnung ist und ihnen keine Aufgaben erteilt hatte. Als ihr Mann am späteren Nachmittag die Unbekannte heimlich in sein Auto brachte und mit ihr wegfuhr, ging Kati hoch in die Wohnung. Das gemeinsame Bett bot eine Ansammlung von Körperflüssigkeiten. Nach dem ersten Schock und mit heftig aufsteigender Wut steuerte sie einige Chilischoten bei, die Teil eines Buffets waren, welches ihr Mann aufgebaut hatte. Außerdem trat sie gegen einen alten Globus, der in viele Einzelteile zerbrach. Was sie sich drei Tage zuvor nicht vorstellen konnte, war mit diesem Anblick nun kein Problem mehr: Der unumkehrbare Auszug war beschlossen.
Nur ist mit einem Maniker nicht zu spaßen. Er ging zur Polizei und zeigte Kati wegen Sachbeschädigung, Vorenthaltung seines älteren Sohnes – der jüngere war ihm einmal mehr egal – und Hausfriedensbruch an. Für ihre Aussage kam Kati zur gleichen Polizistin, welche die Anzeige aufgenommen hatte. Diese sagte, der Mann habe einen ziemlich „komischen“ Eindruck gemacht, wollte ihr seine Lebensgeschichte erzählen.
Den Auszug versuchte er zu verzögern, nagelte an den Treppenaufgang ein Brett, tauschte das Schloss aus. Kati war mit den Nerven inzwischen restlos am Boden. Ich erkundigte mich für sie bei einer Anwältin, was Katharina nun noch durfte und was nicht. Die Anwältin sagte: Solange sie polizeilich in dem Haus gemeldet ist, kann sie in die Wohnung, beide haben Hausrecht. Verwehrt er den Zugang, könnte sie den Schlüsseldienst rufen. Das Brett am Aufgang solle sie fotografieren, um Entfernung bitten. Würde er der Bitte nicht folgen, müsste sie die Polizei rufen. Umzugshelfer müssten an der Grundstückseinfahrt warten. Die Einbauküche könne sie nur bekommen, wenn er einverstanden ist. Will er sie behalten, muss er den Verkehrswert zahlen. In dem Fall solle sie sich erst polizeilich ummelden, wenn sie das Geld bekommen hat. Und sie solle alles exakt im Übergabeprotokoll festhalten.
Als der Auszug überstanden war, fing der Kampf um die Kinder an, bzw. von seiner Seite aus nur um den älteren Sohn. Anwälte, Schreiben, die er nicht verstand, usw. folgten. Außerdem zog eine Neue bei ihm ein, die sich als Osteuropäerin herausstellte. Nach 14 Tagen scheiterte ein erster Versuch, sie wieder nach Warschau zu bringen. Letztendlich brauchte er vier Anläufe, damit sie wieder in ihre Heimat zurückkehren konnte. Informationen bekam Kati von seiner Sekretärin, die sich aber zunächst für einige Tage krankschreiben ließ und zum Ende des Februars kündigte. Sie war immer wieder niedergemacht worden und hielt den Psychostress nicht mehr aus.
Seine Firma vernachlässigte er, baute sich dafür einen Waffenschrank ein. Als Jäger durfte er Waffen besitzen. Auch wenn ich bis dahin von Katharina schon viel Haarsträubendes gehört hatte, aber diese Nachricht haute mich noch einmal ordentlich um: Waffen in den Händen dieses Mannes?! Immerhin griff hier sein Vater nach einiger Zeit ein und durch, nahm die Waffen an sich, auch er ist Jäger.
Ansonsten spielten seine Eltern eine schwierige Rolle. Am Anfang schienen sie zu akzeptieren, dass ihr Sohn krank ist. Doch dies kippte nach einigen Wochen. Für sie war plötzlich ER gesund, nur Kati mache das Treiben wild. Dass er beim Fasching mehrere Leute angemacht hatte, dass er bei einer Feier Leuten aufs Maul hauen wollte, spielte keine Rolle. Gipfel war ein Gespräch zwischen seiner Mutter und Kati, bei dem die Mutter ihren armen Sohn bedauerte, der an einem Sonntag wieder wegen eines Notfalls arbeiten müsse. Da platzte Kati der Kragen: „Der musste nicht zur Reparatur, der hat seine Nutte nach Warschau schaffen müssen!!!“ Daraufhin wurde die Mutter still.
Wochen später kehrte endlich wieder etwas Ruhe ein – für Kati höchste Zeit. Der Magen rebellierte, das Gewicht ging nach unten, immer wieder spürte sie kurze Herzrhythmusstörungen. Ihr Mann zog wieder seine blauen Arbeitsklamotten an und trug nicht mehr schwarz, das Quad blieb als rotes Tuch stehen, wegen der Kinder machte er keine Probleme. Langsam ging es aus dieser kurzen Phase der Normalität hinein in die Depression. Jetzt konnte sein Kopf realisieren, was in den Wochen zuvor alles kaputtgegangen war, was er seinen Kindern, Kati und sich selbst angetan hatte. Durch die Depression verstärkten sich die Schuldgefühle, er suchte die Nähe zu seinen Eltern, tat alles, um Kati milde zu stimmen, kam ihr in allem entgegen, was die Trennung und Kinder anging.
Wäre dies ein Film oder Roman, würde man an dieser Stelle die Schlussszene oder das letzte Wort finden: „Am Ende wurde doch noch alles irgendwie gut.“ Der Film „Silver Linings“ mit Jennifer Lawrence und Bradley Cooper macht es genau so. Cooper spielt einen bipolaren Mann, der auf eine psychisch instabile Lawrence trifft. Die Fetzen fliegen, manche Dialoge wirken nah an der Realität – bedrückend nah, wenn man aus seinem Umfeld solche Szenen kennt.
So gut ich den Film bis eine Minute vor Schluss fand: Das Ende machte für mich alles kaputt. Alle sitzen am Sonntag wie in guten alten Zeiten bei seinen Eltern zusammen und der Bipolare scheint dank der Liebe geheilt zu sein. Ja, es ist „nur“ ein Film. Ja, die Menschen gehen nicht mehr ins Kino, wenn sie kein Happy End für ihren Eintritt bekommen. Aber ein solcher Film prägt! Er hat die gleiche Moral wie all die Bad-Boy-Bücher: Die Liebe heilt ALLES. Halte nur lange genug durch und der Mensch mit psychischer Störung wird geheilt.
Als Kati in der Zeit zwischen unserer Erkenntnis, ihr Mann sei bipolar, und ihrem endgültigen Auszug bei einer Psychologin alles geschildert hatte, sagte diese klipp und klar: „Sie müssen mit Ihren Kindern da raus, sonst werden Sie auch krank.“ Neben dem Anblick des befleckten Ehebettes war diese Aussage für Kati der Türöffner nach draußen. Ansonsten wäre sie wohl geblieben, sagt sie noch heute.
Da diese Geschichte nicht dem Hirn eines Autoren entsprungen ist und auch nicht so gebogen werden muss, damit sie sich gut verkauft, ging es ohne Happy End immer weiter. Katharina bekam von den Angestellten ihres Mannes hin und wieder die neuesten Geschichten erzählt. Einer nach dem anderen kündigte über die Jahre, teils mit Bauchschmerzen aus Angst davor, nichts Neues zu finden. Aber die Atmosphäre in der Firma, die Sprüche des Chefs wie „ICH mach hier eh alles, ihr macht nichts!“, die immer seltener werdenden Aufträge – am Ende war der Weggang ohne Alternative.
Die Berichte drehten sich immer wieder um Frauen, immer aus Osteuropa. Manchmal präsentierte er eine bei Familienfesten, wobei die Eltern bemüht waren, sie als neue Freundin vorzustellen. Die Angst vor einem Gesichtsverlust der ganzen Familie im kleinen Ort war noch immer groß. 4 Jahre lang arbeiteten die Eltern gegen Kati, verteidigten immer wieder das Verhalten ihres Sohnes. Dem würde einfach nur der Kontakt zu seinen Kindern fehlen.
Vom Jugendamt bekam Katharina nur begrenzt die Unterstützung, die man als Mitleidender erhoffte. Mit dem Thema bipolare Störung schien sich die Mitarbeiterin überhaupt nicht auszukennen. Katis Mann wirkte bei Terminen, zu denen sie gemeinsam erscheinen mussten und bei denen er in einer Manie war, als könne ihm niemand etwas anhaben. In den wenigen Minuten zeigte er sich normal, was für Kati schwer zu ertragen war: Wie sollte sie der Mitarbeiterin deutlich machen, wie psychisch erkrankt ihr Mann war?
In einem Forum zur bipolaren Störung wollte ich mich erkundigen, ob ein Mensch mit dieser Erkrankung wenigstens gegenüber seinen Kindern berechenbar und verantwortungsvoll handeln kann. Den Satz „Das ist mir zu riskant“ schien Katis Mann für sein eigenes Leben in den Manien nicht zu kennen. Was würde er den Kindern zumuten an Risiko?
Allerdings konnte ich nicht lange im Forum bleiben, der Wind war von Seiten der Erkrankten rau. Ich könne doch nicht wegen einer TV-Sendung einen Menschen als bipolar diagnostizieren?! Dass Katis Mann diese Diagnose inzwischen auch von ärztlicher Seite hatte, war egal. Die Mutter einer Bipolaren schrieb mir in einer persönlichen Nachricht, dass die Erkrankten in diesem Forum dazu neigen, die Angehörigen recht schnell vertreiben zu wollen. Sie und andere Angehörige empfahlen dringend einen betreuten Umgang und den Kampf ums alleinige Sorgerecht.
Sprachlos machten Erzählungen. Eine Mutter schrieb, dass ihre manische Tochter Stimmen hörte, die ihr sagten, sie solle sich aus dem Fenster stürzen und ihr Ehemann sei in einer Sekte. Solche Wahnvorstellungen gehören nicht direkt zur bipolaren Störung, sind mögliche Begleiterscheinungen.
Katharina ließ sich scheiden – noch einmal ein Nervenkrieg. 2015 verunglückte der Vater ihrer Kinder mit seinem Quad mitten in der Nacht bei einer weiteren Fahrt durch den Wald. In seinem Blut stellte man 4 Promille Alkohol fest. Er überlebte, schrammte aber um zwei Millimeter an einer Querschnittslähmung vorbei. Für die Ärzte war klar, dass er operiert werden musste. Doch nach drei Tagen Klinik entließ er sich mit einer Halskrause selbst, ließ sich nach Hause fahren und musste erst einmal ein Bier mit dem letzten verbliebenen Angestellten trinken. Ja, er war wieder in der Manie.
Die Operation folgte beim Abklingen der Phase und als ihm Angst wurde, er den Kopf immer weniger schmerzfrei bewegen konnte und die Halskrause stank. In dieser Phase erwachte bei Kati das Helfersyndrom. Sie hatte noch immer Reste von Gedanken, sie selbst habe ihren Ex durch ihr Verhalten oder Druck mit dem Hausbau krank gemacht. So unterstützte sie ihn bei der Rückkehr in die Klinik, die OP lief gut. Nach dem Treppensturz hatte er zum zweiten Mal das berühmte Glück der Betrunkenen.
Die Frau, die eben noch vom Helfersyndrom gepackt worden war, bedauerte in der nächsten Manie ihres Ex-Mannes, dass er überlebt hatte. Das mag hart und kalt klingen, aber ich hatte kein Problem, diesen Gedanken nach all dem zu verstehen. Auch wenn sie inzwischen räumlichen Abstand zu ihm hatte, war er immer wieder durch die Kinder, Anrufe und Nachrichten präsent. Letztere wurden oft unter Alkohol geschrieben, anders konnte sich Kati Form und Inhalt nicht erklären: „Geld bekommst du später, Finanzamd macht mir Probleme. Würde gern auch meine Kinder zu Gesicht begrüßen würden. Läge mir sehr am Hertzen! Sind sicher auch meine Kinder wo der Vater wohl felt. Gebe mir die Kinder. Oder nur eins und ich gebe ihnen was für die Zukunft. Nein, so wollte ich das nicht sagen. Ich will sie nur ab und zu sehen. Gerantwortlich bist du ja. Es sind hoffe meine leiblichen Kinder.“
Er wollte endlos und immer wieder wirr diskutieren. Und wenn ein Maniker sagt, dass das Gras rot ist, dann ist es rot und man kann sich jedes Wort sparen, man wird ihn nicht umstimmen können.
Ja, mit dem Tod hätten die Kinder ihren Vater verloren – bzw. ihre drei Väter: den manischen, den depressiven und den in den Phasenübergängen ausgeglichenen. Wie schwer muss das für Kinder zu verstehen sein, was Erwachsene kaum ertragen können? Gerade der Manische zeigte sich immer wieder als schwer zu verdauen. Als sein älterer Sohn 16 wurde, rief der Vater ihn an und sagte, dass er wohl noch einen weiteren Sohn zeugen müsse, der eines Tages das Erbe antritt, denn seine bisherigen Kinder würden sich ja nicht um ihren Vater kümmern. Nach dem Gespräch heulte der Sohn. So sehr er über die Jahre gelernt hatte, mit der Krankheit seines Vaters irgendwie klarzukommen, so sehr verletzten ihn diese Worte. Und auch als Erwachsener willst du in diesem Moment dem Typen an den Kragen, ihn wachrütteln, ihn ohrfeigen, damit er endlich aufwacht – obwohl du dir immer wieder gesagt hast: Er verhält sich nur so durch die Manie und diese lässt sich nicht mit Vernunft steuern, genauso wenig wie die Depression.
Und wenn sich das Adrenalin gelegt hat und das rationalere Denken wieder eine Chance hat, dann sagst du dir einmal mehr: Diese Krankheit willst du nicht geschenkt haben. In einer einzigen manischen Phase, gegen die du nichts machen kannst, wenn du nicht mit Tabletten eingreifst, kannst du dir so viel kaputt machen. Katis Ex hatte sich seine Firma, seinen guten Ruf über Jahre aufgebaut – und inzwischen gibt es sie nicht mehr. Seine Mutter brach in einer manischen Phase ihres Sohnes psychisch ein und verbrachte mehrere Wochen in der Psychiatrie. Jedes Auf und Ab ist gerade für die Mutter belastend. Die Eltern haben ihre Verdrängung ablegen können und sind sich auch nach außen hin bewusst, dass ihr Sohn eine psychische Erkrankung hat. Sie legen Katharina keine Steine mehr in den Weg, unterstützen die Söhne.
Diese versucht Kati möglichst von Stress fernzuhalten. Die Angst, dass auch einer von ihnen die genetische Veranlagung zur bipolaren Störung in sich trägt, ist immer da. Aber wie kann man seine Kinder heute vor Stress, dem möglichen Auslöser, wirklich bewahren? Wer nimmt Rücksicht in dieser Ausbildungs- und Arbeitswelt?
Der jüngere Sohn musste sich durch die ersten Schuljahre kämpfen mit Nachhilfe und Ergotherapie, bekam dann sehr gut die Kurve. Doch die anfänglichen Misserfolge in der Schule, aber vor allem die Vernachlässigung durch seinen Vater machten es schwer bis unmöglich, Selbstbewusstsein aufzubauen – ein Muster, das sich durch alle Geschichten in meinem Buch zieht und deshalb sehr viele Menschen verbindet. Er zeigt deutliche depressive Züge, wiegt mit 15 Jahren 40 kg bei 1,71 m Körpergröße, weshalb ein stationärer Klinikaufenthalt angeraten wird. Wenn es um seinen Vater geht, kommen ihm die Tränen. Er sucht weiterhin die Anerkennung seines Vaters – die dieser selbst bei seinem Vater seit Kindertagen suchte und wohl nicht zuletzt deshalb krank wurde. Die Kette setzt sich weiter fort.
Für die Psyche beider Kinder – es ist schwer zu glauben, dass am großen Sohn alles abgeprallt sein soll – wäre es gut, wenn sie tief im Inneren akzeptieren könnten, dass ihr Vater durch seine Erkrankung und dessen eigene Kindheit die Anerkennung nicht leisten kann, auf die sie hoffen. Für ihre Psyche wäre es wichtig, zu verinnerlichen, dass es nicht an ihnen selbst liegt, dass ihr Vater seine Vaterrolle nicht ausfüllt. Sie könnten die klügsten, schönsten, tollsten, begabtesten Menschen der Welt sein – es würde nichts bringen. Selbst wenn sie berühmte Stars werden würden mit Millionen Fans und Milliarden auf dem Konto oder wenn sie eine riesige, erfolgreiche Firma aufbauen würden oder wenn sie jegliche Krankheit der Welt heilen könnten – es würde sich nichts verändern. Ihr Vater und seine Schwester hatten bei ihrem Vater ja ebenfalls keine Chance auf Anerkennung, so hart beide auch gearbeitet haben. Aber wie ich über die Jahre lernte, in denen ich die Geschichte von Kati und ihren Kinder verfolgte, können selbst 40- und 50-Jährige die Hoffnung auf Anerkennung von Vater und/oder Mutter nicht einfach mit Hilfe der Vernunft und Wissen über Erkrankungen aus ihrem Kopf löschen.
Vater und Sohn könnten sich stundenlang darüber unterhalten, was es mit dir macht, wenn du vergeblich auf der Suche nach Anerkennung deines Vaters bist. Vater und Sohn verbindet die Kindheit – und dieses Verbindende sorgt dafür, dass es die beiden trennt. Und sollten die Söhne eines Tages Väter werden, wird alles von vorn beginnen, wenn wir nicht endlich anfangen, zuzuhören und uns mit der Entstehung psychischer Erkrankungen zu befassen.
Ich habe keine Ahnung, wie lange es ohne mein zufälliges Stolpern über den Bipolaren in der Sandra-Maischberger-Sendung noch gedauert hätte, bis das Rätsel um das Verhalten von Katis Mann gelöst worden wäre. Wir alle waren völlig Ahnungslose und diese Ahnungslosigkeit hätte Katharina möglicherweise mit schweren gesundheitlichen Folgen bezahlen müssen. So hatte es die Psychologin ihr eindringlich erklärt, bei der sie nach unserer Diagnose war: „Sie müssen da raus, sonst werden Sie auch krank! Und die Kinder mit Ihnen.“
Dass die Warnung der Psychologin keine bloße Panikmache war, erfuhr ich 2015. Ich begegnete auf der Suche nach dem passenden Deckel Manuela, Anfang 30, die eine Krebserkrankung inklusive Verlust eines Organs hinter sich hatte – und eine dreijährige Beziehung mit einem Bipolaren. Während die manischen und depressiven Phasen bei Katharinas Ex im Abstand mehrerer Monate wechselten, erlebte Manuela bei ihrem Freund beide Phasen täglich: Für einige Stunden war er im tiefsten Loch, bezeichnete seine Freundin als einzigen Halt in seinem Leben, suchte ihre Nähe. Und noch am gleichen Tag wollte er mit der Nachbarin vögeln, stieß seiner Partnerin in jeder erdenklichen Weise vor den Kopf, strotzte vor Energie und war der Größte. Tag für Tag, drei Jahre lang Leben mit zwei extrem unterschiedlichen Persönlichkeiten. Für den Kopf ein unglaublicher Stress.
„Warum ist sie nicht einfach gegangen, bevor sie Krebs bekam?!“, ist die logische Frage. Diese kann man Männern und Frauen in zehntausenden Beziehungen stellen, dazu braucht es keine bipolare Störung. Und man kann die Frage auch Alleinstehenden oder Menschen in glücklichen Beziehungen stellen, die längst zum Arzt hätten gehen müssen, weil sie durch Stress auf Arbeit am Stock gehen oder irgendwo etwas wuchert, was da nicht hingehört. Menschen handeln oft erst dann, wenn der Leidensdruck im tiefroten Bereich ist, da schließe ich mich problemlos mit ein.
Bei Beziehungen mit psychisch Erkrankten spricht man immer wieder von Co-Abhängigkeit, wobei der Begriff umstritten ist, weil er den Partnern der Erkrankten unterschwellig eine Mitschuld geben könnte. Auch Kati war gesagt worden, dass eine Co-Abhängigkeit drohe, wenn sie bleiben würde. Co-Abhängige sagen nicht: „Jetzt reichts, ich schleif dich zum Arzt, egal, wer davon etwas mitbekommt!“, sondern sie verlängern die Krankheits- und damit die Leidensdauer, indem sie die Erkrankung vertuschen wollen, dem Erkrankten selbst laienhaft helfen möchten, „Alles ist gut“ sagen. Vielleicht kann man es so zusammenfassen: Co-Abhängige tun all das, worüber sie beim besten Kumpel oder der liebsten Freundin die Hände über den Kopf zusammenschlagen würden mit den Worten: „Mensch, das kannst du doch nicht machen!!!“
Manuela hatte vor dem bipolaren Freund nur eine Beziehung. Ihr Selbstbewusstsein hatte sich unter ihren extrem dominanten Eltern nie entwickeln können, früh kämpfte sie mit Depressionen und starkem Übergewicht. Diskutieren braucht man mit ihr nicht. Sie weiß, wie der Hase läuft und lässt sich davon nicht abbringen, oft weicht sie vom eigentlichen Thema ab, fühlt sich schnell angegriffen. Damit ist sie in einer sehr großen Gemeinschaft von Menschen, die ähnlich ticken. Und auch dass Menschen mit geringem Selbstbewusstsein in Beziehungen landen, die überhaupt nicht das sind, was sie eigentlich suchen, traf auf sie zu. Wenn man von den Eltern gemobbt wurde, greift man nach jedem Strohhalm, der Zuneigung und Anerkennung verspricht. Hauptsache nicht mehr allein sein.
2016 fand sich die Tochter einer Verwandten in einer Realität wieder, die filmreif war. Nadine, 22, absolvierte ihre Ausbildung zur Altenpflegerin und hatte sich mit Veronika, 21, angefreundet. Deren Mutter hatte Veronika ein Jahr zuvor aus der elterlichen Wohnung geworfen, was unglaublich hart und nicht nachvollziehbar klang.
Beide Frauen waren gerade in der Prüfungszeit im Praktikum. Nadine wollte von ihrer Freundin per Telefon wissen, wie es gelaufen war, doch sie erreichte Veronika nicht. Diese reagierte weder auf Anrufe noch Nachrichten, auch die Wohnung machte sie nicht auf.
Als es doch zum Telefongespräch kam, redete Veronika „einen Haufen Mist“. Zum vereinbarten Treffen ein paar Tage später erschien sie nicht. Am späten Abend tauchte sie in Nadines Wohnung auf und erzählte, dass alle einen Chip unter der Haut haben und verfolgt werden. Sie hielt ihr das Handy vor die Nase und sagte immer wieder: „Das Video musst du dir angucken! Du musst genau hingucken!“ Wenig später sprach Veronika davon, dass Roboter angreifen würden und sie wolle noch auf eine Party.
In einer Zigarettenpause, in welcher Veronika auf den Balkon verschwand, machte die sehr schüchterne Nadine etwas, was sie ein, zwei Jahre zuvor nie gemacht hätte: Sie rief die 112. Doch Hilfe bekam sie keine: Erst, wenn diese Frau zur Bedrohung für sich oder andere werde, könne man etwas unternehmen. Veronika kam zurück, wollte bei Nadine bleiben, aß ihr den Kühlschrank leer, ging gegen 1 Uhr. Nadine war hundemüde, aber auch völlig durch den Wind.
Am nächsten Tag rief sie den Bruder von Veronika an, die Nummer hatte sie in der Nacht heimlich dem Handy ihrer Freundin entnommen. Wenig später meldete sich auch Veronikas Mutter, also jene Frau, die ihre Tochter ein Jahr zuvor vor die Tür gesetzt hatte. Sie erzählte, dass die bipolare Störung in der Familie liegt und bat Nadine, Veronika so zu lenken, dass sie in die Klinik geht. Sie sei die einzige, auf die ihre Tochter hört. Für eine 22-Jährige ist das nicht gerade wenig Last und das alles geschah in der Prüfungszeit.
Drei Tage später meldete sich Veronika bei Nadine: „Ich bin gerade an einer Haltestelle, aber verrate nicht an welcher.“ Sie erzählte auch etwas von einem Flüchtlingsheim. Nadine rief wieder den Bruder an, der eine Ahnung hatte, wo sich seine Schwester befand. Also fuhr Nadine durch die Stadt, zeigte am Eingang des Heims ein Foto ihrer Freundin und fragte, ob man sie hier gesehen habe. „Ja, die ist oben. Wir hätten sie sowieso gleich rausgeschmissen, die belegt die Kinder.“
Nadine ging hinein und rief wieder die 112 an. Dieses Mal hatte sie eine Frau mit mehr Verständnis für die Situation an der Leitung, sie schickte einen Krankenwagen vorbei. Veronika ließ sich überraschenderweise mitnehmen, zeigte sich sogar fast dankbar gegenüber ihrer Freundin.
Diese informierte die Mutter umgehend, die auf dem Heimweg aus dem Urlaub war. Auch sie dankte, traf sich mit Nadine und erzählte, warum sie ihre Tochter aus der Wohnung geworfen hatte: Veronika war gegenüber dem neuen Freund der Mutter immer wieder giftig geworden und hatte heftige Wutausbrüche. Zusammen holten sie zwei Wellensittiche aus Veronikas Wohnung, die recht eklig aussah, denn zwei Kaninchen liefen frei herum. In der Klinik redete die Mutter mit Engelszungen auf die Ärzte ein, sie mögen ihre Tochter wenigstens 3, 4 Tage behalten, denn die Entlassung lag bereits in der Luft.
Die Lage wurde ruhiger, als diese manische Phase abklang. In der anschließenden Depression wurde Veronika klar, dass sie durch die verpasste Prüfung die Ausbildung geschrotet hatte. Für eine Fortsetzung fehlte ihr durch die Depression die Kraft.
Nadine blieb der Halt für Veronika, auch in den nächsten Manien und sie brauchte dazu viel Energie. 2017 bekam sie im Urlaub einen Anruf von Veronika und verstand nichts: „Da da du die da du …“ Nach der Rückkehr besuchte sie ihre Freundin in der Psychiatrie und war kurz vor dem Ausrasten: Veronika sah bescheiden aus, aß kaum etwas und schlief genauso wenig, weil sie in der Zeit vor der Einweisung in die Klinik ihre Tabletten nicht mehr genommen hatte, dadurch tief in die Manie gerauscht war und – Manie typisch – lieber Party machte. Der Verfolgungswahn war zurück, an den Wänden hingen sehr seltsame Bilder.
Das alles setzte sich bis heute fort.
Ebenfalls 2017 begegnete ich einer Frau um die 30, die sich selbst als bipolar bezeichnete. Eine offizielle Diagnose gab es nie, von Psychologen hielt sie Null. Wir lernten uns wohl in einem Phasenwechsel kennen, sie verhielt sich am Anfang ausgeglichen. Ich erlebte mit ihr eine wunderbare Zeit mit Momenten, die man aus Liebesromanen kennt und bei denen man nicht glaubt, dass es so etwas in der Realität geben könnte. Eine Tante von ihr hatte die Diagnose bipolare Störung, sie starb nach einem Beziehungsdrama, welches in Regionalzeitungen erwähnt wurde.
Der Sohn dieser Tante, mit dem ich für ein paar Stunden ins Gespräch gekommen war, sah in der bipolaren Störung keine Erkrankung. Wenn jemand das Gras als rot bezeichnet, dann sei das doch einfach das Recht jedes Menschen, die Welt so zu sehen, wie er sie wahrnimmt. Sich selbst bezeichnete der 35-Jährige als Priester, der als solcher immer wieder wiedergeboren werde. Dies hatte eine Sitzung bei einer Hellseherin ergeben. Schicksalsschlägen könne man mit einer positiven inneren Einstellung begegnen, so seine Sichtweise. Opfer werden auch zu Opfern, weil sie es zulassen, Opfer zu werden.
In dem Moment, als er das sagte, fiel mir eine Freundin ein, die mit 10 missbraucht worden war und ich kochte, nachdem ich bereits am bisherigen Gesprächsverlauf verzweifelt war. Immerhin schob er nach, dass diese Aussage sehr verkürzt ist. Beruflich macht er etwas sehr Bodenständiges, Kreatives, ist damit erfolgreich selbstständig, hat sich einen Namen erarbeitet. Beim Abschied sagte er lächelnd zu mir: „Ist nicht einfach, mit einem Narzissten zu reden, was?“
Als Narzissten bezeichnete die vorübergehende Frau an meiner Seite auch sich selbst und ihren Ex vor mir. Dessen Vater war ebenfalls bipolar und in Behandlung. Durch eine Manie und der damit verbundenen völligen Veränderung ihres Wesens endete unsere Beziehung.
Was mir auf ihren Fotos auffiel, die sie in der Zeit nach der Trennung postete: Sie zeigte sich stark geschminkt. Während unserer Beziehung legte sie darauf kaum Wert, nur etwas Mascara und das wars. Ich schaute mir ältere Bilder an und auch hier zeigte sie sich sehr unterschiedlich stark geschminkt. Ihr Gesicht wirkte auf den Fotos nach der Trennung wie eine Maske.
Zwei Jahre später hatte ich ein Déjà-vu: Mit einer Bekannten kam ich auf das Thema bipolare Störung zu sprechen, denn auch ihre Tante schwankt seit über 20 Jahren zwischen Höhen und Tiefen. Die Diagnose bekam die Tante damals per Zufall. Seitdem geht sie immer in die Klinik, wenn sich die manischen Zeichen zeigen. Die Manien kündigen sich bei ihr immer mit einer tiefen Depression an und folgen immer auf Phasen mit purem Stress. Vor Beginn der Manie bei meiner Ex hatte sie auf Arbeit eine deutliche Stressphase.
Als ich mit der Bekannten dieses Gespräch führte, war ihre Tante gerade wieder in der Klinik. Auslöser war eine Wohnungskündigung wegen Eigenbedarfs. Auch hatte sie das Antidepressiva zu lange genommen. Der „Stimmungsaufheller“, der einem aus der Depression helfen soll, wirkte als Zug, der direkt in die Manie rauschte.
Seit 7 Jahren lebte sie in einer Beziehung, was aus meiner Sicht wirklich nur funktionieren kann, wenn der Erkrankte auch in den Manien zum Arzt geht. In der Klinik schimpfte sie über ihren Freund, weil er all ihre Bestellungen storniert hatte. Dabei hatte sie bereits in dieser manischen Phase ihr komplettes Erspartes, rund 4000 Euro, ausgegeben. Dass er ihr mit den Stornierungen einen Gefallen tat, sah sie erst nach dem Ende der Manie so. Zunächst war sie sauer auf ihn. Schließlich hätten sie getrennte Kassen und er bevormunde sie beim Thema Geld, auch in den Manie-freien Zeiten. Immer wieder schaue er darauf, was sie mit ihrem Geld macht.
Der Freund kannte sich mit der bipolaren Störung aus, denn auch sein Vater war davon betroffen und starb recht früh. Dennoch schien er die Krankheit nicht zu verstehen, was bei einer Therapiesitzung klarer wurde: „Ich verstehe nicht, wieso sie weiter Geld ausgibt, obwohl ich doch STOPP sage?!“
Darauf erwiderte die Therapeutin: „Wenn es so einfach wäre, dann wäre diese Station leer.“
Wieder sind wir beim: „Du musst nur …“ Damit lässt sich weder ein Maniker aus der Manie noch ein Depressiver aus der Depression bringen. Hormonstörungen kommen mit Worten und Zusammenreißen nicht wieder ins Lot.
Nun aber zum Déjà-vu, ich möchte Dich nicht weiter auf die Folter spannen: Auch diese Frau in der Klinik legte in den manischen Phasen viel mehr Schminke auf Lippen, Wangen und Augen als in den Übergangsphasen und den Depressionen. Für mich war dies ein weiteres Indiz dafür, dass meine Beziehung durch eine Manie zu Ende gegangen war, wodurch ich endgültig Frieden damit schließen konnte. Die Sätze, die zum Ende führten, hätte meine Freundin ohne Manie nie so gesagt, dazu hatte sie sich zuvor viel zu wohlgefühlt. Ich brauchte ihr nicht vergeben oder ihr verzeihen, denn sie hatte nichts falsch gemacht – außer vielleicht, dass sie längst etwas gegen ihre Erkrankung hätte tun können. Doch wie gesagt: In den Manien gibt es kein Krankheitsgefühl. Leider gibt sie inzwischen den Staffelstab an die nächste Generation weiter, obwohl sie keine Kinder wollte – aus Opfern werden Täter.
Ebenfalls 2017 ging es um den Verkauf eines kleinen Stücks Ackerlandes, an dem eine inzwischen 15-köpfige Erbengemeinschaft hing, einschließlich meiner Mum. Da alle Erben ausfindig gemacht werden mussten einschließlich der Erblinien, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichten, lernten wir kurzzeitig Verwandte kennen, von denen wir überhaupt keine Ahnung hatten, auch im eigenen Ort. Mit am Tisch saß eine Frau Mitte 60, die sich vor Jahren von ihrem Mann getrennt hatte. Auch dieser hatte es in regionale Zeitungen geschafft, als er seinen Vater als Geisel genommen und sich mehrere Stunden im Haus verschanzt hatte. Sich selbst bezeichnete er in den Verhandlungen mit der Polizei als Reichsbürger. Die offizielle Diagnose: bipolare Störung.
2019 lernte meine Mum in der Psychiatrie einen Mann Ü70 kennen. Er saß meist still und einsam da und war genau wie Mum in einer depressiven Phase. Allerdings hieß es, dass er die bipolare Störung hat. Nach der Zeit in der Klinik blieb Mum mit ihm in Kontakt, sie besuchte ihn fast jede Woche, telefonierte oft mit ihm. Die Gespräche waren meist einseitig und kurz, da er kaum sprach. Ein Pflegedienst kümmerte sich um diverse Belange wie Bankgeschäfte und nahm ihm viel ab, wozu er nicht die Energie zu haben schien. „Ein Häufchen Elend“ beschrieb ihn am besten. Zunehmend machte er sich Sorgen um sein Herz, glaubte immer wieder, dass da etwas nicht stimmt, konnte aber nichts Genaueres beschreiben. Seine Gedanken schienen sich nur um Erkrankungen zu drehen, es wirkte teils hypochondrisch.
Mit der Zeit zweifelten wir daran, dass die Diagnose Bipolare Störung stimmte, denn inzwischen war er über 2 Jahre in der „Häufchen Elend“-Verfassung und überhaupt nichts deutete darauf hin, dass er in eine Manie kippen könnte. Regelmäßig ging er zum Psychiater, der ihm seine Pillen verschrieb, aber scheinbar nichts dafür tat, dass der Mann mal wieder so etwas wie Lebensfreude finden konnte. Man schien ihn in der Depression halten zu wollen nach dem Motto „Solange er nicht in die Manie kommt, baut er keinen Mist“, was schwer anzusehen war im Angesicht des Häufchens Elend.
Anfang 2022 wurden die Telefongespräche zwischen Mum und ihrem „Mitbringsel“ deutlich länger. Sie musste ihm nicht mehr jedes Wort aus der Nase ziehen, sondern konnte sich mehr und mehr aufs Zuhören verlagern. Nur was sie zu hören bekam, wurde mit der Zeit immer schräger. Er selbst sagte: „Ich bin aus dem „Koma“ erwacht!“ Dass er sich in diesem befunden hatte, sei die Schuld der Ärzte gewesen. Den Pflegedienst, der sich jahrelang um ihn gekümmert hatte, verklagte er wegen Unterschlagung von Geldern.
Mitte 2022 plante er, Bundeskanzler werden zu wollen. Nach dem Wahlsieg mit einer Partei, die er noch gründen müsse, wollte er mit Russlands Präsidenten Putin über ein Ende des Ukraine-Krieges verhandeln. Er war erbost, dass man ihn in der depressiven Phase gegen Corona hatte geimpft, das sei doch alles Schwindel.
Er kaufte sich ein Auto, ein teures Produkt aus der Wunderheiler-Abteilung und diverse andere Sachen. Mum kannte seine Rente und konnte sich nicht vorstellen, dass diese für all das reicht. Und sie wusste, dass er Schulden hatte.
Um sein Einkommen aufzubessern, wollte er Menschen mit dem Wunderheiler-Ding behandeln. Bei Ärzten wollte er Werbung dafür auslegen. Entsetzt war er immer wieder, dass die Ärzte über das Wunderheiler-Ding nur müde lächelten: „Die wollen ja nur selbst Kohle verdienen!“ Er wollte Weihnachtsmann spielen, musste aber vorher eine neue Hüfte eingesetzt bekommen, lief zuvor wochenlang ohne linker Hüfte rum, weil es immer wieder Komplikationen gab – doch der Plan mit dem Weihnachtsmann hielt sich eisern.
In der Klinik spielte er seine mitgenommenen Musikinstrumente, bis es den Schwestern zu viel wurde. Dann fiel sein Interesse auf eine Villa gegenüber, die zum Kauf angeboten wurde. Gleichzeitig bat er meine Mum, ob sie seinem Handy 5 Euro aufladen könne, weil er gerade nichts flüssig habe. Im gleichen Telefongespräch wollte er, dass Mum bei den Ebay-Kleinanzeigen nach mehreren Musikinstrumenten schaut, die er kaufen wollte. Sie las ihm nur Angebote vor, die über 1000 Euro kosteten in der Hoffnung, der Preis würde ihn abschrecken.
Er rief einen alten Freund an, dem er vor 25 Jahren ein paar Hundert Euro geborgt hätte. Auch von seiner ehemaligen Schwiegermutter wollte er Geld zurück, das er ihr vor vielen Jahren geliehen hätte. Seiner Krankenkasse machte er einen Einlauf, weil er auch von dort Zahlungen erwartete. Er schwärmte von einem Laden, in dem man Kalaschnikow-Gewehre „einfach so“ kaufen könnte, mit so einer Waffe könne man ja sein Geld eintreiben.
Sein Ton hatte sich deutlich verändert. Vom Häufchen Elend war rein gar nichts mehr zu merken. Meine Mum fuhr er am Telefon immer wieder heftig an: „Was fragst du denn dauernd?! … Das hab ich dir doch gerade erzählt, begreifst du es nicht?! Oder hörst du schlecht?!“ Seine Stimme war laut, Mum versuchte, ihn immer wieder zu bremsen. Besuchen brauchte sie ihn nicht mehr, sein Interesse galt nun Frauen unter 40. Daraus machte er ihr gegenüber überhaupt keinen Hehl. In einer Kneipe hatte er angeblich seine Jugendfreundin zufällig getroffen und Mum sollte ihre Telefonnummer per Internet rausfinden. Eine Frau, die kurzzeitig bei ihm putzte, blieb bald wieder fern: „Die erzählt überall, ich hätte sie begrabscht!“
Mir bereitete dieser schroffe Umgang des Mannes mit meiner Mum leichte Bauchschmerzen. Erst war sie die einzige, die sich abseits von Pflegedienst und Ärzten um ihn kümmerte. Seine beiden Söhne hatten den Kontakt zum Vater schon lange abgebrochen. Und nun, wo er eigentlich raus aus dem Tal war und seine Dankbarkeit hätte zeigen können, behandelte er sie wie ein wertloses, notwendiges Übel, das gerade gut genug war für das Raussuchen von Telefonnummern und das „Auslegen“ von Geld.
Ohne die vorherigen Erfahrungen, beginnend mit Katis Ex, wäre das alles nicht zu fassen gewesen: Ein Mensch, der sich so extrem wandeln kann?! Von zu Tode betrübt zu Himmel hoch jauchzend?! Wie kann ein Mensch plötzlich so undankbar sein? Wie kann er so verletzend sein? Woher kommen diese völlig abwegigen Gedanken mit der Bundeskanzler-Kandidatur? Warum will der Mann eine Villa kaufen, wenn er nicht mal 5 Euro übrig hat?
Am Tag vor dem 2. Advent rief er Mum an: Sie brauche ihn morgen nicht anrufen und ihm einen schönen Advent wünschen, sondern solle sich erst wieder melden, wenn sie zur Vernunft gekommen sei. Er war zutiefst verletzt, dass sie ihre Augenerkrankung nicht mit seinem Wunderheilerdingens behandeln wollte, nicht mal testweise. Wieder war eines der Symptome der Manien deutlich: Alle anderen sind krank, nur der Maniker selbst ist vernünftig.
Mum kannte die Geschichten um Katis Ex und auch die der weiteren Begegnungen. Diese Erfahrungen halfen und helfen ihr, das alles zu begreifen und es nicht zu persönlich zu nehmen – aber klar bekommt man nie den absoluten Abstand zu Beleidigungen hin, gerade wenn man einem Menschen zuvor viel geholfen hat. Die Frage, ob die Diagnose Biopolare Störung wirklich so stimmte, stellte sich nicht mehr. Viele Symptome der manischen Phasen waren auch bei diesem Mann ab Anfang 2022 dabei: übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn, Sprühen vor Ideen, Drang zum Reden, Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten, sinnlose geschäftliche Investitionen.
Überraschend war eigentlich nur, dass es so lange gedauert hatte, bis sich eine neue manische Phase zeigt. Wie der Phasenwechsel von der Depression zur Manie ausgelöst wurde, ist für uns völlig unklar, eigentlich hatte sich nichts verändert, es gab keine Phase mit erhöhtem Stress. Scheinbar kippte der Hormonhaushalt einfach so. Gespannt waren wir, wie lange es dauern würde, bis das Häufchen Elend wieder hervortreten und sich sein Charakter einmal mehr komplett verändern würde.
Hat man für ein Thema eine Antenne entwickelt wie ich durch den Ex von Katharina für die bipolare Störung, fällt es einem natürlich viel mehr auf. Dennoch registrierte ich diese Häufung mit zunehmendem Kopfschütteln: War es Zufall oder gibt es wirklich so viele Menschen, die mit dieser Erkrankung leben?
Wirklich verlässliche Zahlen findet man nicht, so wie bei allen psychischen Erkrankungen. Das „Weißbuch bipolar“ geht von bis zu 2% Betroffenen aus. Manche Studien kommen zum Ergebnis, dass bis zu 5% der Gesamtbevölkerung von den Erkrankungen des gesamten bipolaren Spektrums betroffen sein könnten. So oder so käme man auf mindestens 1,2 Millionen Menschen in Deutschland mit bipolarer Störung, wobei die Heftigkeit der Verläufe unterschiedlich ist. Nicht jeder Bipolare rauscht mit 4 Promille durch den Wald oder fühlt sich verfolgt. Energie raubend und verstörend ist das Auf und Ab für jeden im Umfeld dieser über 1,2 Millionen Menschen – und natürlich auch für die Erkrankten selbst. Über 1,2 Millionen einzelne Geschichten wie die von Katis Ex, Veronika, Manuela, Mums Mitbringsel und all den anderen. Und noch viel mehr Geschichten von Partnern, Kindern, Eltern, Angestellten, Kollegen. Dieses Thema hält Millionen Menschen jeden Tag in Atem – und man muss per Zufall darauf stoßen, um das Verhalten eines anderen Menschen enträtseln zu können, wenn es noch keine Diagnose gab.
Wer glaubt, keinen Menschen mit bipolarer Störung zu kennen, liegt falsch. Kannst Du Dir vorstellen, dass ein Mensch wie Katharinas Ex oder Mums Mitbringsel einen Weltkonzern leitet? Ein Mensch, der Geld zum Fenster rauswirft, wildfremde Menschen anquatscht, auf Tischen tanzt, sexuell keine Limits kennt, nachts nur 2 Stunden schläft, sich nicht überzeugen lässt, dass der Himmel blau und nicht grün ist, der wirre Sachen sagt und macht, sich für ein Genie hält, dem keiner das Wasser reichen kann und der vor genialen Einfällen sprüht?
Er gründete PayPal, Tesla und SpaceX. Mit 27 war er Millionär, inzwischen sind seine Firmen milliardenschwer. Sein Arbeitseifer, sein Sprühen vor Ideen machten ihn zu einem der einflussreichsten Menschen dieser Zeit – aber beides verdankt er den Manien. Die Frage, ob er bipolar sein könnte, beantwortete Musk mit einem „Yeah.“ Allerdings sei er nicht im medizinischen Sinne manisch-depressiv.
Sein Verhalten passt gut zu den bekannten Symptomen. Wer ihn um seinen Reichtum und all die damit verbundenen Möglichkeiten für ein finanziell sorgenfreies Leben beneidet, sollte sich immer wieder die Geschichten von Katis Ex und anderen Bipolaren durchlesen. Musk sagte einst selbst, man solle ihn nicht um sein Leben beneiden.
Die Vorgeschichte seiner Erkrankung ist die Übliche: Seine Kindheit war alles andere als angenehm. Als Schüler wurde er gemobbt und krankenhausreif geschlagen. Zumindest von Seiten des Vaters konnte er kein gesundes Selbstbewusstsein bekommen, auf ihn ist Musk gelinde gesagt „nicht gut zu sprechen“. (Mehr dazu in den Quellen unten)
Sein Hin und Her beim Kauf von Twitter – erst Ja, dann Nein, dann wieder Ja – ist für mich ein Indiz, dass er von Manie zu Normal/Depression und zurück zur Manie gewandelt sein könnte während des Kaufprozesses. Wenn ich über 40 Mrd. Dollar ausgebe und dafür Kredite aufnehme, dann weiß ich eigentlich, wofür und zeige mich nicht so unentschlossen. Seine Sätze, die die Übernahme begleiteten, könnten aus den Mündern der anderen in diesem Text genannten Bipolaren stammen.
Bisher zeugte Musk neun Kinder. Die Benennung seines sechsten Kindes machte Schlagzeilen: X Æ A-Xii. Mir tun die Kinder leid, denn ihre Chancen, psychisch gesunde Erwachsene zu werden, erscheinen mir nach all den Erfahrungen sehr gering. Auch dieser Vater kann aufgrund seiner Erkrankung seinem Nachwuchs kein stabiles Selbstbewusstsein geben, so wie es Katis Ex bei seinen Jungs nicht kann. Auch hier vererbt eine Generation der nächsten mehr oder weniger heftige psychische Probleme. Wer das für eine unhaltbare Behauptung hält, möge mir die Gegenbeispiele benennen.
Und mir macht es Angst, wenn ein solches Unternehmen in den Händen eines Mannes ist, der nur selten Kontrolle über sich haben kann durch seine Erkrankung. Seine Geschichte zeigt aus meiner Sicht: Wir brauchen psychologische Eignungstests für Firmenchefs, genauso wie für Politiker. Nur so kann verhindert werden, dass ein Mensch Firmen und Menschen zerstört.
Und nur so kann verhindert werden, dass ein Mensch mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung im Amt eines Präsidenten zur Stürmung des US-Parlamentssitzes animieren kann, so dass Menschen mit psychischen Erkrankungen dem Ruf folgen.
Wenn Journalisten über den Sturm auf das Kapitol in Washington vom Januar 2021 berichten, wird häufig ein Bild des „Büffelmannes“ verwendet. Er wurde durch sein markantes Äußeres zu einer Symbolfigur des Sturms und des ganzen Wahnsinns. In den Artikeln geht es immer wieder in hochtrabenden Worten um die Gefährdung der Demokratie durch Rechtsextremisten, angeleitet vom „Trumpismus“, eine Wortschöpfung, die es eigentlich nicht bräuchte, weil „Narzissmus“ als Beschreibung des Ex-Präsidenten völlig ausreichend ist. Aber sowohl bei Trump als auch beim „Büffelmann“ wird bei Erklärungen für ihr Verhalten um das Thema psychische Erkrankungen/Persönlichkeitstörungen der übliche, endlos große Bogen gemacht.
Laut Untersuchung des FBI hat der „Büffelmann“ mehrere psychische Erkrankungen, darunter vorübergehende Schizophrenie, bipolare Störung, Depressionen und eine Angststörung. Auch hier gilt: Je seltsamer das Handeln eines Menschen, desto wahrscheinlicher sind psychische Erkrankungen. Und diese entstehen nicht aus dem Nichts, sondern sind praktisch immer Folge einer mehr oder weniger furchtbaren Kindheit. Den Sturm auf das Kapitol hätte es nie gegeben, wenn man in den Kinderzimmern der Beteiligten für eine kindgerechte Atmosphäre gesorgt hätte und wenn man Politiker mit Persönlichkeitsstörung durch psychologische Eignungstests von Ämtern fernhalten würde. Nur müsste dazu das Thema überhaupt erst einmal wahrgenommen werden.
Darf man alle anderen, die sich an der Erstürmung beteiligten, als psychisch erkrankt einstufen? Natürlich nicht. Darf man davon ausgehen, dass alle anderen psychisch gesund waren und nur der eine nicht? Angesichts dessen, was in dieser Welt passiert und wie weit verbreitet psychische Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen sind, lautet meine Antwort: Nein, davon sollte man nicht ausgehen. Ereignisse wie der Sturms aufs Kapitol sollten Arschtritte sein, um sich endlich mit den Auswirkungen der Erkrankungen und Störungen zu befassen.
Und nein, es geht nicht darum, psychisch Erkrankte als das große Übel abzustempeln, sondern um das Lernen aus den Geschichten der Erkrankten und um den damit verbundenen Erkenntnisgewinn: Kinder müssen mit gesundem Selbstbewusstsein aufwachsen können. Nur so kann es psychisch gesunde Erwachsene geben.
Wie sieht es im Showgeschäft mit der bipolaren Störung aus?
Rapper Kanye West, einst Partner von Kim Kardashian, wuchs gutbürgerlich auf, was aber nicht heißen muss, dass seine Kindheit kindgerecht verlief. Seine Mutter arbeitete als Professorin für Anglistik und hatte sich von Wests Vater getrennt. Über seine frühen Jahre sagte er: „Während andere auf der Straße abhingen, war ich in der Mall shoppen.“ Psychische Erkrankungen entstehen nicht nur aus Vernachlässigung, auch der „Goldene Käfig“ kann Gift sein für die psychische Gesundheit.
2009 legte West einen verstörend-legendären Auftritt bei der Preisverleihung des Musiksenders MTV hin. Als Taylor Swift sich für den Preis für das beste Video bedankte, stürmte West auf die Bühne, schnappte sich das Mikro und erklärte, Beyonce hätte eines der besten Videos aller Zeiten abgeliefert. Swift wusste nicht, was ihr geschah und den Zuschauern ging es nicht anders.
Weitere verstörende Auftritte folgten, von sich selbst zeigt er sich immer wieder unglaublich überzeugt. Er will sich in einer Reihe sehen mit Jimi Hendrix, den Rolling Stones und den Beatles. West gilt als einer der reichsten Musiker und Unternehmer der Welt, stand zwischendurch am finanziellen Abgrund. 2016 schrieb er über Twitter, dass er 53 Mio. Dollar Schulden hat. Und er bekam 2017 die Diagnose Bipolare Störung. In den Manien leidet er unter Verfolgungswahn, genauso wie Veronika, was nicht selten ist in dieser Phase.
2020 kündigte er an, US-Präsident werden zu wollen. Seine Frau entschuldigte sich im Sommer für seltsame Nachrichten von West bei Twitter und verwies auf seine Diagnose.
2022 kündigte Adidas die Zusammenarbeit mit West auf, nachdem von rassistischen Aussagen die Rede war.
Ist Kanye West ein Rassist? Ein Geldverschwender? Ein Größenwahnsinniger? Ein Genie? Kommt drauf an, ob er in der Manie oder Depression ist.
Über Mariah Carey, eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt, wurde viel geschmunzelt, wenn sie einmal mehr mit ihren Starallüren Schlagzeilen machte: „Das gehört halt zu einem Weltstar dazu.“ Sie wurde zum Inbegriff der Diva – die Menschen, die unter den Allüren litten, lachten sicher weniger darüber. 2018 verriet sie, was sie schon 2001 diagnostiziert bekam: Bipolar II. Bei dieser Form der Störung folgt einer mindestens 14-tägigen Depression mindestens eine leichte Manie.
Lovato, eher den jüngeren Generationen bekannt, kann sieben Songs in einer Nacht schreiben und bis 5:30 Uhr wach bleiben, sagte sie dem Magazin „People“. Die Diagnose Bipolare Störung bekam sie während eines Klinikaufenthaltes aufgrund von Anorexie, Bulimie, Selbstverletzung und Drogenmissbrauch.
Schauspieler Mel Gibson, bekannt u.a. aus „Mad Max“, „Lethal Weapon“, „Braveheart“ und „Was Frauen wollen“, erklärte 2002, dass bei ihm die bipolare Störung festgestellt wurde. Neben seinen Filmen machte er Schlagzeilen mit verstörenden Auftritten und Aussagen gegen Schwule und Juden. Mehrfach wurde seine Alkoholsucht behandelt. Sein Vater war Anhänger von Verschwörungsmythen.
In einem Artikel bei web.de Anfang 2021 wurden unter der Überschrift „Zum 65. Geburtstag von Mel Gibson: Superstar und Hollywood-Rüpel“ dessen filmische Erfolge und Skandale aufgezeigt, versehen mit den Sätzen: „Immer wieder muss Gibson dementieren und sich entschuldigen, er verweist auf eine diagnostizierte Bipolare Störung und seinen Alkoholismus, um seine wiederholten Ausfälle zu entschuldigen. Auch wenn es aufgrund der Vielzahl der Vorfälle immer schwerer wurde, ihm aufrichtige Reue abzunehmen, gelang Gibson das Comeback in Hollywood.“i
Schon das Wort „Rüpel“ in der Überschrift zeigt, wie viel Aufklärungsarbeit bei Journalisten nötig ist, damit sie in der Realität ankommen. Wieder klingt es nach „Der will sich ja nur rausreden.“ Wer sich den Film „Der Biber“ mit Gibson anschaut und seine bipolare Störung im Hinterkopf hat und Menschen mit dieser Erkrankung selbst erlebt hat, der weiß, warum er dort verdammt überzeugend wirkt.
Carrie Fisher machte sich mit ihrer Rolle als Prinzessin Leia in den Star-Wars-Filmen auch über ihren Tod 2016 hinaus unsterblich. Ihr Privatleben hatte weniger Glanz: Drogen, Alkohol – und bipolare Störung. Über die Manien sagte sie: „Manie beginnt als einziger Spaß, tagelang kein Schlaf, nur du und dein Gehirn, das zu einem außergewöhnlichen Computer wird, der dir 24 TV-Kanäle nur über dich präsentiert. Nach einer Weile geht das jedoch gravierend schief.“
Schauspielerin Catherine Zeta Jones, die u.a. mitspielte in „Ocean´s 12“ und im Musicalfilm „Chicago“, machte ihre Erkrankung 2011 bekannt.
Ihr Kollege Ben Stiller („Nachts im Museum“) glaubt, er sei bipolar und führt darauf u.a. Ausbrüche am Set von „Zoolander“ zurück.
Richard Dreyfuss spielte in „Der weiße Hai“, „Mr. Hollands Opus“, „R.E.D. – Älter, Härter, Besser“ und bekam 1978 den Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle in „Der Untermieter“. Seit seiner Kindheit hat er mit der bipolaren Störung zu kämpfen und erlebte die typische Achterbahn, bis er sich in Behandlung begab und man die richtigen Medikamente fand für einen stabilen Zustand.
Die Aufzählung ist sicher weit weg von „vollständig“. Wer z.B. das Verhalten von Charlie Sheen, bekannt aus „Hot Shots“ und „Two and a half Man“, verstehen will, könnte ebenfalls bei dieser Störung fündig werden. Sind diese Menschen so berühmt, reich und einflussreich geworden und nebenbei bipolar? Oder verhalfen ihnen erst die Dopamin-Schübe in den Manien zu ihrer Kreativität? Können sie so scheinbar selbstbewusst vorgehen und Risiken eingehen, weil die Manie sie im Griff hat, wo andere sich aus Selbstzweifeln nicht aus dem Hemd trauen? Gäbe es Paypal, Tesla und SpaceX ohne die manischen Phasen von Elon Musk? Gäbe es diese Firmen, wenn er in seiner Kindheit nicht gemobbt worden wäre? Musste er nach so viel Macht und Einfluss und Geld streben, damit sein Selbstwert gefüttert werden konnte und weil die Manien ihn trieben? Er könnte mit seinem Einfallsreichtum ein einfacheres, ruhigeres und dennoch finanziell abgesichertes Leben führen. Wie viele manisch-verrückte Ideen fängt sein Umfeld in den Firmen ab, weil diese Geniestreiche in den Ruin führen würden? Wie ist das Umfeld psychisch aufgestellt? Wie viel Einfluss darf ein manischer Mensch bekommen? Wie kann man verhindern, dass die Erkrankung ausbricht? Hätte es schon ausgereicht, ihn als Kind zu beschützen?
Wer auch immer über Musk, West, Gibson und andere Menschen berichten will, die sich sehr auffällig verhalten, sollte immer bedenken: Kein Mensch ist einfach nur größenwahnsinnig, Extremist, Rassist, ausgeflippt, überdreht. Hinter all dem steckt eine Geschichte, die in der Kindheit beginnt. Aus Opfern werden Täter. Wer keine Täter will, muss dafür sorgen, dass es keine Opfer gibt.
Die Rolle der Medien ist für mich schwer zu ertragen. Spätestens 2022 gäbe es genug Möglichkeiten, um über die bipolare Störung und andere psychische Erkrankungen sowie Persönlichkeitsstörungen aufzuklären und ihre Auswirkungen auf die angebliche Spaltung der Gesellschaft zu zeigen. Doch Journalisten bedienen in ihren Artikel immer wieder nur Klischees. Und solange wir Menschen durch Klischees erklären, wird immer der Gedanke da sein: „Ach, wenn der mit mir zusammen ist, wird er sich schon ändern.“ Anstatt von Rassismus und anderen Formen von Hass zu sprechen und ständig neue Kampagnen zu starten, müssen wir uns um die psychische Gesundheit kümmern.
Die Leidtragenden der Ignoranz sind die Kinder. SIE müssen das ausbaden, was WIR verzapft haben. Auf ihren Schultern lastet das, was wir nicht wegräumen konnten oder wollten. Und eines Tages sind diese Kinder das WIR, so wie WIR einst genau diese Kinder waren. Aus Opfern werden Täter und Täter hinterlassen neue Opfer.
Wenn Kinder aufwachsen ohne die Anerkennung durch BEIDE Elternteile, dann sind die Umwege zum Glück vorbestimmt – und sie sind immer Wege ins Unglück.
Den Blick hinter die Gardinen mit 80 weiteren Biografiesplittern gibt es in meinem Buch:
Wer Menschen verstehen will, muss ihnen zuhören, sie beobachten, hinter die Fassade schauen: Warum heiraten wir? Sind Frauen von Natur aus gute Mütter? Was erlebt man bei der Partnersuche? Wem verdanken Elon Musk und Kanye West ihre Erfolge? Was treibt andere Prominente an – und was ist dein eigener Antrieb? Fallen psychische Erkrankungen vom Himmel? Warum steht jemand 5 Stunden unter der Dusche? Wieso glaubt Käpt´n Crazy, die Chinesen würden kommen? Sind Krankenhäuser tatsächlich Hurenhäuser? Warum verheimlicht eine 50-Jährige, dass ihr Vater soff?
Mit den Antworten auf diese Fragen wird unerklärliches Verhalten entzaubert. Kein Hashtag, kein Gendern und keine Kampagne wird diese Welt retten können. Erst wenn wir einsehen, wie wir ticken, kann sich etwas verändern. Komm mit auf eine Reise, die Dich verändern wird!
Das Buch gibt es bei bod.de, bei Amazon, genauso bei allen anderen Onlinehändlern. Du kannst aber auch beim Buchhändler um die Ecke danach fragen. Die ISBN: 9783 7557 0721 9. (Da sich bisher kein Verlag interessiert hat, werden keine Exemplare zum Mitnehmen rumliegen, deshalb bitte vorerst direkt im Laden bestellen.)
Sophie lebt – und ist tot. Was besser ist für sie? Ich weiß es nicht.
„Da war nichts.“ Meggie hatte eine schöne Kindheit, dennoch geht es ihr schlecht. Warum?! Dann erwacht der Elefant.
„Ich habe mich gefreut, wenn Papa fünf Minuten Zeit für mich hatte.“ Jens hat den Arbeitseifer seines Vaters geerbt und wird in sechs Jahren sterben.
„Warum hat er mich nicht lieb? Bin ich einfach ein Nichts?“ Diese Fragen stellt sich Katis jüngerer Sohn und denkt dabei an seinen Vater.
Suizid kann Freiheit bedeuten. 2020 hat Ulli die erste freie Entscheidung seines Lebens getroffen. Dieser Neubeginn bedeutete seine Freiheit. Und sein Ende.
Saskia gibt mit Ü40 die Hoffnung nicht auf, von ihrer Mum ein nettes Wort für ihr Dasein zu hören. Bettina bekam mit 20 ein Kind, um ihrem Elternhaus zu entkommen – und lebt seitdem in den gleichen Verhältnissen.
Natascha Kampusch als Hassobjekt?! Das macht keinen Sinn – doch beim Zuhören erklärt sich auch beim Thema Hass, wie sich unsere „Special Effects“ entwickeln.
Annie ist 16, 1,70 m, 40 kg. Ihr Vater versteht nicht, warum sie nicht einfach mehr isst. Er selbst steckt jeden Monat 500 Euro in sein Onlinespiel. Annies Mutter vermeidet Diskussionen mit ihm über ihr Rauchen. Verstehen des jeweils anderen? Fehlanzeige.
Die einen waschen ihre Firma grün, die anderen leben beim Yoga ihren Narzissmus aus. Was steckt hinter dem Gendern?
Wer Frauen sichtbar machen will, muss das komplette Bild ins Scheinwerferlicht rücken – auch die Schattenseiten.
Wo in der Geschichte sind die ganz konkreten Beispiele dafür, dass Appelle an die Vernunft etwas zum Guten verändern? Mein Vater kann nicht gemeint sein.
Über Tote sagt man nichts Schlechtes. Wenn dir also nichts Positives einfällt, dann musst du schweigen. Doch jedes Leben erzählt eine Geschichte.
Knapp 18 Mio. Menschen werden pro Jahr wegen psychischer Erkrankungen behandelt. So etwas können Parteien doch nicht ignorieren, oder?
Frage: Was muss passieren, damit diese Welt weniger verrückt ist? Antwort: Wir müssen zuhören lernen. Oder wir verbieten das Kinderkriegen.
Jochen wäre fast ertrunken, der Vater zerrte ihn wieder ins Wasser. Opfer und Täter, weiß und schwarz. Doch ist es wirklich so einfach?
Du weißt, wie wahre Liebesgeschichten beginnen. Dies sind einige von ihnen.
Und wieder glauben wir, Erwachsene umerziehen zu können – und wieder haben wir nichts aus der Geschichte gelernt.
Er verfolgt dich, er bespitzelt dich, er glaubt dir nicht, du machst Schluss mit ihm. 10 Jahre später sitzt du mit ihm und euren beiden Kindern am Frühstückstisch.
In dieser Welt passiert vieles, was aufgedeckt gehört. Gibt es jedoch zu einem Ereignis 101 unterschiedliche Wahrheiten, dann werde ich nachdenklich.
Die Welt wird von einer unsichtbaren Macht geleitet – sagen nicht nur Verschwörungsanhänger, sondern Milliarden Menschen.
Er baut den Keller zur Wohnung um, weil die Chinesen kommen. Sie spricht vom Angriff der Roboter. Wenn du ihre Geschichten kennst, wirst du sie verstehen.
„Als ich Krebs hatte, bekam ich Mitleid, Zuspruch und Unterstützung. Als Depressionskranke war ich immer die faule Sau.“
Stille ist Luxus. Im Wald kannst du sie finden, kannst nackt herumrennen. Doch nun weicht die Stille der Sprachlosigkeit.
Als Robert Enke durch Suizid starb, herrschte große Trauer. Doch längst jagen wir seine Nachfolger Richtung Abgrund.
1,9 Millionen unserer erwachsen gewordenen Kinder verlassen offiziell psychisch kaputt ihr Elternhaus – und es ist uns egal. 28% der Erwachsenen insgesamt gelten als psychisch erkrankt – und es ist kein Thema. Die Gründe für diese Zahlen erklären aber, was mit dieser Welt nicht stimmt. Deshalb braucht das Thema psychische Gesundheit endlich maximale Aufmerksamkeit. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit auf die Pauke hauen würdest, denn allein packe ich es nicht. Auch wenn du „nur“ Teil des Chors sein möchtest, dich in den hinteren Reihen verstecken möchtest oder dir die Kraft fehlt zum lauten Singen: absolut kein Problem. Hauptsache, du bist auf irgendeine Weise anwesend. Auch wenn du nur als Teil der Abonnentenzahl auftauchst, ist dem Thema geholfen.
Wir sind Ruth und Knut. Nimm uns an die Hand und komm mit auf deine spannendeste, tränenreichste und lustigste Reise. Wir reißen Wunden auf und kleben nicht einfach ein Pflaster drüber, um unsere Besitzerin auf einen entspannten Weg durchs Leben zu ermöglichen.
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